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BERLIN/ Gendarmenmarkt: ENDLICH WIEDER LIVE! Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester Berlin

21.06.2020 | Konzert/Liederabende


Foto: Ursula Wiegand

Berlin: Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester Berlin live auf dem Gendarmenmarkt. 20.06.2020

ENDLICH WIEDER LIVE steht weiß auf rot auf einem Schild. Endlich – nach 15 Wochen – ist das Konzerthausorchester auch wieder mit seinem Chefdirigenten Christoph Eschenbach vereint und gibt ein Openair-Konzert auf dem Gendarmenmarkt.
Die vorübergehende Trennung war Corona bedingt und das Konzerthaus – wie sämtliche Berliner Opernhäuser, Theater und Konzertsäle – ohnehin geschlossen. Eschenbach, von 2000 bis 2010 Chefdirigent des Orchestre de Paris, hat seinen Wohnsitz in Paris. Da die Grenzen bis vor kurzem geschlossen waren, musste er dort ausharren.

Ich bin überglücklich, nach dieser langen Zeit wieder mit meinem Konzerthausorchester vereint zu sein“, sagt er. In dieser Zeit sei es ihm ein besonders starkes Bedürfnis, den Menschen durch Musik Trost, Stärkung und Freude zu bringen, fügt er hinzu.

Auch Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann strahlt. „Unsere Freude ist riesig, nach 15 Wochen Online-Programm und einem Gastspiel in Dortmund nun zum Ende der Saison doch noch zwei Konzerte live vor unserem eigenen Publikum zu spielen – gemeinsam mit Chefdirigent Christoph Eschenbach vor der Kulisse des wunderbaren Gendarmenmarkt-Panoramas.“

Dieser Platz mit seinen zwei Domen rechts und links vom Konzerthaus – dem ehemaligen von Karl Friedrich Schinkel errichtete Schauspielhaus – gilt als einer der schönsten in ganz Europa. Doch an diesem nassen Samstag gehört er fast nur den nach Live-Musik Lechzenden.

Wer Corona getrotzt habe, trotze auch dem Regen, lobt Kultursenator Klaus Lederer. „Wir versuchen, unter immer noch schwierigen Bedingungen, Pandemieeindämmung und kulturelles Leben zu verbinden“, erklärt er und bleibt auch zum Konzert. Erst vor 10 Tagen hat er mehr Lockerung gewagt und sein Okay für diese Live-Darbietung gegeben. Danach war für Nordmann, die Mitarbeiter/innen und das Orchester spurten angesagt.

Um gratis draußen dabei sein zu können, mussten sich die Musikfans vorher online anmelden. Selbst auf diesem weiträumigen Platz ist die Zahl der Zuhörer/innen begrenzt. Zur Abstandswahrung wurden Kreidekreise für höchstens zwei Menschen aufs Pflaster gemalt, auf denen sie während des Konzerts stehen bleiben müssen. Trotz des Regens bleibt keiner der Kreise leer.


Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester openair. Foto: Felix Löchner/Sichtkreis

Das Orchester sitzt auf der Freitreppe, auf einer mit Segeltuch bespannten Bühne. Als Programm hat Eschenbach Beethovens Fünfte gewählt. „Angesichts der existenziellen Fragen und Nöte dieser Monate bietet sich im Beethoven-Jahr nichts so sehr zur Aufführung an wie seine fünfte Sinfonie, die viele unter dem Beinamen ‚Schicksalssinfonie‘ kennen“, formuliert Eschenbach. Die geplanten Feiern zu Beethovens 250. Geburtstag sind wg. der Corona-Restriktionen weitgehend ausgefallen.

„Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht“, hatte Beethoven, seinen zunehmenden Gehörverlust spürend, 1801 an einen Freund geschrieben. Was könnte jetzt besser passen

Energisch legt Eschenbach los. Wer kennt sie nicht, diese markanten vier Töne, den hämmernden Beginn in c-Moll, bei denen das Schicksal tatsächlich an die Tür zu klopfen scheint. Eschenbach, der fitte Achtzigjährige, dirigiert sie mit Nachdruck, lässt die Musik später jedoch reichhaltig fließen.

Beim As-Dur-Andante möchten einige vermutlich gleich mitsingen, doch Eschenbach lässt diese warm webenden Melodien nicht ins Romantische abdriften. Vielmehr zeigt er noch im folgenden Scherzo – wieder in c-Moll – auf, dass Beethoven weiterhin um die Überwindung seiner Angst vor der Taubheit ringt.

Erst im 4. Satz hat es Beethoven – damals sehr verliebt – geschafft. Der Schluss steht in C-Dur und endet mit einem voranstürmenden Presto, von Eschenbach und dem Orchester knackig und Mut stiftend dargeboten. Eschenbach lächelt, die meisten Musiker/innen ebenfalls.
Zu Recht. Beethovens Fünfte hat über den Regen und die voran gegangene allgemeine Misere triumphiert. Das Konzerthausorchester unter Eschenbachs Leitung ebenfalls. Das sollte demnächst öfter draußen auf dem Gendarmenmarkt musizieren. Sein Klang und sein Können kommen auf dem weiträumigen Platz noch besser zur Geltung als drinnen im Großen Saal.

Ursula Wiegand


Christoph Eschenbach dirigiert das Konzerthausorchester openair. Foto: Felix Löchner/Sichtkreis
 

Zweite kostenlose Aufführung heute Abend um 18 Uhr, vermutlich bei Sonnenschein.

 

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