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BERLIN / Deutsche Oper: COSÌ FAN TUTTE als schmerzliche Lachnummer

12.10.2016 | Oper

Berlin/ Deutsche Oper: „COSÌ FAN TUTTE“ als schmerzliche Lachnummer,  11.10.2016

Cosi fan tutte mit John Chest, Paolo Fanale, Alexandra Hutton und Noel Bouley, Foto  BerndUhlig_hf
Cosi fan tutte mit John Chest, Paolo Fanale, Alexandra Hutton und Noel Bouley, Foto  BerndUhlig_hf

Was macht ein junger Theaterregisseur und Bühnengestalter wie Robert Borgmann (geb. 1980 in Erfurt) aus „Così fan tutte“, dieser völlig unwahrscheinlichen Verführungsstory vom Librettisten Lorenzo da Ponte aus dem 18. Jahrhundert? Er setzt zunächst stilgerecht gekleidete Rokoko-Damen und –Herren als Statisten während der Ouvertüre rechts vor die Bühne (Kostüme: Michael Sontag). Die handelnden Personen sind jedoch junge Leute von heute, nicht ganz, aber irgendwie.

Wolfgang Amadeus Mozart hat diese Oper als Dramma giocoso“ bezeichnet, und daran hält sich Borgmann. Die Sängerinnen und Sänger tun es ebenfalls. Das Publikum wird aber schon während der Ouvertüre mit dem Wort YOUTH auf einem gelben Flattervorhang vorgewarnt. Kaum haben GMD Donald Runnicles, der während der ganzen 3 ½ Stunden einen swingenden Mozart dirigiert, und das Orchester der Deutschen Oper Berlin den letzten Ton dieser Einleitung gespielt, rauscht der Vorhang zu Boden. Schluss mit der Jugend und ihren (damaligen) Schwärmereien. Nicht die „Schule der Liebenden“ naht, so der Untertitel der Oper. Vielmehr kündigen sich Lektionen über den Umgang mit Vertrauensverlust an, nach dem Motto: lasst alle Illusionen fahren.

Da dieser Plot vorgestrig ist, wird der bekannte übliche Ulk sofort leicht überdreht. Die Damen, Nicole Car als Fiordiligi und Stephanie Lauricella als ihre Schwester Dorabella, schwärmen so heftig und stimmschön von ihren Liebsten, das man/frau staunen muss. Ihre Partner, John Chest als Guglielmo und Paolo Fanale als Ferrando, sind gefühlsmäßig auf ähnlicher Wellenlänge, singen einen teils wendigen, teils erstaunlich markigen Mozart, jeder mit der Überzeugung, diese Frau ist mir treu.

Das würde ja alles bestens bis zum Hochzeitstermin laufen, wäre da nicht der Aufklärer Don Alfonso. Noel Bouley gibt ihn volumig gekonnt als echt zynischen Verführer. Der will die naiven Jungs im Harlekin-Kostüm mit seiner Wette nicht nur fürs Leben wappnen. Der will sich – das wird hier besonders deutlich – aus den einkalkulierten Schmerzen der anderen einen üblen Jux machen und sich vielleicht selbst generell an den Frauen seines Lebens rächen.

Die beiden tumben Jungmänner, mit der Treue ihrer Geliebten protzend, zeigen hier ganz besonderen Spaß beim Hineinwachsen in ihre neuen Rollen und haben sie gesanglich voll drauf. John Chest singt seine Arien auch mal klangschön und selbstbewusst vor und zwischen den ersten Publikumsreihen. Beide grinsen und giggeln angesichts der Entdeckung, dass sie von ihren Herzensdamen nicht erkannt werden und bringen so auch das Publikum zum Lachen.

Und wie hübsch übertrieben klagen die beiden Frauen bei der Nachricht, Guglielmo und Ferrando müssten in den Krieg ziehen. Da wollen sie sich vor lauter Kummer von ihren Lovern sogleich erschießen oder erdolchen lassen. Lieber Himmel, das ist wirklich von vorgestern und wird leicht augenzwinkernd verdeutlicht.

