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BASEL/ Theater: MARY PAGE MARLOWE – EINE FRAU Schauspiel von Tracy Letts

Schweizer Erstaufführung

27.03.2018 | Theater

Theater Basel: «Mary Page Marlowe – Eine Frau». Schauspiel von Tracy Letts, Schweizer Erstaufführung  –  am 26.3.2018

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Katja Jung ©Sandra Then

Der Amerikaner Tracy Letts mag den Meisten als CIA-Chef in der US-Serie «Homeland» ein Begriff sein, dass er auch schreiben kann, ist den Wenigsten bekannt. Allerdings tut er das äusserst erfolgreich, sein Drama «August: Osage County» (im deutschen Sprachbereich unter «Eine Familie» bekannt) bekam sogar den Pulitzerpreis!

In Mary Page Marlowe beschreibt Letts das Leben einer ganz normalen Frau. Wie beschreibt man ein Leben? Welche Momente waren die wichtigsten? Und in welcher Reihenfolge würde man sie erzählen? Letts lässt Mary Pages Leben in elf Schlüsselszenen ablaufen, allerdings nicht in chronologischer Reihenfolge, so als erzählte eine alte Dame über ihr Leben, in der Reihenfolge, wie es ihr wichtig ist – oder sie sich erinnern kann.

Ob Mary Page nun als todkranke 69jährige im Pflegeheim endlich den Brief bekommt, dass sie von nun an den Staat verlassen darf (eine Autofahrt unter Alkoholeinfluss brachte ihr eine Gefängnisstrafe ein), als 19jährige einen Heiratsantrag ablehnt, als 40jährige ihren Kindern mitteilt, dass sie sich scheiden lässt und sie wegziehen müssen (2 weitere Ehen folgen), als junge Frau von Paris träumt, als Teenager ein Problem mit ihrer Mutter hat, einen Sohn verliert, Seitensprünge begeht: Nie habe sie sich entschieden, alles sei nur passiert, klagt sie. Aber schlimmer noch: Alles bewegt sich im Rahmen des Normalen.

Die Collage des Lebens wird dem Zuschauer durch die an die Rückwand geworfenen Jahreszahlen erleichtert. Reizvoll, dass sämtliche Schauspieler, und damit sämtliche Altersstufen der Hauptperson immer auf der Bühne (Johannes Schütz) präsent sind, die zwar in Gegensatz zu den recht bunten Kostümen (Astrid Klein) recht karg ist, aber in verschiedene Stufen gegliedert ist. Auf diesen «Zeitstufen» lungern die verschiedenen Marys herum als Visionen des eigenen früheren oder zukünftigen Ichs der Protagonistin, als würde man die einzelnen Lebensjahre beleuchten, ohne die anderen zu vergessen.

Der britische Regisseur Joe Hill-Gibbins inszeniert das von Anna Opel ins Deutsche übersetzte Stück wortgetreu und schnörkellos. Spannend sind die verschiedenen Informationsstandebenen zwischen Zuschauern und Protagonisten: Gelegentlich leidet man als Zuschauer an einem Mangel an Information. Manchmal hat man aber als Zuschauer auch den Vorteil, bereits in die Zukunft geblickt zu haben, und den Akteuren voraus zu sein.

Der Erfolg der Inszenierung beruht aber im Wesentlichen auf den Glanzleistungen der Schauspielerinnen, welche die Titelfigur verkörpern, allen voran Katja Jung und Irene Kugler, aber auch Moyra Studach, Lisa Stiegler und Franziska Hackl. Unterstützt werden diese dabei von Martin Hug, Steffen Höld, Connor Noeken, Leonie Merlin Young, Inga Eickemeier, Mareike Hein und Nicola Mastroberardino

Fazit: Die Alltäglichkeit des Lebens dieser Frau macht den naheliegenden Verdacht, es könne sich um ein verpfuschtes Leben handeln, so ziemlich zunichte. Das normal gescheiterte Leben einer normal gescheiterten Frau spiegelt eine Durchschnittlichkeit wider, die uns Angst macht. Hingehen.

Alice Matheson

 

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