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BERLIN/ Komische Oper: HEUTE NACHT ODER NIE“ von Mischa Spoliansky

24.06.2016 | Operette/Musical

Berlin/Komische Oper:HEUTE NACHT ODER NIE“ von Mischa Spoliansky, 23.06.16

Christoph Marti (Die Lesbe), Stefan Kurt (Der Beamte), Kai Tietje (der Klavierspieler) , Foto robert-recker.de
Christoph Marti (Die Lesbe), Stefan Kurt (Der Beamte), Kai Tietje (der Klavierspieler) , Foto robert-recker.de

Diese Spoliansky-Revue „Heute Nacht oder nie“ ist genau das Richtige für einen warmen Sommerabend. Die Komische Oper ist ausverkauft. Das Publikum hat die (gar nicht so) leichte Muse gewählt, wohl auch wegen der Geschwister Pfister, die schon in „Clivia“ begeisterten und den Beweis erbrachten, dass sie mehr als Kabarett können (was ebenfalls nicht so einfach ist). Angesichts der auf der Bühne kreisenden Sektgläser können sich die Besucherinnen und Besucher sogleich auf Ähnliches oder ein Bier danach freuen.

Regisseur Stefan Huber hat die Bühne in eine Quasi-Bar verwandelt. An beiden Seiten sitzt das Orchester des Hauses, geleitet und animiert von Kai Tietje, zugleich als der Mann am Klavier agierend. Mit den von ihm frisch arrangierten Songs hält er das Geschen in Schwung.

Allerdings geschieht recht wenig. Trotz der vier knackigen, steppenden und tanzenden Girls (Choreographie: Danny Costello) wird es keine Revue im üblichen Sinne. Es ist eine abwechslungsreiche Folge von Gesangsnummern, aber die haben es in sich und sind auf ihre Art große Klasse. Die Typen, die sie zum besten geben – drei davon aus dem Ensemble – sind es ebenfalls und passen genau in ihre jeweiligen Rollen. Gelungenes Casting so zusagen.

Es rollte also keine simple Munter-Show ab. Neben frech-frivolen Songs, teils aus den Goldenen Zwanzigern, gibt es durchaus Melancholisches, werden auch die schmerzhaften Zäsuren im Leben des russisch-jüdischen Komponisten spürbar.

1932, bei der Premiere von „100 Meter Glück“ im Metropol-Theater, – dem Vorgängerbau der Komischen Oper, war er schon Anfeindungen der Nazis ausgesetzt und emigrierte 1933 nach London. Dort lieferte er vor allem Filmmusik, und daher sind auch solche Nummern im Programm.

Einer auf der Bühne muss uns trotz der Saalkühlung wirklich leid tun: Tobias Bonn von den Geschwistern Pfister im Fatsuit als übergewichtiger Bonze. Doch federleicht tanzt er mit dem Fräulein, der Sängerin Mirka Wagner, zu dem Song: „Mit dir möcht’ ich auf der Avus noch mal Tango tanzen“. Kein Wunder bei ihrem glitzernden Sopran. (Die Avus war Berlins frühere Auto-Rennstrecke).

Christoph Marti als muskulöse, drogensüchtige Lesbe hat’s im schwarzen Spagetti-Trägerkleid und den leuchtend roten Strümpfen (Kostüme: Heike Seidler) diesbezüglich besser. Wie nah die Verkörperte dem Verfall ist, macht Marti mit zittrigen Gesten und Zusammenbruch beim Boston-Waltz „Morphium“ deutlich. Aber „Leben ohne Liebe“ will sie auf keinen Fall und findet mit „Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin“ die passende Lösung.

Selbst die Hure – Andreja Schneider mit grüner Perücke – schwankt zwischen Selbstbewusstsein und der Sehnsucht nach wahrer Liebe. Ihr Job sei genau so einer wie die Arbeit in einer Fabrik und genau so langweilig, singt sie resolut.

Zum sofort beklatschtem Knüller wird „Sie geht nach Spandau“, ein Parcours durch diverse Musikstile, manchmal fast choralartig. Darüber lachen die Berliner im Publikum, ist doch Spandau ein Stadtteil von Berlin.

Dass ansonsten nicht alles lustig ist, zeigt die Nummer: „Einmal möchte’ ich keine Sorgen haben. Wie das Leben verrinnt und die Zeit verpasst wurde, einst gehegte Ideen umzusetzen, ist ebenfalls ein Thema. Sehr überzeugend Christoph Späth als Taxifahrer mit Berliner Schnauze.

Mit klarem Tenor und Wendigkeit macht er aus seiner Rolle eine gelungene Charakterstudie. Behände turnt und singt sich auch der Schauspieler Stefan Kurt als Beamter durch seine Aufpasser-Rolle. Voller Schmalz und Schmelz (und mit Mikroport) artikuliert der junge Tenor Johannes Dunz als Provinzler seine Liebe für das Fräulein, zuletzt mit dem Titelsong „Heute Nacht oder nie“, der ein Welthit wurde.

Also Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Zum Schluss Spolianskys Version von „Auf Wiederseh’n“. Das berührt und macht nachdenklich. Für ihn war 1933 ein Abschied für immer. Nach dem Krieg kehrte  er nicht nach Deutschland zurück und starb 1985 als britischer Staatsbürger in London.

 Ursula Wiegand

Nur noch ein Termin am 4. Juli

 

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