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BASEL: Predigerkirche „PASSIO DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI“. Secundum Johannem Alessandro Scarlatti (1660-1725)

Basel: Predigerkirche „PASSIO DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI“.  Secundum Johannem  Alessandro Scarlatti (1660-1725) am   4. April 2014

Unbenannt

In der Basler Predigerkirche hat Flavio Ferri-Benedetti als Dirigent und Countertenor dieses relativ wenig bekannte Werk von Scarlatti aufgeführt. Die Passio von Scarlatti, ungefähr 1680 komponiert, ist ein kurzes Werk und dauert ungefähr eine Stunde. Entsprechend der Tradition zu Zeiten Scarlattis interpretiert  Ferri-Benedetti das Werk, historisch richtig, mit einem reinen Männerensemble. Im  Neapel des 17. Jahrhunderts durften in Kirchen nur Männer singen.

Unter Ferri-Benedettis Leitung sangen als Ancilla der Countertenor Cantus Doron Schleifer(männlicher Sopran), als Pilatus der Countertenor Altus David Feldmann, grossartig sekundiert vom Bassisten Tiago Mota als Christus und dem Tenor Dan Dunkelblum als Petrus und Judaeus. Die vier Solisten interpretierten auch alle Chorpartien. Als Dirigent und Evangelist wirkte Flavio Ferri-Benedetti. Der Evangelist wird hier durch einen Countertenor Altus und nicht wie bei Bach durch einen Tenor gestaltet. Die Besetzung ist ungewöhnlich, da die Solisten die Chorpartien interpretieren und im Begleitensemble das Cembalo fehlt.

Das Ensemble Il Basilico  meistert den instrumentalen Part des Werkes hervorragend mir viel Gefühl und Subtilität. Das Spiel der Musikerinnen und Musiker von Il Basilico zeugt von tiefer Musikalität, gepaart mit einem hervorragenden Verständnis für Musik Scarlattis, ganz allgemein für Barockmusik. Eva Saladin mit ihrer Barockgeige überzeugt ebenso wie Sonoko Abuki durch Subtilität, saubere Bogenführung und dem geradlinigen Klang ihrer hervorragenden Instrumente. Dasselbe gilt für den Spanier Germán Echeverri Chamorro an der Viola. Daniel Rosin am Barockcello, endlich ein Cellist ohne übertriebenes Vibrato, wird sekundiert von der Violone, ohne dass dieses kräftige Instrument, optimal gestrichen von Fred Uhlig, im Gesamtklang zu präsent wirkt. Diskret und subtil musiziert an der Kastenorgel Aki Noda. Die Theorbe, eines der schwierigen Saiteninstrumente, wird meisterlich beherrscht von Ryosuke Sakamoto.

Mit viel Gefühl interpretiert Flavio Ferri-Benedetti den Evangelisten. Seine Diktion, sein klarer Altus, vom fortissimo bis zum pianissimo optimal zu verstehen, lässt diesen Part leben und überzeugt auch durch seine „darstellerische“, die Passio ist ja ein Konzert, Fähigkeit. Seine Klage am Ende „Et inclinato capite, tradidit spiritum“ berührt den Zuhörer, die Zuhörerin bis ins Innerste und setzt Massstäbe für viele Interpretationen des Evangelisten, in welcher Passio auch immer.

„Quem quaeritis“? Der Bass von Christus-Darsteller Tiago Mota lässt vom ersten Ton an aufhorchen, verspricht einiges. Dies Versprechen, mit diesem ersten Ton gemacht, wird durch das ganze Werk eingehalten. Die Kraft, die Intensität des Sängers lässt keinen Moment zu wünschen übrig. Die Stimme des Soprans Doron Schleifer als Ancilla grenzt an eine Sensation. Der Part von Ancilla ist klein, Schleifer führt mit seinem Sopran auch den Gesamtchor optimal und stimmig an. Dan Dunkelblum als Petrus und Judaeus erarbeitet durch seine Gesangskunst die beiden unterschiedlichen Charaktere hervorragend. David Feldmann als Pilatus singt in  derselben Stimmlage (Altus) wie  Ferri-Benedetti, reicht aber in Kraft und Ausdruck nicht an den Evangelisten heran. Seine Rolle als Pilatus jedoch singt er gekonnt, der undefinierten, unentschlossenen Persönlichkeit entsprechend, wenig spektakulär. Das „Tu es rex judaeorum“, sein „Ecce homo“ und das „Ecce rex vester“ berühren gerade durch die unprätentiöse Einfachheit des Ausdrucks. Den Aufschrei des Chores „Noli scribere, Rex Judaeorum, sed quia ipse dixit: Rex sum Judaeorum!“ Beantwortet Pilatus cool: „Quod cripsi, scripsi!“

Die Chorpartien werden von den vier Solisten interpretiert. Die Präsenz dieses kleinen Chores rundet die Gesamtleistung aller Künstler ab. Die emotionalen Ausbrüche des Chores wie  „Tolle, tolle, crucifige eum“ oder “ Non habemus regem, nisi Caesarem“ sind beste Chorarbeit.

Nach dem Schlusssatz des Evangelisten“ Videbunt in quem transfixerunt“ und den Schlussakkorden der Musiker herrscht atemlose Stille. Dann bedanken sich die zahlreich erschienen Zuhörer mit langanhaltendem Applaus für die hervorragende Leistung aller Künstler. Alle Künstler, welche dem heutigen Abend zu einem so grossen Erfolg verholfen haben, sind Absolventen der Schola Cantorum Basilensis.

Flavio Ferri-Benedetti als Initiant des Abends gilt mein besonderer Dank. Es braucht viel Mut, künstlerische Kraft und Überzeugungsarbeit einen Abend, wie ich ihn geniessen konnte, auf die Beine zu stellen und auch das finanzielle Risiko zu tragen. Der Eintritt war frei. Es fand lediglich eine Kollekte zur Deckung der Unkosten statt. Nun, ich bin überzeugt, dass neben dem verdienten Applaus auch die Kollekte erfolgreich war. Ein solcher Abend beweist, dass neben der etablierten Musik- und Theaterszene auch die freie Szene für das Kulturleben einer Stadt wichtig ist, dass die kulturelle Identität eines Gemeinwesens von der Gesamtheit des Angebotes abhängt.

Danke allen Künstlern für einen genussreichen Abend, welcher mir lange in Erinnerung bleiben wird!

 Peter Heuberger

Basel

 

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