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BERLIN/ Komische Oper: DAS BRONZENE PFERD von Auber

04.07.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

 

Opernrarität in Berlin: „DAS BRONZENE PFERD“ von Auber  (Vorstellung: 3. 7. 2012)


Die junge Annelie Sophie Müller bot als Pe-Ki eine beachtliche Leistung – Szene mit Sung-Keun Park, dem Prinzen von China (Foto: Thomas Jauk)

 Mit der sehenswerten Wiederentdeckung einer selten gespielten Oper wartete die Komische Oper Berlin auf: „Das bronzene Pferd“ von Daniel-François-Esprit Auber, die 1835 an der Pariser Opéra Comique uraufgeführt wurde. Von Auber (1782 – 1871), der schon als Elfjähriger mit eigenen Kompositionen aufgefallen ist, hält sich bis heute von seinen 47 Opern lediglich Fra Diavolo und in den letzten Jahren noch La muette di Portici im Repertoire einiger Opernhäuser.

Die Handlung der Opéra comique Le cheval de bronze, deren Libretto von Eugène Scribe stammt und die in deutscher Sprache (Nachdichtung von Bettina Bartz und Werner Hintze) gezeigt wurde, in Kurzfassung: In der Nähe eines kleinen chinesischen Dorfs erscheint hin und wieder ein geheimnisvolles bronzenes Pferd. Wenn ein Mann es besteigt, erhebt es sich mit ihm in die Lüfte – und der Reiter bleibt für immer verschollen. Niemand kann sich erklären, wohin er gelangt und was hinter dieser mysteriösen Sache steckt. Aus verschiedenen Gründen besteigen der Prinz von China, sein Mandarin und der Bauernjunge Yan-Ko das bronzene Pferd und werden nach ihrer überraschenden Rückkehr alle in Stein verwandelt, weil sie von ihren Erlebnissen mit den Bewohnerinnen des Planeten Venus erzählten. Auf ihm leben nur Frauen, darunter auch die Prinzessin Stella, die geheimnisvolle Schöne aus einem Traum des Prinzen. Jeder Mann, der auf der Venus eintrifft, muss einen Tag lang den Reizen der Frauen widerstehen. Lässt er sich auch nur zu einer Berührung hinreißen, wird er auf die Erde zurückgeschleudert. Widersteht er aber, kann er der Prinzessin das Zauberarmband entwenden, so dass sie ihm folgen und seine Frau werden muss. Als Pe-Ki, die von ihrem Vater gegen ihren Willen mit dem Mandarin verheiratet wurde, obwohl sie Yan-Ko liebt, in Männerkleidung auf dem bronzenen Pferd zur Venus reitet, wird sie von den Bewohnerinnen für einen besonders hübschen jungen Mann gehalten und besteht dadurch die Probe mit Leichtigkeit. Sie bringt das magische Armband an sich und steigt mit der Prinzessin zur Erde hinab, wo sie die drei versteinerten Männer erlöst. Der Prinz und die Prinzessin fallen einander in die Arme – und Pe-Ki bekommt als Lohn Yan-Ko zum Ehemann, nachdem sie vom Mandarin die Zustimmung zur Hochzeit erhalten hatte.

Frank Hilbrich schuf für diese drei Stunden dauernde turbulente Oper eine komödiantische Inszenierung, die nur selten in Klamauk abdriftete. Die Männer werden fast durchwegs als tölpelhafte Dummköpfe dargestellt, die sich fortwährend lächerlich machen. Andererseits werden recht geschickt die skrupellose Macht- und Geldgier einzelner Personen gezeigt, wie beispielsweise des Bauern Tschin-Kao, der seine Tochter regelrecht verschachert. Sehr spektakulär wurde die jeweilige Rückkehr des bronzenen Pferdes inszeniert, die mit lautem Getöse und großer Staubentwicklung vonstatten ging, wobei danach die hintere Wand der Bühne ein großes Loch mit den Umrissen eines Pferdes „zierte“.

