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BERLIN/ Deutsches Theater: DIE SCHMUTZIGEN HÄNDE/ Sartre

23.01.2012 | KRITIKEN, Theater

Berlin, Deutsches Theater: „DIE SCHMUTZIGEN HÄNDE“, 23.01.2012

Manchmal ist es ganz sonderbar. Dann kommen mir die Werke aus dem vorigen Jahrhundert ziemlich altbacken vor im Gegensatz zu denen von Shakespeare oder Euripides. So geht es mir mit einigen Stücken von Brecht und jetzt auch mit Jean-Paul Sartres Drama „Die schmutzigen Hände“, und das trotz der geschliffenen Dialoge.

Es spielt im fiktiven Illyrien, gemeint ist aber Frankreich im Jahr 1943 während der deutschen Besatzung. 1948 wurde es uraufgeführt. In einer neuen Übersetzung von Eva Groepler zeigt es jetzt das Deutsche Theater.

Hatte die 29jährige Regisseurin Jette Steckel, die schon einige interessante Inszenierungen auf die Beine gestellt hat, einen ähnlichen Eindruck? Sie lässt die Schauspieler gelegentlich ebenso rotieren wie die grauen Bühnenwände von Florian Lösche, versucht aber, dieses Argumentationsstück durch Musikfetzen – u.a. Bachs „Air“! – aufzupeppen.

Das geht zwar ins Ohr, überzeugt aber nicht den Verstand, obwohl die Thematik eigentlich nicht von gestern ist. Nach wie vor werden Agenten oder Fanatiker ausgeschickt, damit sie politische Gegner oder Abweichler umbringen.

Der sich hier freiwillig als Killer verdingt, heißt Hugo. Ein gebildeter junger Mann aus gutem Hause und ein begabter Journalist, der sich mit seiner Zeitung für die Sache der Kommunisten einsetzt.

Das aber ist ihm nicht genug, er möchte zu den Proletariern gehören und sich durch Taten als echter Kommunist erweisen. Also bekommt er den Auftrag, den zu pragmatisch agierenden Parteisekretär Hoederer umzubringen.

Diesen unbedarften, hypernervösen Intellektuellen spielt Ole Lagerpusch, und ich frage mich, warum er sich – ähnlich wie in „Prinz Friedrich von Homburg“ – erneut als stark psychisch Gestörten gibt. Einen mit ständigem Augenzucken, entgleisenden Gesichtsmuskeln, zittrigen Händen und unkontrollierten Bewegungen.

Muss er das, oder legt er selbst seine Rolle so exaltiert an? Jedenfalls ersticken solch maßlose Übertreibungen das Verständnis für die Beweggründe seines Tuns. Sie nerven und wirken auf Dauer lächerlich und langweilig.  

Das Stück beginnt mit Hugos Rückkehr aus dem Gefängnis, in dem er 2 ½ Jahre für den Mord an Hoederer büßen musste. Als menschliches Wrack sucht er Zuflucht bei der Genossin Olga (Maren Eggert), die ihm liebevoll den Bart abrasiert. In der Rückblende erfahren wir von seiner Untat. Doch geschah die aus Überzeugung oder aus Eifersucht?

Grund für die zweite und richtige Deutung ist Hugos kesse und lebenslustige Frau Jessica. Die interessiert sich keineswegs für Politik, sondern nur für Abwechslung und Liebe oder Abwechslung bei der Liebe.

Miteinander sind die beiden jungen Leute lustig, necken sich und wissen nie, was wohl ernst gemeint sein könnte. Dem Charme von Katharina Maria Schubert kann auch das Publikum nicht widerstehen. Sie hat wirklich Pepp, und während sie Hugos Pistole bei der Durchsuchung im Décolleté versteckt, flirtet sie bereits intensiv mit Hoederer.

Denn der ist ein gestandener Mann und einer, der zugibt, bei der Verfolgung der kommunistischen Ziele sich bis zu den Ellbogen schmutzig gemacht zu haben. Doch anders als der naive Hugo bedenkt er, rauchend und saufend, mit klarem Verstand die Folgen seiner Entscheidungen. Er ist ein zu Kompromissen bereiter Stratege, der – das baldige Kriegsende vor Augen – möglichst viele Menschen retten will.

Diesen Spagat zwischen Zynismus und Menschenliebe kann niemand besser darstellen als Ulrich Matthes. Mit federnder Leichtigkeit, ätzender Ironie und sanfter Tragik gestaltet er seine Rolle. Ihm glaubt man jedes Wort.

Nur Hugo nicht und erliegt dennoch Hoederers Charisma und seiner spöttischen Freundlichkeit. Inzwischen aus Verzweiflung über sein Unvermögen zum Trinker geworden, zögert er die Ermordung von Tag zu Tag hinaus. Olga zündet eine Bombe, um die Sache zu Ende zu bringen, aber niemand kommt zu Schaden. Hoederer, der Hugo durchschaut hat, gibt ihm sogar bewusst die Chance ihn zu töten.  

Doch der junge Mann weint und zittert dermaßen, dass er nicht abdrücken kann. Längst liebt er Hoederer. Erst als er ihn kurz darauf mit Jessica erwischt, schießt er sechsmal wie besessen  auf ihn ein. Um nun nach der Entlassung aus dem Knast von Olga zu erfahren, dass die Partei inzwischen ihre Meinung geändert hat und nun genau die gleichen Kompromisse mit den übrigen Kräften Frankreichs anstrebt, die Hoederer propagierte.   

Hugo traut seinen Ohren nicht und knallt sich jetzt selber ab. Und Sartre traute vermutlich  seiner Wahrnehmung nicht, als ihn die Partei beschimpfte und das bürgerliche Lager dieses  Stück als antikommunistisch für sich reklamierte.

Wen wundert’s?  Sartre hatte ja gerade bewiesen, dass das Morden zur Durchsetzung einer Ideologie keinen Sinn macht, da sich die Meinung im nächsten Moment ändern kann. Der Held heißt also Hoederer.

In den Nebenrollen tun Bernd Moss und Moritz Grove gute Arbeit. Letztendlich sind es mal wieder die großartigen Schauspieler des Deutschen Theaters, die dieses antiquiert wirkende Stück retten und sehenswert machen.   Ursula Wiegand

Weitere Aufführungen am 04., 8., 17. und 22. Februar.

 

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