BERLIN / Deutsche Oper: Opera Lounge Paris, Musiktheater für kulturhungrige Nachtschwärmer, 7.3.2018
Lass das Schlachtross tänzeln: Eine bestechende Idee zur spielerischen Öffnung der altehrwürdigen Opernhaus-Supertanker: Laut Konzept verwandelt sich zweimal im Jahr Fritz Bornemanns elegante 60er-Jahre-Architektur der Deutschen Oper in den perfekten Ort für alle, die auf der Suche nach dem Unkonventionellen sind. Im Foyer der Deutschen Oper Berlin präsentieren Nachwuchskünstler und Ensemblemitglieder des Hauses ab 21h ein frisches Programm von Oper und Klassik bis Jazz und Avantgarde. Zwischen und während der Performances laden Drinks und DJs zu Gesprächen an der Bar ein. Die Präsentationsform als Lounge mit Sitzkissen aus der „Tischlerei“ bietet eine ungezwungene Annäherung an die Opernwelt, kann allerdings nicht hindern, dass der gehobene Altersdurchschnitt eher dem normalen Opernalltag entspricht.
Die Karten kosten einheitlich 9 Euro, alle können rein. Diesmal ist ein Streifzug durch das musikalische Paris von Jacques Offenbach bis Francis Poulenc angekündigt, wenngleich ein Großteil des Programms der Weiner Operette von fall über Millöcker bis Lehar gewidmet ist. Auch nicht schlecht also. Die Besetzung besteht aus dem „Urgestein“ Jörg Schörner (der noch kein Kostüm abgelehnt hat), dem eleganten australischen Bariton Sam Roberts-Smith, dem quirligen Stipendiaten aus Dessau Philipp Jekal, dem US Tenor Thomas Lehman,der temperamentvollen Puerto Ricanerin Meechot Marrero mit der wunderbaren Samtstimme, dem durch eine Verkühlung leicht angeschlagenen US Tenor Matthew Newlin, dem Koloraturwunder aus Australien Alexandra Hutton und dem dramatischeren Tenor Attilio Glaser.
Gefallen haben besonders die Musetta Arie der Meechot Marrero aus Puccinis „La Boheme“, natürlich die besoffene „Glitter and be gay“ Parodie aus Bernsteins „Candide“ mit der herrlich überdrehten Alexandra Hutton, die beiden Poulenc Kostproben („Voyage à Paris“, „L’Hôtel“) gesungen von Thomas Lehman. Und wie könnte es anders sein, das Wiener Herz schlug höher bei „Heut könnt einer sein Glück bei mir machen“ aus Leo Falls „Madame Pompadour“ mit der auch als Operetten-Diva wunderbar reüssierenden Meechot Marrero, „Da geh ich zu Maxim…“ aus Lehars „Die Lustige Witwe“ des mit fülligem Bariton und Spielwitz begabten Philipp Jekal, sowie dem Lied „Es duftet nach Trèfle incarnat…“ aus Lehars „Der Graf von Luxemburg“ mit Attilio Glaser.
Shelly Kupferberg moderierte und interviewte launig die meisten der deutschen Sprache mehr oder eher wenig mächtigen sympathischen Künstler in einer doch recht simpel arrangierten szenische Einrichtung von Gerlinde Pelkowski. Ein Podium, eine Bar samt zwei Hockern, eine Flasche Sekt und ein paar Gläser sowie zwei Plastikpalmen reichten für den Zweck. Am Klavier begleitete der einzige „echte“ Franzose des Abends Jean-Paul Pruna. Der nicht sehr beschäftigte und noch weniger mutige DJ hieß Johann Fanger.
Ich denke, um wirklich etwas anders zu machen, müsste das Ganze schriller und gewagter sein, so im Komische Oper Revuestil mit anschließendem echtem Clubbing. Nur so könnte man ein echt neues Publikum ansprechen und eine hippe Geschichte kreieren. So war das Ganze über weite Strecken bemüht, aber auch bieder und bisweilen unfreiwillig komisch. Der hohe Sympathiewert der Veranstaltung machte dies allerdings immer wieder rasch wett. Allerdings hat auch die extrem trockene Akustik im gnadenlos überheizten Foyer ihre Tücken….
Dr. Ingobert Waltenberger