Theater Basel: „Der Spieler“, Oper von Sergej S. Prokofjew, Schweizer EA – Pr. 10.3.2018
© Priska Ketterer
Dostojewskijs tragischerweise ziemlich autobiografischer Roman über einen dem Glücksspiel Verfallenen bekommt mit Prokofjews Musik die passende Untermalung: Rauschartig verlieren sich die Protagonisten in immer schnelleren, quälenderen Klängen. Angenehm klingt das nicht. Aber: Prokofjews polyphone Musik muss man nicht mögen (der Komponist selbst mochte sein Frühwerk nicht, das wegen der Februarrevolution 1917 erst mal auf Eis gelegt wurde, und schrieb es zehn Jahre später vollständig um, ob zum Besseren sei dahingestellt), aber man muss sie anerkennen als ein Meilenstein der Musikgeschichte.
Im fiktiven Spielerparadies Roulettenburg wartet ein pensionierter General sehnsüchtig auf das Dahinscheiden seiner reichen Grosstante aus Moskau. Der Besuch der alten Dame persönlich erstickt aber die Hoffnungen sämtlicher Familienmitglieder im Keim, erfreut sich die „Babulenka“ doch nicht nur bester Gesundheit, sondern verspielt auch innert kürzester Zeit den Grossteil ihres Vermögens. Hauslehrer Alexej hat da mehr Glück: Er gewinnt und gewinnt. Dass er mit dem Geld seine angebetete Polina, die Stieftochter des Generals, beeindrucken wollte, interessiert ihn bald nicht mehr. Herausragend sind die beiden Hauptdarsteller, der Russe Dmitry Goloynin als Alexej mit seiner etwas kantigen, rauen aber nicht uninteressanten Stimme und fantastischem Spiel und Asmik Grigorian als Polina mit einem sehr schönen, berührenden Sopran. Des Weiteren brillieren Pavlo Hunka als General und Jane Henschel als reiche Tante.
Etwas aufgemischt wird die eigentlich fade Story durch den Marquis (Rolf Romei), der Polina in einer finanziell-sexuellen Abhängigkeit hält, sowie die halbseidene Blanche (Kristina Stanek), die den „enterbten“ General schnell fallen lässt, den reichen Engländer Mr. Astley (mit einigen Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Dirigenten: Pavol Kuban) und den deutschen Baron Würmerhelm (Andrew Murphy).
Nach dem Riesenerfolg von „Chowanschtschina“ inszeniert der junge russische Regisseur Vasily Barkhatov nun sein zweites Werk in Basel. Wohl seiner Jugend geschuldet oder verdankt fragt sich Barkhatov stets: Wie würde man das heute machen? Und so weicht der nüchterne Waschsalon im ersten Akt bald tristen Wohneinheiten in einem „Hostel“ über drei Stockwerke. Die Bewohner kommunizieren nur noch digital, jeder lebt für sich. Echte Kasinos sind out, es leben die virtuellen Spielhöllen auf Tablets, Laptops und Handys. Auch das gemeinsame Roulettespiel findet im virtuellen Raum statt: Die unterschiedlichen „Spielertypen“ sitzen in ihren Wohneinheiten und glotzen gleichzeitig auf ihre Bildschirme, deren Inhalte wirkungsvoll mit Videos auf die Wand hinter ihnen geworfen werden. Die visuelle Kraft dieses Abbildes unserer modernen Gesellschaft ist unbestritten (Bühne: Zinovy Margolin). Folgerichtig erinnert nichts mehr an Dostojewskijs Jahrhundert, nichts an Prokofjews: Die Protagonisten laufen in Hoodies und Jeans herum, der pubertierende Sohn auch mal mit blauen Haaren und Piercings (Kostüme: Olga Shaishmelashvili).
Die musikalische Leitung über das bei dieser schwierigen Partitur glänzend aufspielende Sinfonieorchester Basel hatte der litauische Dirigent Modestas Pitrenas, Chefdirigent der Nationaloper in Riga. Der Chor des Theater Basel wurde von Michael Clark geleitet.
Fazit: Kein Wunder, dass diese Oper bisher in der Schweiz nicht aufgeführt wurde. Musikalisch nur etwas für Opern-Nerds, optisch aber sehr gelungen.
Alice Matheson