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BERLIN/ Staatsballett: DER NUSSKNACKER- "Luxus-Premiere"

Berlin, Staatsballett: Luxus-Premiere „DER NUSSKNACKER“, 23.10.2013

Nussknacker, die Schneeflocken, Foto Bettina Stöß
Die Schneeflocken, Foto Bettina Stöß

 Draußen sind es noch fast 20 Grad plus, doch während der Ouvertüre zu Tschaikowskys „Der Nussknacker“ rieseln in der Deutschen Oper Berlin die Schneeflocken über den noch geschlossenen Vorhang. Als er sich öffnet, erblicken wir eine weihnachtliche Wunderwelt. Zunächst ins verschneite St. Petersburg, dann in einen prunkvollen Festsaal. Beides sind Bilder aus lang vergangenen Tagen.

Mit dem Sektglas in der Hand und dann das Tanzbein schwingend stimmt sich eine große Gesellschaft auf das Christfest ein. Alles so, wie es zur Zarenzeit in reichen Adelshäusern vermutlich zugegangen ist. Denn Intendant Vladimir Malakhov hat sich für die Rekonstruktion einer Nussknacker-Fassung von 1892 entschieden.

Die beiden russischen Choreographen Vasily Medvedev und Yuri Burlaka haben sie so originalgetreu wie möglich wiederbelebt. Das aufwändige Bühnenbild von Andrej Voytenko, und die fabelhaft fantasiereichen Kostüme von Tatiana Noginova sind ebenfalls nach historischen Vorlagen geschaffen. Zu sehen ist die bisher üppigste Inszenierung für das vor rd. 10 Jahren gegründete Staatsballett Berlin, ein kunterbuntes Spektakel mit einem Großaufgebot an Interpreten, das die Zuschauer aufs Beste unterhält.

Gemessen an manchem Zwischenbeifall und dem Schlussjubel für die Tänzer erfüllt diese überaus zuckrige Zeitreise ins (angeblich) unbeschwerte Vorgestern die Erwartungen der Premierengäste, obwohl die musikalische Darbietung Wünsche offen lässt.

Dirigent Robert Reimer animiert das gut geschulte Orchester der Deutschen Oper Berlin nicht zu besonderer Pointiertheit. Die Musik plätschert unter seinen Händen oft eher dahin, um dann plötzlich unangemessen laut zu werden. Der von der Komischen Oper Berlin ausgeborgte Kinderchor singt jedoch engelsgleich. Dennoch – das Publikum konzentriert sich ohnehin mehr aufs Optische und hat damit vollauf zu tun. Der Tanz der hübsch ausstaffierten Schneeflocken gerät zum Augenschmaus.

Tschaikowsky und seine Choreographen haben den Kindern bei dieser Familienfeier viel Raum eingeräumt. Den nutzten die Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Ballettschule Berlin, treten als Puppen und Spielzeuge sowie als marschierende Zinnsoldaten und putzmuntere Mäuse auf, mit dem wirbelnden Leonard Jakovina als Mäusekönig.

Den kleinen Nussknacker-Prinz gibt Andrea Zinnato, die kindliche Clara Sabrina Salva Gaglio, ein augenscheinlich talentiertes Mädchen. Die Kleinen erhalten nach ihren Auftritten stets kräftigen Applaus, stehlen den gestandenen Tänzern fast die Schau. Kinder (und Hunde) auf der Bühne kommen immer gut an, und hier machen sie ihre Sache wirklich nett.

Nussknacker, Michael Banzhaf und die Mäuse, Foto Bettina Stöß
Michael Banzhaf und die Mäuse, Foto Bettina Stöß

Den Drosselmayer verkörpert mit gekonntem Zaubermantelschwung und feinem Gebärdenspiel Michael Banzhaf, ein Animateur und gutherziger Rattenfänger (Mäusefänger) von Hameln. Bekanntlich verzaubert er die kleine Clara in die erwachsene Fée dragée und den im Geschwisterstreit lädierten Nussknacker in den unversehrten Prinzen Coqueluche.

Nussknacker, Iana Salenko und Marian Walter, Foto Bettina Stöß
Iana Salenko und Marian Walter als Traumpaar. Foto: Bettina Stöß

Diese Rollen sind Iana Salenko und Marian Walter, im wahren Leben Eheleute, auf den Leib geschrieben. Feengleich schwebt die zierliche Iana – von Marians Armen zuverlässig gedreht, gekippt und getragen – über die breite Bühne. Auch allein brilliert sie mit ihren großartigen Pirouetten, er mit weiten kraftvollen Sprüngen.

Doch nach der Liebe auf den ersten Blick und einem wunderbar anrührendem Pas de deux müssen wir bei diesem Stück doch sehr lange auf die Wiederkehr des Traumpaares warten. Im güldenen Schwanenschlitten gleiten die Jungverliebten hinweg, hin zur Konfitürenburg der Königin, des Prinzen Mutter.

Dieses Domizil, wohl auch historisch nachempfunden, bietet einen übersüßen Farbenrausch, der empfindlichen Menschen auf den Magen schlagen könnte. Dazu noch Engelchen (Eleven), die auf Wattewolken heranschweben und schließlich das bekannte Nummernballett durch allerlei Länder und ihre nachempfundenen Tanz-Stile. St. Petersburgs Publikum erwartete, wie zu erfahren ist, solch einen Pomp und Protz. Offenbar mögen es viele der heutigen Ballett-Fans ebenso.

Die diversen Einlagen gelingen unterschiedlich, und nur eine kleine Auswahl sei hier gestattet. Dem „Danse chinoise“ setzt Vladislav Marinov mit Partnerin Nanami Terai schelmische Lichter auf, in der „Reifennummer“ (Danse des bouffons) besticht Alexander Shpak durch Versiertheit.

Dagegen müssen beim Blumenwalzer die Tänzerinnen und Tänzer mit allerlei Girlanden klarkommen und dürfen dabei die große Vase nicht umwerfen. Kein guter Einfall, ob traditionell bedingt oder nicht. Dennoch werden alle Nummern gehörig beklatscht.

Endlich erscheinen Iana Salenko und Marian wieder auf der Bühne, tanzen paarweise oder solo, alles sehr schön anzusehen, alles mit Anmut und Perfektion dargeboten.

Aus den lang anhalten Schlussovationen tönen die Bravos für die beiden deutlich heraus. Viel Zustimmung gilt auch den beiden russischen Choreographen.        

Ursula Wiegand

Weitere Termine 25. und 27. Okt., 06., 11., 17., 25. und 27. Dez. sowie am 01. Jan. 2014

 

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