Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Konzerthaus/Festival Baltikum: BEGINN MIT WERKEN VON ARVO PÄRT

19.02.2018 | Konzert/Liederabende

Arvo Pärt in Tallinn, Foto Ursula Wiegand
Arvo Pärt in Tallinn nach der Uraufführung von Adam’s Passion, Foto Ursula Wiegand 


Berlin/ Konzerthaus: Festival Baltikum, Beginn mit Werken von Arvo Pärt, 18.02.2018

Nur Arvo Pärt sollte es zum Auftakt des 10-tägigen Festival Baltikum im Konzerthaus am Gendarmenmarkt sein. Zur Eröffnung am 16. Februar kam der 82jährige Este sogar nach Berlin. Bei der Wiederholung des Konzerts am 18.02. ist er nicht zugegen. Doch eines war vorab klar. Iván Fischer, Chef vom Konzerthausorchester Berlin, wollte Pärts mystische Musik nicht mit der anderer Komponisten vermischen. Stattdessen wählte er wichtige Beispiele aus drei Schaffensperioden.

Arvo Pärt, in jungen Jahren auf den Spuren von Arnold Schönberg, fiel daraufhin im damals von den Sowjets besetzten Estland in Ungnade. Gegen die allgemeine Unterdrückung protestierte er ab 1968 auf stille Weise: mit einer selbst auferlegten achtjährigen musikalischen Schweigeperiode.

Nur die 3. Sinfonie (1971) komponierte er in jener Zeit, emigrierte dann 1980 auf Druck der Sowjets nach Wien und wurde österreichischer Staatsbürger. 1981 übersiedelte er mit seiner Familie nach West-Berlin, wo er fast 30 Jahre lebte und komponierte. Erst 2009 kehrte er in seine Heimat zurück.

In seinen Schweigejahren trat er in die orthodoxe Kirche ein: Musikalisch wurde das für Pärt ein Zurück zu den Wurzeln: zur Gregorianik und Renaissance sowie zu den Werken von Johann Sebastian Bach. Daraus entwickelte er seine eigene minimalistische Tonsprache, den „Tintinnabuli-(Glöckchen-) Stil. „Alles beruht bei ihm auf dem Dreiklang“, drückte es vorab Iván Fischer in einem Radiointerview aus. Über dem Dreiklang als der ständig vernehmbaren Basis entwickelt sich die Melodie, und aus beidem wird dann eine Einheit.

Wie ein altes Kinderlied schleicht die sich sofort in Hirn und Herz, ohne dass die Zuhörerinnen und Zuhörer merken, wie exakt das alles komponiert ist. Sie spüren nur die angenehme Ruhe, die sich aufgrund dieser schlichten Regelmäßigkeit ausbreitet. In dieser Klanglandschaft sucht und findet Arvo Pärt die Antworten für sein Leben und sein musikalisches Schaffen.

Festival Baltikum, Iván Fischer am Flügel, Sayako Kusaka, Violine, Foto Markus Werner
Festival Baltikum, Iván Fischer am Flügel, Sayako Kusaka, Violine, Foto Markus Werner

Als bestes Beispiel dieser beruhigenden Schlichtheit gilt seine 10minütige Komposition von 1978, Spiegel im Spiegel“ für Violine und Klavier. Iván Fischer setzt sich selbst an den Flügel und lässt die Dreiklänge ganz gleichmäßig perlen – wie Wassertropfen in einer Unendlichkeit. Darüber zieht die Geigerin Sayako Kusaka sehr fein ihre Melodien, mal hin und her, mal auf und ab. Eine suggestive Musik entsteht, der sich wohl niemand entziehen kann. Es ist Pärts meistgespieltes Werk und hat auch Eingang in rd. ein Dutzend Filme gefunden.

Vielleicht fürchtete Fischer, dass diese meditative Ruhe das Publikum einschläfern könnte, würde „Siegel im Spiegel“ gleich zum Konzertbeginn ertönen. Also steht Pärts Como cierva sedienta“ für Sopran und Orchester (von 1999) am Anfang, eine Vertonung der Psalmen 42 und 43. Pärt hat damit ein für ihn recht untypisches Werk geschaffen, eine ungewöhnlich farbige und gehaltvolle Partitur für ein großes Orchester, um all’ die Drangsal, die Verzagtheit, das Scheitern, die Trauer und Hoffnung auf Hilfe auszudrücken.

Unmerklich folgt aber auch dieses Werk Pärts selbst geschaffenen Regeln. Jeanine De Bique realisiert mit Können und Hingabe die anspruchsvolle Sopranpartie, faltet während der Gesangspausen auch mal die Hände. Letztendlich gewinnen aufkommende Freude und wieder gefundenes Gottesvertrauen die Oberhand und lassen ihre angenehm vibratofreie Stimme überzeugend jubeln.

Zuletzt das Te Deum für drei Chöre, Klavier, Streichorchester und Tonband, Arvo Pärts tief empfundene und musikalisch reich auskomponierte 30minütige „Gotteslob-Oper“. Ein Werk, an dem Pärt immer wieder gefeilt hat. Der Entstehung in den Jahren 1983/84 folgten zwei Revisionen, 1992 und 2007. Fürs Gotteslob hat Pärt all’ seine Kräfte mobilisiert, das Beste seines Schaffens war dafür gerade gut genug. D

Die Damen und Herren vom Rundfunkchor Berlin verstärken diese Hymne, stehen beidseitig vom Orchester und auf einer Empore über den Musikern. Ein satter, allumfassender Stimmenklang entsteht, unterstützt vom variantenreichen Einsatz der Contrabässe bis zu den Soli der ersten Violinen. Zuletzt kündet ein strahlendes Dur vom festen Vertrauen der Gläubigen auf Gottes Hilfe, gefolgt von großem, anhaltendem Jubel des begeisterten Publikums.

Ein besonderes Highlight gibt es noch in gut einem Monat: „Adam’s Passion“ –  ein Musiktheater von Arvo Pärt und Robert Wilson am 27., 28. und 29. März ebenfalls im Konzerthaus.

Ursula Wiegand

 

Diese Seite drucken