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BAYREUTH/ Festspiele: PARSIFAL „Habemus Schager!“. Der vielleicht beste Parsifal seit Peter Hofmann

07.08.2016 | Oper

Bayreuther Festspiele: Habemus Schager! Vielleicht der beste ‚Parsifal‘ seit Peter Hofmann/ 6.8.2016

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Ryan McKinny (Amfortas) und die Gralsritter. Foto: Enrico Nawrath

Bei der 3.Vorstellung des neuen Bayreuther Parsifal (Hartmut Haenchen/ U.E.Laufenberg) kommt als neuer Parsifal der österreichische Heldentenor Andreas Schager zum Einsatz als Einspringer für Klaus Florian Vogt. Es war sein vorgezogenes Bayreuth-Debut, nachdem er regulär dort in 1 bis 2 Jahren diese Hauptrolle übernehmen soll. Schager warf sich mit großer Verve spielerisch ins Geschehen und ließ seinen prächtigen, manchmal leicht abgedunkelten dramatischen Tenor vernehmen, der sich in schönen Phrasen plastisch rundete. Er knüpft an die Zeiten der 70/80er Jahre des legendären Peter Hofmann mit Waltraud Meier als Kundry auf dem Grünen Hügel an.

Die zweite Sensation war das Dirigat des ebenfalls eingesprungenen Dirigenten Hartmut Haenchen. Das Vorspiel nahm er erfreulich langsam und quasi immer wieder in der musikalischen Versenkung verschwindend mit langen Fermaten. In der Wiedergabe durch das Orchester ergibt sich oft ein etwas anderes Klangbild als gewohnt: weniger Vibrato, ein sehr klarer Duktus der Stimmenverläufe, sowie ganz akkurate Agogik, die einen ins musikalische Geschehen involviert. Hänchen legt in einem Interview im Nordbayrischen Kurierm v. 6.8. sehr spannend die Geschichte seines eigenen Parsifal-Materials dar, an das er das Orchester in kürzester Zeit gewöhnen musste. In dem Interview erklärt er auch, daß der Boulez’sche Parsifal, bei dem er in Bayreuth  hospitiert hat, sein Vorbild ist.

Der 3.Einspringer ist Uwe Eric Laufenberg als Regisseur. Er wollte anhand der Religionen Christentum und Islam ‚Parsifal‘ aktualisieren, was besonders dadurch zum Ausdruck kam, dass die Blumenmädchen zuerst in schwarzer Verschleierung, einmal sogar in Burkas auftreten (Kostüme: Jessica Karge). Sowohl in der Gralsburg als auch bei Klingsors  Zauberschloß finden sich christliche und islamische Momente, wobei die christlichen aber überwiegen. Die Burg stellt ein Einheitsbild (hallenartiges Gewölbe) dar, das Gisbert Jäkel im 2. Akt zum muslimisch inspirierten Badehaus mutieren läßt. Situiert sind sie im nördlichen Mesopotamien, wie ein Video erfahren lässt, das bei der Übergangsmusik im 1.Aufzug abgefahren wird und dann ins Weltall zoomt (Gerard Naziri). Davor werden auch passionsspielartige Elemente in Szene gesetzt, so Christi Kreuzabnahme und plötzlich blutende Wunden bei Amfortas. Die Ritter trinken das in Wein verwandelte Blut. Klingsor gibt sich mit Gebetsteppich zuerst als Muslim zu erkennen, geißelt sich dann aber in einer Art Schrein an der Wand voller christlicher Kreuze. Parsifal tritt als Freischärler in moderner Kampfuniform auf. Die Regie ist handerklich gut gemacht mit bei Laufenberg gewohnt spannender Personenführung. Über die Darstellung des Religionen-Gegensatze und -Zwistes führt sie aber nicht hinaus, und Laufenberg erlaubt sich auch keine größeren Provokationen wie zwei Mädchen, die nach dem Karfreitagszauber nackt im  Regen um exotische Pflanzen tanzen, aber da sind wir ja wieder im christlichen Bereich. Kundry erscheint zuerst auch wie eine Muslima und wird dann wie die Blumenmädchen am Bade verführerischer, um zuletzt als gealterte Frau, die beim Gral den Kühlschrank putzt, im Rollstuhl buchstäblich abgeschoben zu werden. Sie ist also bei der finalen Gralszeremonie nicht präsent. Parsifal legt da den zu einem Kreuz zerhauenen Speer in Titurels leeren Sarg ab und schreitet endlich mit den Rittern nach hinten weg, während  die Burg  ebenfalls in ihre Einzelteile aufgelöst zu den Seiten hin wegfährt.

Die Knappen und Gralsritter werden von der Regie gut geführt und singen angenehm balsamisch, steigern sich ausdrucksgewaltig. Die Höhenchöre kommen bei der Gralszene klangschaurig zum Einsatz. Klingsors Zaubermädchen sind Anna Siminka, Katharina Persicke, Mareike Morr, Alexandra Steiner, Bele Kumberger und Ingeborg Gillebo. Sie stellen alle ausgesucht schöne Stimmen, die sich auch angenehm mischen. Karl-Heinz Lehner ist Titurel mit audrucksschwerem Baß. Der Gurnemanz Georg Zeppenfeld mit markanter schwarzer Brille, die ihn auch autoritativer wirken läßt, singt mit geschmeidiger Baßlinie. Den Klingsor gibt Gerd Grochowski mit manchmal blasiertem und kräftig durchgestiltem Bariton. Elena Pankratova verfügt über alle notwendigen stimmlichen Mittel für die Ausgestaltung der komplexen Kundry-Rolle und legt sich dabei auch spielerisch ins Zeug: dienen! Beim Gral hat die mit anmutigem Timbre Begabte auch eine eigene Zelle. Einen ganz starken Auftritt hat der US-Sänger Ryan McKinny mit satter balsamischer Leidensemhase. Dabei steht ihm ein wohllautender Bariton zur Verfügung, den er mit schillernden Farben zu tollem Einsatz bringt.                                                                                          

Friedeon Rosén

 

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