Berlin/ Deutsche Oper: „OTELLO“ mit Peter Seiffert, 27.02.2013
Peter Seiffert
Zum Verdi-Jahr gehört natürlich auch sein „Otello“, und diesmal – bei der 18. Aufführung seit der Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 30. Mai 2010 – singt Peter Seiffert den Titelhelden. Sein Name zieht, und so ist Berlins größtes Opernhaus an diesem Abend voll besetzt.
Dennoch erleben vermutlich viele die Inszenierung von Andreas Kriegenburg, ansonsten Hausregisseur am Deutschen Theater Berlin, zum ersten Mal. Kriegenburg ist gelernter Tischler und liebt Bühnenbauten bis unter die Decke. Das hat hier Harald Thor für ihn bewerkstelligt.
Wir sehen das Innere eines Schiffes, das als Flüchtlingslager umfunktioniert wurde. In den Kojen hausen die Menschen, in diesem Falle sind es die Chöre des Hauses, einstudiert von William Spaulding. Ein perfekt singender „Haufen“.
Auf der linken Seite steht noch ein Schreibtisch. An dem fertigt Othello seine Befehle aus. Auf der rechten trifft sich Jago mit Rodrigo, später mit dem degradierten Cassio und heckt seine teuflischen Intrigen aus. Ein Nihilist, der nach eigenen Worten dafür geschaffen ist, Böses zu tun, und das macht er – Lucio Gallo – ein schlanker, smarter Typ mit nuancenreichem Bariton, mit besonderer Raffinesse.
Daher rückt an diesem Abend das Mit- und Gegeneinander dieser beiden Männer auf weite Strecken in den Mittelpunkt des Interesses. Insbesondere der 2. Akt, in dem Jago den Othello zum rasend Eifersüchtigen macht, der alle Contenance einbüßt, wird ein Höhepunkt dieser Aufführung.
Für Ablenkung sorgen die umher wieselnden Kinder, die Kriegenburg dem Geschehen als Akteure (etwas gewöhnungsbedürftig) zuordnet. Mal schauen sie sprachlos Othellos Raserei zu, mal versteckt er sich hinter ihnen beim Belauschen von Jago und Cassio, mal lassen sie sich von diesem Jago beinahe vereinnahmen. Diese Aufgabe obliegt dem Kinderchor, einstudiert von Christian Lindhorst.
Von der kräftigen Statur her ist Seiffert ein passender Othello, und er macht diesen Siegertypen, der so völlig außer Kontrolle gerät, auch schauspielerisch glaubhaft. Andererseits lässt es sich nicht überhören, dass Seiffert einer der besten Wagner-Heldentenöre ist. Die auftrumpfende Rolle des siegreich Heimkehrenden kommt ihm anfangs sehr entgegen, doch im Verlauf klingt sein Gesang mitunter mehr nach Wagner als nach Verdi. Später, vor allem in den zärtlichen Szenen mit Desdemona (im schlichten dunkelblauen Kleid, Kostüme Andrea Schraad), findet er aber auch angenehm lyrische Töne.
Die Desdemona ist bei Adrianne Pieczonka in feiner Kehle. Ihre Stimme besitzt strahlende Höhen, hat aber auch noch Klang in den tieferen Lagen. Bei der
Auseinandersetzung mit Othello, der sie der Untreue verdächtigt, trumpft sie kräftig auf, und natürlich warten alle gespannt auf das „Weidenlied“ im letzten Akt. Das singt sie, ein üppiges weißes Brautgewand als Totenkleid schon um sich breitend, sehr schön, anrührend und mit der erforderlichen traurigen Innigkeit.
Gegenüber diesen drei Hauptakteuren können die übrigen nicht ganz mithalten. Die Tenöre von Yosep Kang als Cassio und Burkhard Ulrich als Rodrigo klingen etwas matt. Besser setzt sich Stephen Bronks Bass in der Rolle des Lodovico durch, der dem Gesandten von Venedig so gesehen Statur verleiht. Den Montano gibt Marko Mimica, den Herold Andrew Harris. Mit einem warmen Mezzo gewinnt Dana Beth Miller als Emilia, wie der Schlussapplaus zeigt, die Sympathie des Publikums.
Für eine schwungvolle Aufführung sorgt GMD Donald Runnicles, liebt aber offenkundig mehr die forschen als die lyrischen Passagen. Das mehrfach wiederkehrende „Liebesmotiv“ arbeitet er jedoch deutlich heraus. Dass das gekonnt musizierende Orchester der Deutschen Oper Berlin den Gesang auch wunderbar zurückhaltend begleiten kann, zeigt sich beim „Weidenlied“.
Der kräftige Schlussbeifall, gemischt mit Bravos, belohnt alle Mitwirkenden. Allerdings meine ich, auch einige wenige Buhs beim Erscheinen von Seiffert und Runnicles gehört zu haben. Die deutlichste Zustimmung erhält Lucio Gallo, der beeindruckende Jago, der Sieger im Stück und beim Applaus.
Ursula Wiegand
Weitere Termine: 2. und 6. März