Berlin/ Philharmonie: Barenboim und Lang Lang beim Benefizkonzert, 13.11. 20113
Daniel Barenboim mit Lang Lang beim Schlussapplaus, Foto Thomas Bartilla
An diesem Abend ist die ausverkaufte Philharmonie voller junger Menschen. Sie alle wollen Lang Lang erleben. Genau wie dem Geiger David Garrett gelingt es diesem Wunder-Pianisten, die Jugend zu Klassik-Programmen in die Konzertsäle zu locken. So auch in diese Benefiz-Veranstaltung zugunsten der in Renovation befindlichen Lindenoper. Ob die jungen Leute wissen, dass aus diesem Anlass alle gratis musizieren, selbst der chinesische Weltstar?
Auf den müssen sie allerdings noch ein Weilchen warten, gibt es doch wie beim Popkonzert ein „Vorprogramm“, jedoch eines mit herrlich „softigen“ Melodien: Franz Schuberts „Unvollendete“ (die „Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759).
Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin bringen dieses Werk weich schwingend, aber ohne Sentimentalität. Wie Pingpong-Bälle werfen die Instrumentalisten die Melodien einander zu. Eigentlich müsste viele Zuhörer die schon mitsingen können. Schuberts Aufschrei kommt unvermittelt, stört einige auch beim heimlichen Blick aufs Handy. Danach kräftiger Beifall, und nun warten alle auf Lang Lang.
Der greift aber auch nicht gleich in die Vollen und bringt erstmal Mozarts „Konzert für Klavier und Orchester c-Moll KV 491. Gelassen sitzt er am Flügel, lässt die Finger über die Tasten huschen, dirigiert selbst mit und hält stets den Kontakt zum Orchester. Hinterher meint mein 14-jähriger Begleiter, der Dirigent wäre doch gar nicht nötig gewesen. Die Musiker wüssten doch, was sie zu spielen hätten.
Lang Lang am Flügel, Foto Thomas Bartilla
Lang Lang weiß das sowieso und korrespondiert darüber hinaus mit dem Publikum. Mal schließt er verzückt die Augen, mal schaut er direkt in die Gesichter, und oft geben seine Hände Merkzeichen.
Auch kehrt er gelegentlich den Schelm heraus und trifft sich so mit Mozart, der ebenfalls zum Schabernack neigte. Den letzten Satz (Allegretto) bringt er, öfter grinsend und entsprechend wippend, so munter, als ritte er auf einem Pferd. Lang Lang – ein Tonfilm.
Mit dem „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 c-Moll op. 18“ von Sergej Rachmaninow ist er dann wirklich in seinem Element und schlägt alle in seinen Bann. Die kleine Chinesin neben mir hat ihr Handy längst vergessen und sitzt nun wie mein Vierzehnjähriger hochkonzentriert auf der Stuhlkante.
Die Anfangsakkorde, die wie anschwellendes Glockengeläut an Kraft und Intensität zunehmen, gelingen unübertrefflich, und alles was folgt, ob forte oder pianissimo, besitzt die gleiche technische Vollkommenheit. Selbst die schnellsten Läufe und die extremsten Triller kommen völlig mühelos Bei diesem immens schwierigen Werk kann sich Lang Lang wirklich als Meister-Pianist beweisen, ganz gleich, ob man seine Lesart, Mimik und Gestik immer akzeptieren möchte. Klassik macht Spaß, ist ihm in jeder Sekunde anzumerken, und das will er speziell der Jugend vermitteln.
Auch Barenboim und die Seinen legen nun deutlich an Power zu und zeigen Rachmaninow als denjenigen, der mit diesem Werk eine Schaffenskrise überwinden konnte. Gelegentlich wird’s zwar etwas schwülstig, doch auch das hat seine spätromantische Berechtigung.
Hinterher riesiger Jubel und Gekreische, belohnt mit Dvoráks sanfter „Waldesruh“ zu vier Händen. Jetzt ist Barenboim der Melodieführer, während Lang Lang als Begleiter in die ihm offenbar unbekannten Noten kriecht. Es wird eine leicht holprige Klavierstunde, aber ein passender Schluss-Spaß
Ursula Wiegand.