Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Jagdschloss Grunewald: KLASSIK OPEN AIR mit Edvard Griegs kompletter Peer Gynt-Schauspielmusik

BERLIN/Klassik Open Air im Jagdschloss Grunewald PEER GYNT

Edvard Griegs komplette Schauspielmusik stimmungsvoll interpretiert – 8. Juni 2014

Unbenannt
Foto: Kanokova

 Aufführungen im Freien sind kein Leichtes. Das Wetter muss mitspielen, des gleichen die Akustik beherrscht werden. Über beides konnte sich das Publikum am Pfingstsonntag im Innenhof des barocken Jagdschlosses am Grunewald See mehr als freuen. Trotz immer lauter werdendem Froschkonzert vom See her, Insekten jagenden Schwalben und Kuckucksrufen, nervösen Hunden, einem einsamen Flugzeug und grausam unbequemen Stühlen gelang es dem Dirigenten und spiritus rector des Unterfangens, Stefan Meinecke, das Orpheus Ensemble Berlin zu einer detailreichen und berührenden Wiedergabe der genialen Musik des norwegischen Meisters zu animieren. Die enormen orchestralen Anforderungen wurden bis auf wenige wackelige Übergänge trefflich gemeistert.

Ob Hochzeit, Tanz der Bergkönigstöchter, Trolle, Morgen, Arabischer Tanz, stürmische Fahrt auf hoher See, jedes Detail war instrumental durchhörbar und gleichzeitig im Dienste eines symphonischen Ganzen. Und noch wichtiger, mit großem Bogen konnte Meinecke starke Akzente und auch atmosphärische Kontraste zum volkstümlich, märchenhaften Schauspiel formen, das von den Sprechern Annette Kurz und Guido Beirens deftig kulinarisch interpretiert wurde. 

 Dennoch: Die  Musik bleibt Hauptakteur an diesem Abend von Ibsens Moralstück vom Fall und der Errettung eines faulen Lebenskünstlers und Frauenhelden. Der gute Peer lügt, was das Zeug hält, entführt, vergewaltigt, flieht, wird zum grausamen Sklavenhändler und landet in einem Kairoer Tollhaus. In einer Vision sieht er seinen Engel Solveig und beschließt, in seine norwegische Heimat zurückzukehren. Nach einem Schiffbruch kann er erlöst in Solveigs Arme gewiegt endlich sterben und findet so Erlösung durch reine Liebe. Wem kommt das bekannt vor? Ja richtig geraten und dementsprechend wagnert es auch in Griegs Partitur (Holländer, Lohengrin, Rheingold) nicht wenig. Insgesamt gelingt dem Komponisten jedoch ein durchaus eigenständiges folkloristisches Kolorit mit melancholischer Grundtönung, das an diesem heißen Berliner Abend durch den wunderschönen architektonischen Rahmen noch zusätzlich an Reiz gewinnt. Wie im Programmheft angemerkt ist, wurden auch zwei bedeutende Szenen mit Musik in die Aufführung integriert, die nicht so bekannt sind, weil sie Grieg nicht für seine Konzertsuiten verwenden konnte. 

Und die vokale Seite der Medaille? Als Solveig und Anitra trifft die junge österreichische Sopranistin Nicola Proksch einen eher bodenständigen als engelsgleichen Liedton.  Sie lässt vor allem in der Höhe aufhorchen und bemüht sich um intensive Gestaltung. Eine Zukunftshoffnung. So Positives lässt sich vom Sinfonischen Chor-Berlin (Einstudierung Christine Herrmann-Wewer) nicht sagen. Schlecht platziert und/oder schlecht disponiert, den Damen und zu wenigen Herren des Chors gelingt es außer den theatralisch statistischen gekonnten Zwischenrufen nicht, das Geschehen vokal eindringlich zu kommentieren oder klanglich Kontur zu geben. Dem Chor würden grundsätzlich auch eine Verjüngungskur und mehr Männerstimmen nicht schaden.

 Nach zweieinhalb Stunden stolpert man per pedes einige hundert Meter durch den nicht beleuchteten Waldweg zurück zum Parkplatz beim Chalet Suisse, manch schöne musikalische Reminiszenz im Ohr.

 Tipp: Falls jemand Lust hat, eine herausragenden Interpretation der Bühnenmusik auf CD nachzuhören, dem sei die Aufnahme mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter Sir Thomas Beecham mit der Sopranistin Ilse Hollweg ans Herz gelegt.

 Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken