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BERLIN/ Philharmonie: BERLINER PHILHARMONIKER – Saisoneröffnung mit Kirill Petrenko

25.08.2018 | Konzert/Liederabende


Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker. Copyright: Monika Rittershaus

Berlin/ Philharmonie: bejubelte Saisoneröffnung mit Kirill Petrenko, 24.08.2018

Noch dauert es etwa ein Jahr, bis der von den Berliner Philharmonikern gewählte neue Chef  Kirill Petrenko offiziell sein Amt antritt. Die Vorfreue ist groß, und die Erwartungen sind schon an diesem Abend hoch. Als er zur diesjährigen Saisoneröffnung den total ausverkauften Saal betritt, brandet sogleich der Beifall auf.  

Kann der jetzt 46jährige Russe, der von 2002-2007 als GMD der Komischen Oper Berlin nicht übermäßig auffiel, jedoch das Bayerische Staatsorchester in den letzten Jahren zum Spitzenklangkörper formte, die Berliner Erwartungen jetzt und in Zukunft erfüllen?

Mit Beethovens „Symphonie Nr. 7“ A-Dur op. 92 gelingt ihm das an diesem 24. August hundertprozentig. Kaum ist der letzte Ton im forte fortissimo, wie vom Komponisten gefordert, verklungen, prasseln die Bravi. Das Publikum springt auf, spendet „standing ovations“ und schließt sich damit nach mehr als einem Jahrhundert den Beifallsstürmen bei der Uraufführung in Wien im Jahr 1813 an. 

Zu Recht, hat er doch zusammen mit den exzellent spielenden Berliner Philharmonikern den Klassiker Beethoven deutlich aufgefrischt und manchen Staub von der Partitur gewischt. Sogar einige Dissonanzen kitzelt Petrenko aus dem heftigen Schlusssatz heraus. Den hatte übrigens Friedrich Wieck, der Vater von Clara Wieck (der späteren Clara Schumann) – zusammen mit dem ersten Satz – als Kompositionen eines Verrückten oder Volltrunkenen bezeichnet.

Auf alle Fälle war Beethovens Siebte ein weiterer Protest gegen Napoleon, der kurz nach dem Niederschreiben der Partitur seinen Russlandfeldzug begann, an dem sich die deutschen Fürsten beteiligen mussten. Das Militärische bestimmt daher den 1. und den 4. Satz.

Der zweite, das Allegretto, widmet sich offensichtlich den Opfern, die Napoleons Feldzüge verursachen, und ist in seiner melodiösen Trauermarsch-Anmutung zum Hit geworden. Petrenko dirigiert ihn einfühlsam, doch mit gewisser Straffheit, um jede Gefühligkeit zu vermeiden und sich dann locker den geschwinden Passagen zu widmen.

Dennoch – trotz aller Publikumsovationen ist mein Musikhöhepunkt an diesem Abend ein anderer: das zweite Stück: Tod und Verklärung“ op. 24  von Richard Strauss, das dem gut durchdachten und anschaulich dargebotenem Don Juan op. 20 auf dem Fuße folgte. Die schon oft gehörte Tondichtung gerät an diesem Abend zum Ereignis.

Ungemein sorgsam und sensibel zeichnete Petrenko zusammen mit den Berliner Philharmonikern diesen Todeskampf nach, das Japsen nach Luft, das Stöhnen und Schlagen des Herzens, beleuchtet aber auch die Phasen, in denen der Sterbende noch einige Hoffnung schöpft.

Ganz tief versenkt er sich in die Noten, als die Herzschläge schließlich unregelmäßig werden. Petrenko, als Perfektionist bekannt, will das ganz alles genau machen: das Aufbegehren gegen den Tod, gefolgt von dumpfen Posaunenklängen und der schicksalsträchtigen Pauke. Da stockt manchen Zuhörern/innen ebenfalls der Atem. Umso größer dann die Erleichterung beim Übergang ins strahlende C-Dur mit der Verheißung, dass der Tod nicht das absolute Ende darstellt.

Diese Art der Aufführung hat die Programmmusik des jungen Richard  Strauss sehr geadelt, und dieser Sicht haben sich auch die Berliner Philharmoniker hörbar angeschlossen, die beide Tondichtungen schon kurz nach den Uraufführungen in Weimar 1889 und Eisenach 1890 unter der Leitung des Komponisten spielten. Auch dafür ein kräftiger Applaus, den Petrenko stets mit den Interpreten teilt. Die Holz- und Blechbläser waren Weltklasse.

Nach der Wiederholung des Programms heute im ausverkauften Schlüterhof des neu entstehenden Berliner Stadtschlosses (Humboldtforum) ziehen die Berliner Philharmoniker mit Kirill Petrenko weiter nach Salzburg und gastieren mit dem gleichen Programm am 26. 08. im Großen Festspielhaus, wo sie tags darauf ein anderes Programm bieten. 

Ursula Wiegand  

 

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