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BASEL: SCHNEEWITTCHEN von Heinz Holliger. Premiere

23.02.2014 | KRITIKEN, Oper

Basel:„SCHNEEWITTCHEN“ Oper von Heinz Holliger 

Premiere 20. Februar 2014

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Esther Lee, Anu Komsi, Maria Riccarda Wesseling, Christopher Bolduc, ©Monika Rittershaus                                   

 Das Theater Basel ist nach der Uraufführung an der Oper Zürich 1998 weltweit das zweite Haus, welches dieses zentrale Werk der modernen Opernliteratur auf die Bühne bringt.

Holligers zeitgenössische Komposition ist keine Nacherzählung des Märchens mit Musik. Der Text von Robert Walser beginnt am Ende des grimmschen Märchens und reflektiert was wäre wenn, spielt mit der Zeit, mit Gedanken und Deutungen.

 Die Zahl Sieben ist bei Holliger ebenso gegenwärtig wie bei den Gebrüder Grimm: Heinz Holliger hat seine Oper aufgeteilt in einen Prolog,  fünf Szenen und einen Epilog, sieben Teile.  

Achim Freyer, verantwortlich für Regie und Bühnenbild, hat dazu sieben Bilder geschaffen. Zeitlos, märchenhaft nehmen diese Bilder die ZuschauerInnen in eine teils poetische, teils brutale und beängstigend wirkende Traumwelt mit. Zeitlos und anspruchsvoll sind die Texte aus Walsers Dramolett, geschrieben 1901. Ebenso zeitlos und anspruchsvoll ist die Musik Holligers, komponiert in den 90er Jahren. Man spürt, dass der Komponist und der Regisseur  diese Inszenierung zusammen erarbeitet haben und dass der kreative Funke, diese intensive Teamarbeit auf das ganze Ensemble übergesprungen ist. Alle künstlerischen Ebenen verschmelzen zu einer grossartigen Einheit. Die Lichtführung von Roland Endrich verstärkt die emotionalen Stimmungen optimal. Die fantasievollen Kostüme, erdacht von Amanda Freyer bilden eine Einheit mit dem Bühnenbild.  Dazu unterstützen Videoprojektionen von Sebastian Hirn die optischen Eindrücke der gesamten Szenerie. Das Schneegestöber verdeckt die Bühnenumbauten nach jedem der sieben Bilder ohne von der Musik abzulenken. In der Inszenierung wird durch stumme Rollen und Figuren ein Bezug zu anderen Märchen hergestellt, so zum Beispiel durch die stabgeführten Puppen, welche aus der Vorbühnenversenkung erscheinen.

 Eine zentrale Rolle in Grimms Märchen nimmt der Spiegel ein: ‚Spieglein, Spieglein an der Wand…‘? Achim Freyers Bühnenbild spiegelt unsere Gedanken, Emotionen, was Walser und Holliger in ihrem Werk auch ausdrücken wollen. Unsere Frage: Wollen wir wirklich alles wissen? Wollen wir wissen wie die Königin: ‚Wer ist die/der Schönste im Land?‘

 Holliger komponiert Musik des 20. Jahrhunderts. Sie ist modern und teilweise schwierig nachzuvollziehen, gewöhnungsbedürftig. Der, die Zuhörer/in  muss den Mut haben, sich auf diese Harmonik einzulassen und sollte bereit sein, traditionelle Hörgewohnheiten abzustreifen. Die Arbeit der Solisten  entspricht nicht dem traditionellen Belcanto oder der Gesangskunst zum Bespiel  in Wagners Opern. Jedoch drücken Sängerinnen und Sänger die in Walsers Text unterlegten Emotionen wie Hass, Liebe, Neid mit ihrem Gesang glaubwürdig aus. Dies entspricht den Anforderungen an die moderne Gesangsästhetik in zeitgenössischen Kompositionen.

 Das Symphonie Orchester Basel (SOB) unter der Stabführung des Komponisten meisterte die

Musikalischen Vorstellungen Holligers mit ausserordentlicher Präzision subtil und gefühlvoll. Die Klänge reichen von zarten Klangminiaturen bis zu Fortissimo Explosionen.

 Die Solisten singen die anspruchsvollen, schwierigen Partien in Ihren überdimensionierten Masken mit professioneller Bravour.

Schneewittchen Anu Komsi  brilliert mit subtilem, präzisen Sopran  leidend, fragend jedoch ohne falsches Pathos. Schneewittchens Spiegelung Esther Lee singt  ebenso ergreifend mit hervorragender Diktion. Die Mezzosopranistin Maria Riccarda Wesseling gestaltet die Rolle der neidischen Königin mit Kraft und beherrscht die Bühne in teilweise akrobatischer Haltung  auf  einem  überhöhtem „Thron“. Mark Milhofer als naiver, kindlicher Prinz, im Kostüm eines Pierrots, gestaltet seine Rolle mozartesk leicht und spielerisch. Kraftvoll und vital gibt Christopher Bolduc den Jäger, welcher seine Leidenschaft für die Königin schlecht versteckt. Der König, sauber gesungen vom Bassisten Pavel Kudinov, erscheint als weltfremde Vaterfigur.

 Das zahlreich erschienene Publikum, der Saal war bis auf wenige Plätze ausverkauft, erlebte die poetische Inszenierung voller Überraschungen eines wichtigen Werkes der zeitgenössischen Opernliteratur. Zu hoffen ist, dass nach Zürich und Basel auch andere Opernbühnen weltweit dieses Werk Holligers auf die Bühne bringen.

Das Premierenpublikum in Basel belohnte den Komponisten und Dirigenten Heinz Holliger, die Künstler, den Regisseur und Bühnenbildner Achim Freyer sowie das Orchester mit verdientem, lange anhaltendem Applaus.

 Peter Heuberger  Basel

 

 

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