Das Bühnenbild von Volker Thiele vermittelte durch ein riesiges chinesisches Landschaftsgemälde als Rückwand und durch Säulen mit kleinen Affenskulpturen sowie durch chinesische Vasen und Teetassen das adäquate Ambiente für ein „märchenhaftes“ China, ebenso wie die knallig-bunten Kostüme von Gabriele Rupprecht. Für die Lichteffekte war Franck Evin zuständig.

Köstlich die Idee, vier Affen und zwei Pandabären in verschiedenen Szenen auftreten zu lassen, die von Tänzerinnen in Fellkostümen dargestellt wurden und großen Heiterkeitserfolg erzielten. Vor Beginn der Vorstellung lag bloß ein Pandabär auf der Bühne, der zweite steckte noch in der U-Bahn, wie ein Vertreter des Hauses entschuldigend berichtete, wodurch die Aufführung einige Minuten verspätet begann.

Das Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Maurizio Barbacini sorgte schon bei der Ouvertüre für eine rasante Wiedergabe der flotten und witzigen Partitur des Komponisten, die oftmals von einem rhythmischen Elan durchdrungen ist, das große Anforderungen an die Interpreten stellt, die vor allem von den Damen des Ensembles erfüllt werden konnten.

Mit komödiantischer Spielfreude begeisterte die schwedische Sopranistin Erika Roos als Tao-Jin, die vierte Frau des Mandarins, das Publikum. Köstlich, wie sie als vermeintliche Witwe ihre „Trauer“ heuchelte und sogar kopfüber ihre Arie trällerte. Großartig spielte und sang die junge Mezzosopranistin Annelie Sophie Müller – sie ist Mitglied des Opernstudios der Komischen Oper Berlin – ihre Rolle der Bauerntochter Pe-Ki. Erst unterwürfig devot, dann aufmüpfig ihrem Vater und dem ungeliebten Mandarin gegenüber, entwickelt sie sich zur koketten, selbstbewussten Frau, die schließlich – als Mann verkleidet – mit ihrem Ritt auf dem bronzenen Pferd für das allgemein glückliche Ende sorgt. Eindrucksvoll ihr köstliches Mienenspiel und ihre angenehm timbrierte Stimme! Als Mogulprinzessin Stella ließ Julia Giebel ihren perlenden Koloratursopran sprudeln, ihre Ehrendame Lo-Mangli wurde von der Altistin Violetta Madjarowa humorvoll gegeben.

Von den im Werk benachteiligten Männern konnte am besten der Bariton Juri Batukov als geldgieriger Bauer Tschin-Kao gefallen. Urkomisch die Szene, als die Affen mit seinen Banknoten ihre Spielchen treiben und er mit ihnen um sein Geld kämpfen muss. In der Rolle des Mandarins hatte der norwegische Bariton Tom Erik Lie schauspielerisch ein paar witzige Szenen, gegen seine vierte Frau Tao-Jin stand er jedoch auf verlorenem Posten. Als kaiserlicher Prinz von China war der koreanische Tenor Sung-Keun Park, der auch seine tänzerische Begabung unter Beweis stellte, eine gute Besetzung. Der Darsteller des Bauernburschen Yan-Ko war erkrankt, sodass die Rolle zweigeteilt werden musste: Der Tenor Carsten Lau sang seitlich des Orchesters, Felix Seiler, der Assistent des Dramaturgen, spielte sie.

Sehr stimmgewaltig agierten die Chöre (Einstudierung: André Kellinghaus), spielfreudig die Komparserie. Das sich blendend unterhaltende Publikum sparte nicht mit Szenenapplaus und belohnte alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall, unter den sich auch ein paar Bravorufe für die komödiantische Erika Roos sowie für das Orchester und seinen Dirigenten mischten.

Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

 

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