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BERLIN/ Deutsche Oper: MALAKHOV & FRIENDS – THE FINAL – Staatsballett

Berlin/ Deutsche Oper: Staatsballett mit “MALAKHOV & FRIENDS – THE FINAL“ 23.01.2014

 Der Titel macht auch zufälligen Besuchern alles klar. Diese Ballett-Gala zum 10-jährigen Bestehen des Staatsballetts in der Deutschen Oper Berlin ist die letzte Veranstaltung dieser Art unter der Intendanz von Vladimir Malakhov. Ein Finale mit Wehmut.

Dabei hatte doch alles so großartig begonnen. Die Premiere von „Dornröschen“ am 26. Oktober 2005 werde ich nie vergessen, wurde sie doch zum Aha-Erlebnis. Rosen schon im Eingang der Deutschen Oper, Rosen auf dem Vorhang und auf der Bühne. Ein wunderbar getanztes Rosenmärchen erweckte allenthalben die verschütt gegangene Ballett-Begeisterung. Unter Malakhovs Leitung erlangte das Staatsballett Berlin mit der von ihm entdeckten, blutjungen Primaballerina Polina Semionova wieder einen internationalen Spitzenplatz.

Doch Malakhovs Hang zu Altbekanntem und seine Vorliebe für überzuckerte Choreographien stießen trotz positiver Zuschauerzahlen nach und nach auf Kritik. Ebenso sein Bestreben, trotz zweier Knieoperationen weiterhin anspruchsvolle Hauptrollen zu tanzen, auf die jüngere Tänzer zumindest bei den Premieren verzichten mussten. Sich beizeiten zurückzunehmen, gelang dem einst weltweit Gefeierten nicht.

Dass jedoch die Kulturverantwortlichen im Berliner Senat sich zu ziemlich besten Feinden entwickelten und hinter seinem Rücken mit Nacho Duato als Nachfolger verhandelten, war garantiert nicht die feine Art. Eine solch schäbige Behandlung hatte Malakhov nicht verdient! Letztlich hat er notgedrungen selbst die Reißleine gezogen und auf eine Vertragsverlängerung verzichtet. Dass ihn der Senat nun mit dem Titel „Berliner Kammertänzer“ ehrt, reicht als Wiedergutmachung nicht aus und mutet fast zynisch an.

Insgesamt hat ihn diese Wende kalt erwischt, und dass er ungern geht, gibt Malakhov offen zu. In der vorherigen Spielzeit hatte er auf jede Premiere verzichtet, um Mittel und Kräfte für das zehnjährige Jubiläum mit insgesamt vier Premieren aufzusparen. Sie sollten weitere Erfolgsjahre einläuten und werden nun tragischerweise zu Abschiedsvorstellungen. Wird es dennoch ein glorreiches Finale?

Diese Ballett-Gala „Malakhov & Friends“ mit hauseigenen und eingeladenen Stars erfüllt diese Erwartungen nur teilweise, obwohl Malakhov, wie schon der Begrüßungsbeifall zeigt, nach wie vor die Sympathie des Publikums besitzt. Sicherlich sind viele dabei, die ihn nochmals als Tänzer erleben wollen. Doch zumindest in der ersten Halbzeit erregen seine Darbietungen eher Mitgefühl.

Den Auftakt hat er sich mit „Les Sylphides“ vorbehalten. Seine charmante Partnerin Mika Yoshioka vom Tokyo Ballet, wo er demnächst als Künstlerischer Berater fungiert, übernimmt das Tanzen, während Malakhov sich weitgehend mit Armbewegungen und dem Heben der zarten Person begnügt.

Auch sein zweiter Auftritt in „Leda und der Schwan“ wirkt streckenweis’ ungeschickt und gemessen an seinem früheren Nimbus beinahe peinlich, und das trotz der sonst so fabelhaften Nadja Saidakova als Partnerin. Mit Wehmut denke ich in solchen Momenten an das berührende Zusammenwirken der beiden in „Tschaikowsky“.

Lichtblicke gibt es in diesem ersten Teil aber auch: so der Pas de deux von Elisa Carrillo Cabrera und Mikhail Kaniskin in „A Sweet Spell of Oblivion“ sowie das athletische Männer-Duett von Rainer Krenstetter und Marian Walter in „MOREL & ST.LOUP“.

Als gekonnt, aber langweilig empfinde ich dagegen die Darbietungen von Mizuka Ueno und Matthew Golding sowohl im „SCHWANENSEE“-Adagio als auch später in der „DELIBES SUITE“. Von ganz anderem Kaliber dann die fabelhaften, fast schon artistischen Interpretationen der Berliner Erstaufführung „SPRING WATERS“ durch Irina Perren und Marat Shemiunov vom Mikhailovsky Theater St. Petersburg. Die beiden verkörpern offenbar eine moderne russische Linie. Mit dem „SPARTAKUS“ Pas de deux im 2. Teil überbieten sie diese Leistung an Wagemut und Perfektion nochmals.

