Basel: Theater – Grosse Bühne – Lohengrin – Festvorstellung 15.6.2014
Nun sei bedankt, mein lieber Schwan
Seit 100 Jahren gibt es ihn schon, den Theaterverein Basel. Und seit 100 Jahren schon setzt sich der Verein unermüdlich für das Basler Haus am Rheinknie ein. Ganz zu Beginn fing er das Defizit des Basler Theaters auf, gewann an immer grösserer Beliebtheit und steuert nun kräftig finanzielle – und ideelle – Mittel zur Unterstützung des Theaters Basel bei. Jüngstes Beispiel: der Basler „Lohengrin“ in der gefälligen, vielschichtigen Inszenierung von Vera Nemirova. Da finanzierte der Theaterverein das grossartige Bühnenbild von Jens Kilian. Grund genug, eben diese Inszenierung als Jubiläumsaufführung seinen Mitgliedern des Theatervereins ein allerletztes Mal erleben zu lassen. Die Nachfrage war überwältigend – das Haus war bis unters Dach ausverkauft. Selbst auf Plätzen, von welchen ich nie und nimmer gedacht hätte, dass sich je jemand dafür interessieren könnte, waren besetzt. In drei kurzen Reden von Theaterdirektor Georges Delnon, Regierungspräsident Guy Morin und dem Präsidenten des Theatervereins Dr. Peter Litwan wurde jeweils kurz die Geschichte des Theatervereins aufgerollt und dabei den Mitgliedern erneut aufgezeigt, wie wichtig der Theaterverein für das Theater Basel bei der Erfüllung seiner heeren Aufgabe, qualitativ höchststehendes Theater auch in finanziell schwierigen Zeiten, ist. Dem Dank der Redner folgte der Dank der Künstlerinnen und Künstler, welche allesamt einen wunderbaren „Lohengrin“, der seinesgleichen sucht, boten. Maestro Giuliano Betta, dirigierte mit leidenschaftlicher Italianita, welche vom Sinfonieorchester Basel freudig aufgenommen wurde und so herrlichsten Wagnerklang aus dem Orchestergraben zauberte. Ein majestätischer König Heinrich bot wie gewohnt Pavel Kudinov, der seine herrliche Stimme zur vollen Geltung brachte. Andrew Murphy gefiel als Heerrufer. In der Rolle des Telramund tief erfahren ist Anton Keremidtchiev, der seinen Part stimmlich differenziert und in der Darstellung sehr berührend meisterte. Also Ortrud stand Herrn Keremidtchiev eine ihm nicht unbekannte Sängerin zur Seite: Sigrun Schell aus Freiburg, welche recht kurzfristig für die erkrankte Alexandra Petersamer einsprang. Mit ihr stand er bereits des öfteren in Freiburg in dieser Rolle auf der Bühne. Ich durfte Frau Schell am Theater Freiburg schon verschiedentlich in grossen Wagnerpartien erleben. Sie alle werden mir unvergessen bleiben – am eindringlichsten für mich jedoch waren Kundry – und eben Ortrud. In dieser Rolle geht Frau Schell auf. Sie füllt meine „Lieblingsschurkin“ in Darstellung und Gesang voll und ganz aus. Im ersten Akt verhöhnt sie mimisch Elsa und deren Schwärmereien. Voller Verachtung schminkt sie sich während Elsas Traumerzählung die Lippen, voller Genuss beisst sie in Elsas grösster Verzweiflung in eine Praline – und lenkt dabei natürlich Telramund auf seinem Weg ins Verderben. Im Spiel von Frau Schell und Herrn Keremictchiev blitzten durchaus kleine darstellerischen Elemente aus Frank Hilbrichs Freiburger Inszenierung auf, was jedoch der „Basler Sichtweise“ nicht widersprach, sondern sie bereicherte. Mit viel Biss und Ironie schmeichelte sich Sigrun Schells Ortrud bei Elsa ein, fiel ihr gekonnt – mit halber Drehung!!! – vor die Füsse und donnerte dann präzise die „Entweihten Götter“ in den Zuschauerraum. Wunderbar auch, wie Frau Schell angewidert Elsas „Es gibt ein Glück“ zur Kenntnis nimmt! Ich kann nur einmal mehr sagen: Was für eine Ortrud! – und noch zwei Ausrufezeichen hinzufügen: Was für eine Ortrud!!! Sunyoung Seo gelang an diesem Abend eine musikalisch differenziert gestaltete und berührende Elsa. Ihre grossartige musikalische Leistung machte die etwas ungelenke Darstellung wieder wett. Weder Höhe, Tiefe noch Mittellage bereiteten ihr Mühe – im Gegenteil: Am Schluss des Abends gewann man den Eindruck, dass Frau Seo locker den vierten und fünften Akt – wenn es diese gäbe – hätte bestreiten können. So souverän meisterte sie diesen grossen Abend. Der Schweizer Tenor Rolf Romei gehört zu den Publikumslieblingen nicht nur der Basler Musikszene – und dies absolut zu recht. Der sympatische Sänger stellt jede Saison aufs Neue seine Vielseitigkeit und Belastbarkeit unter Beweis. Zwischen den beiden letzten Lohengrinaufführungen lagen mehrere Lenskijs und dann noch eine gross Premiere: die Titelpartie in der „Damnation de Faust“ von Berlioz. Rolf Romei meisterte dieses Mammutprogramm, trotz vereinzelter gesundheitlicher Schwierigkeiten herausragend gut. Absagen haben Seltenheitswert, Rolf Romei weiss, was seine Freunde wünschen! Er setzt seine schlanke, lyrische Stimme gezielt ein und gibt seinen Partien – und heuer eben Lohengrin – einen besonderen Touch: etwas weg vom rein heldischen hin zum lyrisch menschlichen. Dies unterstreicht er auch durch seine glaubhafte Darstellung. Ein tolles Beispiel dafür: der Zweikampf mit Telramund – ein spannender, echt wirkender Fechtkampf! Das Basler Publikum – und ich – hoffen Rolf Romei mit seiner wunderbaren Kunst noch lange, lange an unserem Haus erleben zu dürfen. – Nun fährt er also heim, der stolze Helde … Gerne erinnern wir uns dankbar an die wunderbaren Schwanenritterabende am Theater Basel zurück. Die Basler können ihn eben gut, den Wagner!
Michael Hug