Dann aber ein Stimmungsschwenk, als Fiordiligi mit Emphase und Zwischenbeifall schwört, sie wolle „wie der Felsen“ die Treue halten. Da auch Dorabella zunächst dem Neuen die kalte Schulter zeigt, jubelt Ferrando beifallsträchtig über den „Odem der Liebe“. Doch ihr Don Alfonso gegebenes Soldatenwort (!) und die Aussicht, die Wettsumme zu gewinnen, hindern die beiden Männer daran, den üblen Verführungsversuch mutig abzubrechen. Wie unwohl sie sich allmählich fühlen, wird ebenfalls erkennbar.

Trotz alledem – allmählich erwacht bei den Männern der Jagdinstinkt. Die Tricks des Anbaggerns sind bekannt, z.B. wie hier Mitleid erregen, um sanfte Frauenherzen bewegen. Dass das Verführungsgift wirkt, zeigen sogleich das leuchtend gelbe Kleid von Fiordiligi und das liebesfarbene rote von Dorabella im 2. Akt. In den gleichen Farben sind nun auch die Männer ausstaffiert, aber umgekehrt. Im Hintergrund neben Bergen und Spiegeln eine Öl- oder Wasserpumpe mit einem Pumparm wie ein Schicksalshammer (sic).

Dorabella erliegt den Avancen Guglielmos als erste, Fiordiligi erst nach inneren Kämpfen und einer weiteren Intensiv-Attacke Ferrandos mit einem blinkernden Glitzerherzen. (Lacher im Publikum). Der hat ja gegenüber dem erfolgreichen „Freund“ Guglielmo was wettzumachen. Nach rot und rot finden sich jetzt auch gelb und gelb zusammen.

Alexandra Hutton als süße kesse, mit allen Liebeswassern gewaschene Kammerzofe Despina, hat allerdings mit ihrer lockeren Sicht der Liebesdinge dem Geschehen spürbar nachgeholfen. Zuerst im wippendem Kleid bzw. Doktorenmantel überm Ganzkörper-Lederoutfit, in dem sie zwischendurch auch mal Peitsche schwingend als Domina auf dem kriechenden Don Alfonso (in Unterwäsche) reitet. Sing- und spielfreudig sind alle Protagonisten, doch sie schießt mit ihrem funkelnden Sopran und ihrem Schauspieltalent den Vogel ab. Auch arrangiert sie als angeblicher Notar die Eheschließungen der Falschen. Die Frauen freuen sich, den jungen Männern wird mulmig.

Als die Richtigen kehren sie bekanntlich zurück, Erschrecken und Scham bei den Frauen, Enttäuschung und Nachdenklichkeit bei den Männern, die sich jedoch keineswegs mitschuldig fühlen. Von einem „Reifeprozess“ und den „Schmerzen des Erwachsenwerdens“ sprechen die Texte der Deutschen Oper Berlin.

Nein, nein, das ist eine echt böse, in schönen Mozartmelodien gewiegte Versuchsanordnung, eine zynische Zerstörung von Vertrauen. „SILENCE“, Schweigen, schreibt schließlich Don Alfonso im Hintergrund an die Wand, Schwamm drüber als Fazit dieser Oper, die eigentlich „Così fan tutti“ heißen müsste. Die jungen Sängerinnen und Sänger machen daraus mit viel Können, Charme und Spieltalent eine sehens- und nachdenkenswerten Aufführung.

Zuletzt herzlicher Beifall für alle, selbstverständlich auch für Donald Runnicles und den von Raymond Hughes einstudierten Chor, der nun aus der Versenkung hervortritt. Nicole Car und Stephanie Lauricella erhalten besonderen Applaus.    

Ursula Wiegand

 

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