Irina Perren, Marat Shemiunov in SPARTACUS, foto Bettina Stöß
Irina Perren und Marat Shemiunov in SPARTAKUS Copyright: Bettina Stöß

Die Meisterschaft des Choreographen John Neumeier beweisen Lucia Lacarra und Marlon Dino vom Bayerischen Staatsballett in der „KAMELIENDAME“ mit einer ebenso innigen wie perfekten Darbietung. Ebenso eindrucksvoll gelingt ihnen später das Stück „LIGHT RAIN“.

Iana Salenko in DON QUIXOTE, Foto Bettina Stöß
Iana Salenko in DON QUIXOTE. Copyright: Bettina Stöß

Dinu Tamazlacaru in DON QUIXOTE, Foto Bettina Stöß
Dino Tamazlaru in DON QUIXOTTE. Copyright: Bettina Stöß

Die Berliner Publikumslieblinge Iana Salenko und Dinu Tamazlacaru fehlen natürlich auch nicht, und mit dem schwungvollen „DON QUIXOTE“ beweisen sie, dass sie diese Wertschätzung total verdienen. Janas perfekte Pirouetten und Dinus federnd elegante Sprünge, alles mit Charme und Schelmerei, begeistern auch diesmal und enden in Ovationen.

 Der zweite Teil beginnt mit dem Solo „ICARUS“ für Vladimir Malakhov, geschaffen für ihn von dem renommierten flämisch-marokkanischen Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui. Dieser Alleingang überzeugt mehr, denn zu diesem Thema passen auch die großen Gesten mit den empor gestreckten Armen und die Bodenroller, die das Scheitern des antiken Himmelsstürmers verdeutlichen. Ein Stück mit vielleicht unbeabsichtigter Symbolkraft für Malakhovs Schicksal.

Aufgehellt wird die Stimmung dann durch die flotte „SINATRA SUITE“, die Julie Kent und Sascha Radetsky vom American Ballet Theater mit viel Schwung wie Profis beim Tanzturnier aufs Parkett legen. Diese Songs haben nach wie vor eine animierende Wirkung, und so wirkt diese Interpretation auch fürs Publikum weitaus animierender als die des sehr melancholischen Stücks „LEAVES ARE FADING“ aus dem ersten Teil. Der freudige Beifall für die Sinatra-Variationen lässt nicht auf sich warten.

Die daran anschließende „MELODIE“ zeigt uns eine superzarte und superbiegsame Mika Yoshioka, die wie im Traum von Wieslaw Dudek auf starken Armen durch die Realität getragen wird.

Ganz in der Neuzeit angekommen ist nicht erst jetzt der junge begabte Tänzer und Interpret Vladislav Marinov mit seinem (mir schon bekannten) „BALLET 101“. Das ist kein Ballett im üblichen Sinne, das ist die immer geschwindere Aneinanderreihung von eben so vielen Bewegungen, die eine Stimme vom Band unaufhörlich verlangt. Eine Anforderung hohen Grades an Kondition und Gedächtnis, ein modernes, sofort bejubeltes Schelmenstück. Für viele sicherlich etwas ganz Neues.

Überraschendes bieten nun auch Elisa Carrillo Cabrera und Nadja Saidakova mit einer reinen Frauennummer, genannt „DUETTO INOFFENSIVO“, was „nicht offensiv“ bedeutet. Doch sie bringen diese Berliner Erstaufführung eher angriffslustig, um dann mal in zärtlichere Phasen zu verfallen. Eine Choreographie von Mauro Bigonzetti, verantwortlich auch für den „Caravaggio“ des Staatsballetts. Wenn die beiden Damen dem Publikum jedoch ihre – pardon – Hintern zudrehen, wirkt das stilistisch sonderbar.

Vladimir Malakhov, Beatrice Knop in The Old MAN AND ME, Foto Bettina Stöß
Vladimir Malakhov und Beatrice Knop in THE OLD MAN AND ME. Copyright: Bettina Stöß

Den Abschluss bildet „THE OLD MAN AND ME“, choreographiert vom Niederländer Hans van Manen, einem Wegbereiter des modernen europäisches Tanzes. In diesem Stück erleben wir nun endlich, endlich einen nett humorigen Malakhov mit schauspielerischem Talent, zunächst einen Herumsteher in Anzug und Weste, was ihn übrigens vorteilhaft kleidet. Einer, der zunächst mürrisch die Avancen einer eleganten Schönen – Beatrice Knop – völlig ignoriert, sich erst allmählich für sie erwärmt und sie dann seinerseits zu umgarnen versucht.

Mit im Spiel ist eine lange Bank, auf der er sich mal lang streckt, während sie sich darunter versteckt. Ein munter-ernstes Kammerspiel mit der ebenfalls Humor begabten Beatrice Knop. Dennoch wendet sich der alte Mann zuletzt resignierend von der jungen Frau ab und geht traurig davon, so ähnlich wie Malakhov nach dieser Spielzeit das Staatsballett verlässt.

Mannomann – warum hat er diese fröhlich-tragische „Altersvariante“ nicht schon früher für sich entdeckt. Vielleicht wäre ein rechtzeitiger Rückzieher die Lösung gewesen.

 Ursula Wiegand

 Weitere Termine: 24., 25. und 27. Jan. sowie am 27., 28. und 31. März

 

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