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BERLIN/ Komische Oper: DIE PERLEN DER CLEOPATRA von Oscar Straus. Premiere

04.12.2016 | Operette/Musical

BERLIN / DIE PERLEN DER CLEOPATRA, Komische Oper Premiere, 3.12.2016

Frech frivole Revue rund um die Berliner Pharaonin Dagmar Manzel

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Dagmar Manzel mit der Tanztruppe und den Chorsolisten, Foto Iko Freese I dramma-berlin.de

„Cleo-, Cleo,- Cleopatra“: „Willst Du der Damen Meister sein, musst Du beim Küssen dreister sein“

Am Ende kniet Regisseur und Hausherr Barry Kosky vor dem Vorhang vor Dagmar Manzel und küsst den Saum ihres wallenden schwarzen Kleides. Die Komische Oper hat es geschafft, aus einer völlig unbekannten Operette wie diesen 1923 in Wien uraufgeführten „Perlen der Kleopatra“ einen höchst amüsanten Theaterabend zu kreieren. Das hat in Europa wohl nicht seinesgleichen. 

Cleopatra will einen Kerl. Egal ob versklavter Soldat oder einfallender römischer Feldherr, er muss wohlgebaut und mit einer „kleinen Liebesflöte“ ausgestattet sein. Keine Richard Strauss‘sche Marschallin ist diese Spree-Nofretete, die auf die große Liebe verzichtet, nein eher eine alternde kaiserliche Mamsell gibt sich in voller Statur die männerheischende Ehre. Die wilden Zwanziger feiern in Berlin einmal mehr ihre Urständ. Der in der österreichischen Kaiserstadt Bad Ischl verblichene Oscar Straus hätte wohl seine helle Freude an dieser Produktion gehabt.

Vor verschiebbaren geometrisch gezeichneten schwarz-weißen Jugendstilprospekten (Rufus Didwiszus) läuft das köstlich absurde Drama der männergeifernden, in die Jahre gekommenen „Cleo“ ab. Inmitten vieler herrlich abstruser Chöre und eines sexy auftrumpfenden Balletts sucht die mächtige Frau nach der einzigen richtigen, großen und wahren Liebe. Dürre, Intrigen, Hunger des Volkes und schwelende Palastrevolten hin oder her, erst der ohne Liebesperlen im Boudoir in die Schlacht ziehende verliebte römische Held Marc Anton (allerköstlichst Peter Renz als „Toni“) vermag mit nur einer Dose Berliner Biers (da lösen sich wohl keine Perlen zum Lusttrank) das Herz der Cleopatra zu erobern. 

Die Musk von Oscar Straus, die Kosky zurecht für ein Meisterwerk hält, kombiniert Wiener Operettentradition mit dem Jazz der 20-er Jahre, Orientalisches mit Spätromantik und Kabarett mit großen Tanznummern. Alles atmet ganz „Berliner Luft“. Parodistisch werden Verdis Aida, aber auch Salome („Küss mich und lass Deinen Leib mich fühlen“) zitiert. Die Titelrolle, die für Fritzi Massary kreiert wurde, darf an der Komischen Oper die große Diva Dagmar Manzel verkörpern. Und damit hat Kosky neben dem ganz und gar wunderbaren Produktionsteam (bunt fantastische Kostüme von Victoria Behr, Licht Diego Leetz) einen echten Besetzungscoup gelandet. Nach „Eine Frau, die weiß, was sie will“ darf Manzel wieder einmal alle Register einer schrägen „Brettldiva“ ziehen. Mit unglaublich präzisem Timing, einer Stimme, die von Nina Hagen, gurrenden Verlockungen, bitter-herber Selbstironie bis hin zu zuckersüßem Operettenton alles beherrscht, macht Manzel aus dieser Cleopatra eine trotz allen Slapsticks berührende Comedy Figur, aber auch die augenzwinkernde Erotomanin mit Happy End. „Cleopatra, Cleopatra, du Königin am Nil“, singt der wunderbare Dominik Köninger als „ihr“ Viktorian Silvius, nach dem er vom Liebesperlenwein gekostet hat. Ein kleiner ägyptischer Flirt, der von Cleopatras rechter Hand Pampylos (paillettenbesatzter schlitzohriger Erster Minister Dominique Horwitz) so eigentlich gar nicht vorgesehen war. Zumal der herrlich singende blondbemähnte römische Palastkommandant eigentlich der trompetenblasenden Hofdame Charmian  (entzückend Talya Liebermanvom Opernstudio) versprochen ist. Der aber spielt seine Doppelrolle ganz ausgezeichnet und verspricht der armen Cleo schon mal „Gold und Juwelen, nichts soll Dir fehlen, und müsst ich die Sterne Dir vom Himmel stehlen.“

