Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Philharmonie: ANDRIS NELSONS DIRIGIERT MAHLERS ZWEITE SYMPHONIE

14.12.2018 | Konzert/Liederabende


Andris Nelsons dirigiert die Berliner Philharmoniker. Foto: Monika Rittershaus

Berlin / Philharmonie: Andris Nelsons dirigiert Mahlers Zweite Symphonie (13.12.2018)

In Berlin „mahlert“ es derzeit, und so bringt Andrís Nelsons zusammen mit den Berliner Philharmonikern nun Gustav Mahlers Zweite Symphonie, ein Werk, das mit 90 Minuten Dauer nicht nur zeitlich alle Grenzen sprengt.

Die drei Abende sind ausverkauft, erwarten doch die Berliner Musikfans etwas Besonderes von Nelsons, der auch ein aussichtsreicher Kandidat als künftiger Chef der Berliner Philharmoniker war und Leiter des Boston Symphonie Orchestra und neuerdings des Gewandhausorchesters Leipzig ist.
Erwartungsgemäß beweist Nelsons, dass er bei Mahlers Zweiter Außerordentliches leisten kann, bietet doch Mahler vom Sterben ausgehend auch einen Blick zurück auf ein abwechslungsreiches Leben, gekrönt von einer überkonfessionellen Erlösungsbotschaft und so ein Universum an Klängen und Rhythmen in einer Monumental-Besetzung einschließlich einer Kontrabasstuba.

Mitgebracht hat Nelsons den MDR Rundfunkchor Leipzig, einstudiert von Risto Joost. Der singt ausgezeichnet und gefällt sehr mit seinen feinen Piani, die beim 7-minütigen Auftakt-Stück „Lux aeterna für gemischten Chor, Glockenspiel und Vibrafon“, komponiert von der Litauerin Maija Einfelde (geb. 1939), voll zur Geltung kommen. Zu hören ist die zweite Fassung von 2012.

Die geht angenehm ins Ohr, schwebt unter Nelsons einfühlsamer Leitung zumeist sanft durch den großen Saal, steigt aber auch auf zu schillernden Klängen. Wenn Glockenspiel und Vibrafon einsetzen, scheinen die letzten Minuten eines Menschen zu verrinnen. Das Kurz-Requiem endet mit dem bekannten lateinischen „Ruhe in Frieden“. Danach Herzlicher Beifall.

Gleich anschließend Mahlers ausladende 2. Symphonie, auch „Auferstehung“ genannt, und der Kontrast könnte größer kaum sein. Der Tod Hans von Bülows hat Mahler angeblich diese Idee gegeben. Die Hörerinnen und Hörer könnten dabei, so meinte Mahler später, an den Tod eines geliebten Menschen denken. Ebenso an sein vorangegangenes Leben.

Dem vorherigen zarten Aquarell von Maija Einfelde schließt sich sozusagen – Tod hin oder her – ein üppiges, farbenprächtiges Riesengemälde an. Bei dem zieht nicht nur Mahler, sondern auch Nelsons, nun mit energischem Dirigat, gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern alle Register.
Nach dem dunkel-düsteren, marschähnlichen Hauptthema weht ein zart lyrisches Seitenthema durch den Saal. Klagend erheben sich bald die Kontrabasstuba-Klänge, Dissonantes bricht sich Bahn. Im 3. Satz wird es nach hartem Schlag ziemlich spöttisch, nimmt Mahler dort doch Bezug auf Des Antonius von Padua Fischpredigt aus des Knaben Wunderhorn.


Andris Nelsons, Berliner Philharmoniker, Gerlind Romberger und Lucy Crowe. Foto: Monika Rittershaus

Die Altisten Gerlind Romberger wiegt sich derweil schon leicht, Mahlers Rhythmen aufgreifend, hin und her. Sie kennt diese Symphonie offensichtlich genau und bringt ihr erstes Solo „Der Mensch liegt in großer Not“ (im 4., Urlicht genannten Satz) – begleitet von Harfenklängen – so wunderbar und stimmschön, dass ich mir wünsche, sie würde gar nicht aufhören zu singen.

Doch dann geht es erstmal mit krasser Lautstärke weiter, gefolgt von kess tänzerischen Weisen, die die heitere bis stürmische Jugend des Toten illustrieren. Die damaligen Kritiker waren über diese ungewohnte Mischung aus Erhabenem und Alltäglichem, aus Klangmassen, Trauermärschen, Chorälen, Walzerweisen und Lyrik schockiert. Das sei keine Musik, sondern „Lärm, Skandal, Unfug, Umsturz“ – so ihr hartes Urteil.
Heutige Musikfans hören das anders, auch das überaus siegesgewisse „Auferstehen“ im 5. Satz, gesungen vom Chor und dem herrlich aufschwingenden Sopran von Lucy Crowe. Bald vereinen sich Sopran und Alt in der Gewissheit, den Tod bezwungen zu haben. „Sterben werd’ ich, um zu leben!“ lautet Mahlers äußerst zuversichtliche Quintessenz (die sich übrigens der Rocksänger Falco etwas abgewandelt zu eigen machte).
Triumphal braust nun dieser Optimismus durch die Philharmonie. Kaum ist der letzte Ton verklungen, springen die Menschen auf und feiern alle Mitwirkenden zu Recht mit stehenden Ovationen.

Ursula Wiegand

 

Diese Seite drucken