Daniel Barenboim. Foto: Monika Rittershaus
Berlin/ Musikfest Berlin: Daniel Barenboim dirigiert die drei letzten Mozart-Symphonien, 29.08. 2020
Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin eröffnen an diesem Abend den Konzertteil beim Musikfest Berlin 2020. Zuvor war schon Starpianist Igor Levit mit seinem Beethoven-Zyklus zu hören und wird ihn auch fortsetzen.
Dennoch ist trotz Beethoven-Jahr an diesem Abend Wolfgang Amadeus Mozart in der Philharmonie an der Reihe, und der Kontrast von drinnen und draußen könnte größer nicht sein. Das betrifft weniger die Musik als das Sonstige in diesem Corona-Jahr.
Die Philharmonie setzt ganz auf Sicherheit. Jedes Ticket hat einen Farbhinweis. Auf dem vorab per Mail geschickten Lageplan ist zu erkennen, welcher zur Farbe passender Eingang benutzt werden soll.
Ich habe Orange und stelle mich – selbstverständlich mit Gesichtsmaske – am Eingang Ost an. Drinnen greife ich gleich das dünne Inhaltsverzeichnis und folge der Orange-Linie auf dem Boden bis hinauf zum Block E links.
Dort wird mir (und anderen) der Platz zugewiesen. Nur sehr wenige Menschen pro Reihe sind es, denn es geht um die Abstandshaltung. Die Randsitze und die Reihe vor mir sind blockiert. Wie verstreute Blümchen auf einer großen welligen Wiese wirken die wenigen erlaubten Musikfans in der riesigen Halle. Ein surreales Bild.
Den noch herberen Kontrast bildet das Umfeld draußen. Rund 38.000 Menschen sind von nah und fern nach Berlin gekommen, um dicht an dicht und zumeist ohne Maske gegen die Corona-Politik der Regierung zu protestieren.
So gesehen ist die Berliner Philharmonie, der schöne Scharoun-Bau, eine Insel des Friedens und des Wohlklangs. Hatten sich einige vorher noch über das Programm mit gleich drei Mozart-Symphonien etwas kritisch geäußert, erweisen diese sich nun als die richtige Wahl zur richtigen Zeit.
Die Staatskapelle Berlin in gehobener Kammermusik-Anzahl und Daniel Barenboim betreten mit Gesichtsmasken das Podium, um sie dann wegzustecken und sich intensiv diesen drei letzten Symphonien, alle komponiert im Sommer 1788, zu widmen. Es sind folgende:
Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, KV 543
Sinfonie Nr. 40 g-Moll, KV 550
Sinfonie Nr. 41 in C-Dur, KV 551 „Jupiter“
Schon bei den ersten Takten kommt Erleichterung und Freude auf. Der große weinbergähnliche Saal klingt trotz der wenigen, aber offenbar überlegt gesetzten Zuhörer/innen nicht hohl. Der Klang rundet sich wunderbar.
Das ist natürlich auch Mozart zu verdanken, der bei diesen drei letzten Symphonien – komponiert rd. 3 ½ Jahre vor seinem frühen Tod – nochmals seinen ganzen Ideenreichtum genial in die Waagschale geworfen hat.
Auch der grundsätzlich warme (deutsche) Klang der Staatskapelle Berlin passt bestens und auch, wie ihn Daniel Barenboim, auswendig dirigierend, an diesem Abend nutzt. Vom Block E links sehe ich seine Gestik und Mimik und erkenne genau, welche Stellen ihm offensichtlich besonders am Herzen zu liegen.
Bei der weniger bekannten Nr. 39 in Es-Dur fällt das besonders auf, da sie ungewöhnlicherweise mit einem charmanten, von den Musikern/innen fein ausgemalten Adagio beginnt, das sich dann zu einem zackig dirigierten Allegro steigert.
Beim Andante filtert Barenboim das Gesangliche heraus, vermeidet aber alles Süßliche. Andererseits erstaunen mich bei diesen drei Symphonien die Menuette, da sie alle eine marschmäßige Anmutung (erhalten) haben, nach der sich jedoch ebenfalls tanzen ließe.
Beim bekannteren 2. Stück, der Symphonie Nr. 40 g-Moll, möchten sicherlich viele gerne mitsingen, zumal das Tänzerische mitsamt den feinen Arabesken und fugenartigen Passagen von Barenboim und den Seinen aufmerksam herausgearbeitet wird. Mozart schätzte Bach sehr und bahnte andererseits Beethoven indirekt den Weg. Der war 17 Jahre jung, als Mozart diese drei letzten Symphonien zu Papier brachte, und sie sollen ihn tief beeindruckt haben.
Copyright: Monika Karczmarczik.
Am besten bekannt ist sicherlich Mozarts majestätische „Jupiter“- Symphonie in C-Dur, einer als kriegerisch und siegreich geltenden Tonart. Der 1. Satz Allegro vivace zeigt sogleich, wo es langgeht, wird aber von Barenboim nicht übereilt. Mit dem 4. Satz, dem Molto Allegro als Jubel-Finale, verabschiedet sich Mozart aus dem Komponieren von Symphonien. Sie sind sein Vermächtnis.
Er ist in diesem Genre am Ziel. Barenboim und die Staatskapelle sind es ebenfalls und werden von den heftig applaudierenden Zuhörerinnen und Zuhörern entsprechend gefeiert. Der Bann ist gebrochen und der Konzertstart ins Musikfest Berlin 2020 gelungen.
Ursula Wiegand