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BERLIN/ Komische Oper: DES KAISERS NEUE KLEIDER. Uraufführung

18.10.2013 | KRITIKEN, Oper

Berlin/ Komische Oper: Uraufführung „DES KAISERS NEUE KLEIDER“, 17.10. 13

Carsten Sabrowski als Kaiser Eitelstein, Foto Sebastian Hänel
Carsten Sabrowski als Kaiser Maximilian von Eitelstein, Foto Sebastian Hänel

 

 Kinderoper? So etwas geht leicht daneben. Die Kleinen ticken anders, als es sich die bemühten Großen vorstellen. „Ach, ist das langweilig,“ wird dann oft gestöhnt. Nicht aber bei diesem Stück in der Komischen Oper. Die Kinder, viele noch unter 6 Jahren, amüsieren sich „wie Bolle auf dem Milchwagen“ und machen begeistert mit.

Intendant Barrie Kosky hat mit sicherem Gespür für Gutes ein „Komisches Singspiel“ des Tschechen Miloš Vacek (1928 – 2012) aus der Nichtbeachtung geholt und nun an seinem Haus uraufgeführt: „Des Kaisers neue Kleider“ nach Motiven von Hans Christian Andersen und einem Libretto von Miroslav Homolka. Der deutsche Text von Ulrich Lenz ist gut gelungen, so dass ständig gelacht oder – seitens der Erwachsenen – geschmunzelt wird.

Denn dass sich Leichtgläubigkeit und blindes Mitmachen in dieser lustigen Gewandung verstecken, ist unverkennbar. Schon Andersens Märchen hat es in sofern in sich. Diese tschechische Variante besitzt noch mehr politische Stacheln. Die Kommunisten haben das erkannt und das 1962 komponierte Stück sogleich verboten.

Der Herrscher, nur die Mode im Sinn, heißt hier Kaiser Maximilian von Eitelstein und futtert in der witzigen Inszenierung von Lydia Steier zum Frühstück Cornflakes. Von Carsten Sabrowski wird er – mit einem putzigen Hündchen auf dem Arm – prima gesungen und mindestens ebenso gut gespielt. Natürlich hat er einen kaiserlichen Oberhemdenbügler (Christoph Späth) und auch einen kaiserlichen Unterhosenwärmer (Hans Göring).

Zuvor schon hatte der Hofmeister (Philipp Meierhöfer) die Kinder versiert auf Trab gebracht und das Motto geübt: „Sitzt der Kragen? Nicht zu klagen.“ Einen 9-Zeiler zum Mitsingen gibt es ebenfalls, endend mit: „Alte Kleider trägt man nicht, denn die Mode ist hier Pflicht!“

Klar, dass sich Kaiser Eitelstein mehrmals täglich umzieht und in einem roten Mantel mit Schleppe (Kostüme Alfred Mayerhofer) einherschreitet. Fabelhaft auch das schicke Schwarz-weiß-Outfit der Hofdamen, während in der Staatskasse bereits Ebbe herrscht.

„Eine Wucht in Tüten“ ist des Kaisers verwöhnte Tochter Culifinda (Cornelia Zink), eine aparte, zierliche Person mit einem zauberhaft zickigen Koloratursopran. Die will zwar unbedingt heiraten, besitzt auch schon ein Hochzeitskleid, hat aber zuvor 13 nicht genehme Bewerber kurzerhand einen Abgrund hinunter stürzen lassen.

Dass die Kommunisten auch darin Parallelen erkannten, zeigt immerhin eine gewisse Klugheit, die die als Möchtegerns auf Plateausohlen über die Bühne (gestaltet von Benita Roth) stolzierende Hofgesellschaft ebenso vermissen lässt wie das dumme Volk. Alle plappern, um ihre Haut oder Stellung zu retten, jeden Unsinn nach. Entwicklungen und Wendungen, die die Musik von Miloš Vacek, angesiedelt nahe Dvořák und Smetana, treffsicher charakterisiert und unter der temperamentvollen Leitung von Uwe Sandner gut ins Ohr geht.

Des Kaisers neue, nur für Kluge sichtbare Supergarderobe, die ihm zwei durchtriebene Wanderburschen zu schneidern vorgeben, hängt angeblich auf einer Kleiderpuppe, die zuvor Culifinda und ihre sanfte Kammerzofe Alena (Katarina Morfa mit wohlklingenden Mezzo) statt eines Mannes ans Herz gedrückt haben.

Von den beiden Schelmen, der eine im T-Shirt, der andere im Karohemd, ist Barnabas (Bogdan Talos mit sattem Bass), die treibende Kraft. Jan, der Schüchterne (Michael Pflumm mit lyrischem Tenor), verliebt sich derweil in die hübsche Alena und sie in ihn. Während der so gerne als klug geltende Kaiser zuletzt – nach der Wahrheit aus Kindermund – in Unterhosen dasteht, schmachtet sich das Buffo-Paar an und wird glücklich.

Und der Hofmeister? Der sollte sich trotz „Volksallergie“ unter die Leute mischen und feststellen, ob sie klug genug sind, die (nicht existierenden) neuen Kleider zu sehen. Bei einer Hymnenprobe des Schulmeisters (Volker Herden) kommt es jedoch zur Keilerei. Vom Hähnchen bratenden Wirt (Karsten Küsters) wird der Hofmeister in die Weintonne versenkt, aus der er erst nach der entgleisten Kleider-Zeremonie stockbesoffen auftaucht.

Zum Schluss – bei der großen Chorszene (einstudiert von David Cavelius) – herrscht wieder Freude, Friede, Eicherkuchen. Selbst der zuvor in den Abgrund gestürzte echte Schneider Halskrause (Stephan Boving) ist auferstanden. Nach diesem kunterbunten, schwungvollen Musik- und Schauspielerlebnis prasselt der Beifall von Groß und Klein.

Weitere Termine: 1., 5., 26. und 28.11. sowie 8., 11., 18. und 26.12.

Ursula Wiegand

 

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