„Mein Küchenchef ist ein Genie und bereitet uns ein Prachtmenü.“ Das mag wohl auch das Publikum gedacht habe, das die Ehre hatte, dieser Premiere beizuwohnen. Es gibt zwar keinen echten Gassenhauer in dieser Operette, aber die Librettisten Julius Brammer und Alfred Grünwald schufen ein prickelndes „Je ne sais quoi“. „Ja für die Liebe und die Männer gibt es noch keinen passenden Ersatz“, sinniert Cleopatra, die testosterongeschwängerte Luft liebt und Parfüm beim starken Geschlecht nicht ausstehen kann. „Anton, steck den Degen ein, lass ihn in der Scheide sein“ verteilt sie an Marc Anton einen wohlmeinenden Ratschlag. 

Als kleinen wirksamen dramaturgischen Gag hat Kosky eingebaut, dass Cleopatra die freche  Katze Ingeborg als Handpuppe trägt, einen Art Alter Ego der Diva im Stil von Shari Lewis‘ Lamb Chop: „Jenau! Und eens sack ick euch: Lange schau ick ma dit Rumjeeiere hier nich mehr an! Spätestens inner übanächsten Vorstellung übernehm ick Cleopatra ihre Partie! So sieht‘s aus, wa?“

Die musikalische Leitung des Abends liegt beim amerikanischen Komponisten und Dirigenten Adam Benzwi in den allerbesten Händen. Zur weiß-froschgrünen Straußenfedernorgie auf der Bühne steuert er ein schillernd gleißendes Orchester bei, das die sexuelle Freiheit ebenso feiert wie einen satirischen Gesellschaftsblick und heiter beschwingte Unterhaltung.

Rund um die Protagonisten (hier ist der Vollständigkeit halber noch Johannes Dunz als Beladonis zu erwähnen) hat diesmal das Ballett eine tragende Rolle. Wie in der Komischen Oper nicht ganz ungewohnt, dürfen die spärlich bekleideten Herren (mit nacktem Oberkörper und Flitternippeln) und Damen das frivole Berlin der 20-er Jahre wieder auferstehen lassen. Der große österreichische Choreograph Otto Pichler hat mit einem höchst abwechslungsreichen und erfinderischen Bewegungskanon in bester Revuemanier eine seiner bislang besten Arbeiten geliefert. Mit weiß geschminkten Gesichtern, schwarzer Lockenpracht und silbernen Flitterhöschen bringen die formidablen Tänzer und Tänzerinnen der Komischen Oper Berlin ein satirisch-antikisches Element mit ins Geschehen. Nach allen möglichen Offenbachiaden ist das ja kein unbekanntes Stilmittel. Neben Dagmar Manzel ist diesmal damit das Ballet der zweite große Star des Abends.

Am Ende darf Cleopatra sogar jodeln und der Nil steigt. Tja, wir Österreicher wissen halt, wie man eine Hungersnot besiegt. Wenn die Oscar Straus‘sche Liebesflöte noch auf die Wangen Röte zu zaubern vermag, dann hat wohl Berlin wieder einen großen Operettenabend in petto. Barry Koskys großer Phantasie und mutiger Spielplanpolitik sei Dank.

Die Premiere wurde live und kostenlos im Internet
übertragen.  Auf www.theoperaplatform.eu ist der Stream nach der Premiere noch sechs Monate lang im Archiv abrufbar. Bitte machen Sie davon Gebrauch!

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

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