BERLIN / Deutsche Oper/ Sonderkonzert der Festspiele: DEBUSSY / WAGNER (“Parsifal”, 2. Akt )
Sonderkonzert Berliner Festspiele der Deutschen Oper Berlin mit Debussy und Wagner auf dem Programm; Berliner Philharmonie 8.9.2015
Klaus Florian Vogt und Evelyn Herlitzius im 2. Akt von Parsifal
Von der Papierform her eine sichere Traumsache. Leider litt der 2. Akt Parsifal unter zwei (teils sehr) eingeschränkten Sängerleistungen.
Als Einstieg ins Konzert hat Dirigent Donald Runnicles Debussys Pélleas und Mélisande-Symphonie, arrangiert von Marius Constant, gewählt. Nicht nur programmatisch scheint diese Wahl klug, sondern es gab damit eine Art öffentlicher Generalprobe, denn heute ist in der Deutschen Oper die Wiederaufnahme der berühmten „Wasser-Inszenierung“ von Marco Arturo Marelli anberaumt. Das Orchester der Deutschen Oper Berlin und sein Chef gehen die Sache allerdings zaghaft an. Ich darf nicht an die nervig, elektrisierend, teils sogar knochig bohrende Interpretation Claudio Abbados und der Wiener Philharmoniker denken. Liegt es an der Bearbeitung, die Debussys Musik nicht genuin gerecht wird, und doch eher nach Potpourri als nach einer durchgearbeiteten Symphonie klingt? Wie auch immer, die Streicher des sehr gut disponierten Orchesters schimmern seidig und Holz und Hörner zeigen, was sie können. Spannung will dennoch nicht so recht aufkommen. Die ist ja vielleicht für heute Abend reserviert.
Nach der Pause der zweite Akt von Parsifal. Runnicles wirkt wie ausgewechselt. Wagner ist seine Domäne, das hat er im Blut und das Orchester folgt ihm auf jeden Fingerzeig. Spannungsgeladen und aufrauschend beginnt die Klingsor Szene. Dem jungen amerikanischen Bassbariton Seth Carico liegt die Tessitura des Klingsors zu hoch, außerdem ist seine Stimme viel zu frisch-schön, um wirklich die Erfahrungen suggerieren zu können, die „dieser ehemalige Gralsritter, der wegen allzu persönlicher Ansichten über die Keuschheit vom heiligen Ort verbannt wurde (Debussy)“, erlitten hat. Debussy hat die Figur des Klingsor am meisten geschätzt im Parsifal, denn „dieser durchtrieben Magier, dieser alte Halunke ist nicht nur die einzige menschliche, sondern auch die einzige moralische Person dieses Musikdramas.“
Die Blumenmädchen und der Damenchor der Deutschen Oper Berlin (Einstudierung William Spaulding) machen ihre Sache mehr als gut. Kaum je habe ich die Feen der Verführung, diese in Blumen verwandelten Pfeilspitzen des bösen Dämons, der seine Töchter dem zu Füßen eines Baumes meditierenden Weisen schickt, so homogen und brillant singen gehört. Ein Riesenblumenstrauss gebührt jeder einzelnen dieser wunderbaren Sängerinnen des Ensembles der Deutschen Oper Berlin (Nicole Haslett, Alexandra Hutton, Irene Roberts, Elena Tsallagova, Adriana Ferfezka, Ronnita Miller) für lupenreine Intonation, Stimmschönheit und Prachtlegati. Fast ein Wunder, dass sich Parsifal von so viel Wohlklang dann doch nicht auf die vorgeschlagenen „Spiele“ einlassen will. Wie im Klangbilderbuch singt Klaus Florian Vogt mit seinem typisch knabenhaft, instrumental geführten Tenor die Titelrolle. Ein Muster an Textdeutlichkeit, makelloser Technik und eleganter Stimmführung. Kein Wunder, dass er in Bayreuth unabkömmlich ist.
Und was soll ich über die von mir verehrte Evelyn Herlitzius als Kundry schreiben, derentwegen ich diese Konzert vor allem hören wollte? Sie hatte entweder einen rabenschwarzen Tag oder die Partie der Kundry liegt ihr nicht (mehr) oder beides zusammen. Ihr dramatischer, interessanter Sopran würde ja stimmlich exzellent zum 2. Akt Parsifal passen, mit dem etwas wild-rauhen Timbre, ihrem Furor an dramaturgischer Intelligenz und dem stimmlichen Ungestüm. Leider flackerte die Stimme in der Mittellage, die Piani im Duett mit Parsifal waren kaum hörbar, dafür kamen viele hohe Noten kaum, waren nur angedeutet oder rissen ab. Souverän gelangen Herlitzius das schwierige „und lachte“ sowie am Ende „Irre, Irre“, um dann das finale „Geleit“ wieder zu „schmeissen“. Dass das Publikum dennoch (verhalten) begeistert am Ende die Aufführung feierte, ist neben der großen, zwingenden Persönlichkeit von Herlitzius aber in erster Linie der Gesamtleistung der Kräfte der Deutschen Oper Berlin zuzuschreiben.
Dr. Ingobert Waltenberger