Shakespeare: Ein Sommernachtstraum, Theater Basel, Premiere am 3.4.2014
Der leidgeprüfte Zuschauer stellt sich schon in den ersten Minuten auf einen anstrengenden Abend ein: Ein DJ in pinkfarbenen Glitzerpumps leitet den Spuk mit heissen Elektro-Beats ein. Sämtliche Schauspieler sind mit riesigen Segelohren und Knollennasen ausgestattet, Lysander (Vincent Leittersdorf) flieht im Cowboyoutfit mit Hermia (Carina Braunschmidt), deren schlumpfartige Stimme ganz gut zu ihrem gnomhaften Aussehen passt, am Bühnenrand joggt ein einsamer Sportler auf dem Laufband.
Nach dem ersten Schrecken hat man sich auf eine wilde Vorstellung des Sommernachtstraums eingestellt, und es wird etwas geboten: Neben den Cowboy-Outfits der Handwerker alias Schauspieler bestehen die Kostüme (Christoph Ernst) im Wesentlichen aus Glatzen, Männerunterhosen, Glitzerpumps und Federschleppen, die jedes Vegas-Girl vor Neid erblassen lassen würden, und das alles wird untermalt von der – stellenweise genialen – Gruftie-Musik von Viktor Marek, grellen, meist ins Publikum gerichteten Bühnenscheinwerfern (Licht: Anton Hoedl) und jeder Menge Rauch und Glitzerstaub.
Recht schnoddrig werden die berühmten Verse geliefert, die von Saskia Taeger ziemlich verstümmelt wurden. Einige Schauspieler versteht man ohne vorhergehendes Shakespeare-Studium gar nicht. Umso mehr, da die Hälfte des Textes auf Englisch geliefert wird. Eigentlich keine schlechte Idee, an der Ausführung hapert es allerdings. Bezeichnenderweise ist der beste Monolog des Abends nicht von Shakespeare: Gunnar Titzmann (der auch den Theseus spielt), der einsame Jogger vom Bühnenrand, liefert während des Umbaus des sonst eher nicht vorhandenen Bühnenbilds (Gregor Wickert) zum Wald seine One-Man-Comedy-Show zum Thema „ich als Wald“ souverän ab.
Schauspielerisch herausragend sind lediglich Ariane Andereggen als Helena und Vincent Leittersdorf als Lysander/Zettel/Pyramus. Der Streit zwischen Oberon und Titania geht ebenso wie Pucks Schabernack irgendwo in den Diskobeats unter, auch darum, weil sich deren Kostüme weder voneinander noch von denen der Elfen unterscheiden. Im grellen Gegenlicht kann man oft nicht einmal Weibchen von Männchen unterscheiden, was ab einem gewissen Rauschzustand wohl auch egal ist.
Nun ist Shakespeares Spuk- und Rauschnacht ja ein Freibrief für jegliche noch so abstruse Inszenierung, und im Theater gibt es bekanntlich keine Grenzen, schon gar nicht des guten Geschmacks. Aber Sinn sollte es schon machen. Von der genialen Tragikkomik des Originaltextes ist hier leider nichts mehr zu spüren. Die Segelohren und Knollennasen geben die Inszenierung durchweg der Lächerlichkeit preis. So absichtlich hölzern wie das Trauerspiel von Pyramus und Thisbe als Theater im Theater gespielt wird, werden auch die Verse die beiden echten Paare Hermia und Lysander, Helena und Demetrius geliefert.
Doch lächerlich ist nicht lustig, langweilig nicht tragisch. Shakespeares Text ist schreiend komisch, davon war den ganzen Abend wenig zu spüren, und die andere Seite der Gefühlsskala fehlte völlig. Shakespeare ist eben niemals nur Komödie, das laute Gelächter bleibt dem Zuschauer meist gleich wieder im Hals stecken. Helenas und Hermias Schmerz berührt, die Tränen werden wegen des Wechselbads der Gefühle meist noch leichter vergossen. Und die Weisheit mancher Verse sinkt umso tiefer ins Gemüt, wenn man sich kurz vorher über die Clownerie amüsiert hat. Shakespeare verstand es meisterhaft, auf diesem schmalen Grat zu wandeln, viele andere – leider auch der Regisseur – stürzen dabei ab.
Alice Matheson