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BAYREUTH: DER FLIEGENDE HOLLÄNDER – letzte Vorstellung

25.08.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Bayreuther Festspiele.: Der Fliegende Holländer 24.8.2012


Christa Mayer, Adrianne Pieczonka. Foto: Bayreuther Festspiele/ Enrico Nawrath

Der neue Fliegende Holländer hat seine Publizität besonders durch den abrupten Wechsel in der Besetzung der Titelfigur erhalten. Darüber überschlugen sich viele Print- und andere Medien. Wahrscheinlich aber hätte der zu Recht wegen eines Hakenkreuz- Tatoos auf der Brust abtretende russische Bariton Nikitin der zwar bemüht modernen, aber über ein paar kluge Ideen nicht hinauskommenden Neuinszenierung Jan Philipp Glogers noch mehr Profil verliehen. Denn der einspringende Samuel Youn verbleibt mit seinem angenehmen, aber nicht die Rolle durchtragendem Bariton ein entscheidender Schwachpunkt, da auch die Textverständlichkeit besonders bei seinem Eingangs-Monolog gegen Null tendiert. Wie gut er sich als Heerrufer herausmacht auch durch die Aufwertung dieser Kurzrolle durch die Regie, so zeigt sich doch hier eklatant, dass ein Heerrufer nicht von einem Tag auf den anderen den Holländer singen kann. An dieser Personalie zeigt sich auch wieder, mit welchen Schwierigkeiten Bayreuth heute zu kämpfen hat. Wahrscheinlich wäre sogar Attila Yun, der ja auch als Einspringer genannt wurde, besser gewesen.

Die Tragödie wird nur noch halbherzig am Wasser verortet. Daland und der Steuermann landen in einem Kahn, und die Spinnszene, hier eine Produktionstätte für Ventilatoren, ist auch von Wasser umgeben. Ganz neuzeitlich trifft der Holländer mit Rollkoffer, worin sich das Geld befindet, samt Gefolge als Weltreisender ein. Das gigantische Bühnenbild von Christoph Hetzer zeigt große Netz- Datenströme mit digitalem Geflimmer von Ziffern. Als Outsider ist der Holländer an einer einseitigen Kopfrasur mit Tätowierung zu erkennen, ein Gezeichneter, Senta ist seine ihm komplementäre, weil ihn verstehende Kindfrau. Sie baut aus den Ventilatorkartons einen ‚Ritter‘ samt Hochhäusern, die sie um sich drapiert, und malt sie rot an. So drehen sich beide bei Entdeckung ihrer Liebe zusammen mit Paketen und ihren großen schwarzen Schatten zum Duett. Erik kommt dagegen als Faktotum bei Senta gar nicht gut an. Er scheint viel zu pragmatisch, alt und dick mit Pferdeschwanz wie ein 68er. Der anschließende Matrosenchor ist eine Betriebsfeier. Die Herren schaukeln in einem viereckigen Großpulk hin und her, bis plötzlich durch die Wand der Holländerchor schwarz einbricht und das Firmenlogo verbrennt. Im letzten Bild fahren die ganzen Symbole im Bühnenbild mit den Datenströmen nochmal auf, und Senta ersticht sich mit einem kleinen Messer. Holländer, der ihr vorher schon seine (Drogen)einstiche am Arm gezeigt hatte, umarmt sie, und sie sterben zusammen. Der Chor steht im Viereck dahinter, Daland, Erik und und der Steuermann suchen das Weite. Die Männer tragen, bis auf den Hausmeister, glänzend seidene Anzüge (Karin Jud), die Frauen beim Arbeiten hellblaue Blaumänner mit Kopfttüchern und beim Betriebsfest festliche Kleider.

Seine bisher beste Leistung liefert Christian Thielemann mit dem Orchester ab. Schon das Vorspiel kostet er aus, er kann es sich erlauben, vieles auf neue Art auszudeuten und gibt den Musikern auch Freiheit beim Spielen. Seine Portamenti haben es jetzt wirklich in sich. Nach dem Ende des Vorspiels setzt er gleich hart in Moll an, dass niemand auf die Idee kommt, zu klatschen. Famos gesteuert auch das Duett Holländer -Daland. Im Erlösungsschluss in der Spätfassung wird die reiche Instrumentation mit Tristan-Klängen überbordet.

Der Steuermann Benjamin Bruns ist ein Pluspunkt mit gesanglich fließend hellem Tenor und gutem Darstellungsvermögen. Die Mary der Christa Mayer ist rollendeckend im Gesang und sticht durch eine große schwarze Hornbrille heraus. Michael König setzt seinen schönen weichen Tenor träumerisch ein. Franz-Josef Selig ist ein Daland von Klasse und Würde. Sein smarter ausdrucksvoller Baß gewinnt in den Ensembleszenen Gewicht. Seine Bühnentochter Senta, Adrianne Pieczonka, verfügt über strapazierfähiges Sopran-Material, ist mit einem aufblühenden und aufregenden Timbre versehen, schmiegt sich bestens den immer weiter ausholenden wuchtigen Melodienbögen an und macht dadurch die Erlösung des Holländers zur Tat.

Friedeon Rósen

 

 

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