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BASEL: DEREUM NATURA (LUKREZ). Musikalische Installation am Theater Basel. Premiere

19.10.2013 | KRITIKEN, Oper

De Rerum Natura ( Lukrez) Musikalische Installation im Theater Basel. Premiere 16.Oktober2013

 Wir haben nur eine geringe Vorstellung von der Musik im alten Rom. Auch „De rerum Natura“ das sechs bändige philosophische Werk des römischen Dichters und Philosophen Lukrez (Titus Lucretius Carus, * ca. 97 v. Chr.; † ca. 55 v. Chr.) gibt uns darüber keine Auskunft.

 Wie weiland Faust das neue Testament muss Calixto Bieito in seiner Gymnasialzeit De Rerum Natura studiert haben. „Im Anfang war das Wort“? „Im Anfang war der Sinn“? „Im Anfang war die Kraft“?

Als Artist in Residence am Theater Basel kam dann endlich die letzte Schlussfolgerung:

„Im Anfang war die Tat“!

 Wir wissen nach der Premiere von Calixto Bieito’s Inszenierung, welcher Musik Bieito diese Dichtung verbindet. Es ist die Musik von Georg Friedrich Händel. Mit musikalischem Feingefühl hat der Regisseur zielgerichtet die einzelnen Arien und Instrumentalpassagen in seine Videoinstallation eingebettet. Zwar werden diese aus dem Zusammenhang der Händel’schen Werke gerissen, unterstreichen und verstärken aber die Bildsprache und die Darstellung der Sänger-Schauspieler und erhalten dadurch eine andere Aussage.

Durch die Auswahl der Musikpassagen wird die Mauer spürbar, welche die vorchristliche mechanistisch-hedonistische Philosophie eines Lukrez und die moderne Weltanschauung trennt. Diese Mauer ist allerdings nicht undurchlässig, leben wir doch in einer sichtbar hedonistischen, nicht unbedingt atheistischen, sicher aber mechanistischen Gesellschaft. Und genau dies inszeniert Bieito. Seine Videoinstallation soll nicht urteilen/verurteilen. Keine der Regiearbeiten Calixto Bieito’s will dies. Alle Arbeiten möchten nur das Bewusstsein für Zustände wecken.

Die Musikauswahl Bieitos umfasst „MESSIAH, SAMSON, AGRIPPINA, ALMIRA, AMADIGI DI GAULA“ und selbstverständlich „IL TRIONFO DEL TEMPO E DEL DISINGANNO“, das Werk Händels, welches überaus deutlich die Vergänglichkeit der hedonistischen Lebensweise aufzeigt.

 Meisterhaft interpretieren die drei Sänger und die drei Sängerinnen sowie vier Instrumentalistinnen Händels Musik. Unter der musikalischen Leitung der Cembalistin Iryna Kransnovska spielen die Violinistin Kiyeon Cho, am Cello musizierte Gaëlle Lefebre, dazu ist die Flötistin Sofia Verkholantseva zu hören.

Karl-Heinz Brandt und Markus Nykänen interpretieren ihre Partien mit perfekter Diktion und makelloser Intonation. Jason Cox brilliert mit kräftigem Bass mit sanfter Tiefe. Die beiden Sopranstimmen von Kim-Lillian Strebel und Agata Wilewska überzeugen durch klare Höhen, welche nie schrill wirken und die Mezzosopranistin Nathalie Mittelbach berührt, zusammen mit Markus Nykänen, durch ihre Interpretation des Duetts “ IL BEN PIANTO DELL‘ AURORA“ aus „TRIONFO“. Die Aussage von Lukrez „Der Tod bedeutet nichts“ wird unterstrichen durch die Arie der Bellezza „TU DEL CIEL MINISTRO ELETTO“ gesungen von Kim-Lillian Strebel.

 Der Gerüstturm im Zentrum einer Anzahl Fernsehgeräte erscheint wie ein leerer Berg? Gottesberg? Walhall? Ewig ist die Bewegung der Atome! Auch das Publikum soll sich bewegen, wandern, fliessen! Nichts steht still! Auch die Sänger-Schauspieler nicht! Sie bewegen sich im Kreis! Immer im Kreis!

Blackout! Stille! Ende! Und dann ein verdienter, lange anhaltender Applaus für alle Mitwirkenden

 Für mich war dies die beste Video-Installation, welche ich je gesehen, gehört habe. Die gewählte Form: Die Verbindung moderner Kommunikationsmittel und klassischer Musik, traditionell dargeboten, ist sicherlich geeignet, um eine junge Generation von Klassik Fans, Klassik Liebhabern, heranzuziehen. Hingehen! Sehen! Hören!

Danke Calixto Bieito! Danke dem Theater Basel!

 Peter Heuberger Basel

 

 

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