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BADEN / Stadttheater: WIR SIND NOCH EINMAL DAVONGEKOMMEN

01.11.2012 | Theater

BADEN / Stadttheater:
WIR SIND NOCH EINMAL DAVONGEKOMMEN von Thornton Wilder
Eine Produktion des Landestheaters Niederösterreich
Premiere: 6. Oktober 2012
Besucht wurde die Vorstellung am 31. Oktober 2012 im Stadttheater Baden

Die besonders erfolgreiche Intendanz von Isabella Suppanz im Landestheater Niederösterreich ist zu Ende gegangen, nun hat Bettina Hering in St. Pölten das Ruder übernommen. Nach wie vor ist abgemacht, dass vier der Schauspielproduktionen als Gastspiele am Stadttheater Baden gezeigt werden. So auch die Eröffnungspremiere von Hering, die sich einen modernen „Klassiker“ zum Einstand hergenommen hat.

Nun ist „The Skin of Our Teeth“, zu Deutsch: “Wir sind noch einmal davongekommen”, aus dem Jahre 1942 schier unglaubliche siebzig Jahre alt und funktioniert mit einer Frische, an die man gar nicht geglaubt hat, die aber in der Inszenierung von Daniela Kranz bewiesen wird. Sie hat die leichte Hand für das Stück, korrespondierend zur leichten Hand, mit der Thornton Wilder einst nicht weniger wollte, als die ewige Geschichte der Menschheit so ironisch wie knapp erkenntnisreich auf die Bühne zu bringen.

„Anthropos“ bedeutet auf Griechisch „Mensch“. Bei Wilder wird das Wort zum amerikanisierten Namen bzw. Genrebegriff: Mr. und Mrs. Antrobus sind seit dem Beginn der Tage Adam und Eva, das Paar schlechthin, sie haben eine Tochter und einen Sohn. Letzterer ist nicht Abel, sondern der übrig gebliebene Kain, denn in der Geschichte der Menschheit ist der Rebell, Störenfried und Zerstörer ebenso vorgesehen wie die „zweite“ Frau im Leben des Mannes, die Verführerin, die im allgemeinen aber gegen die Mater familias unterliegt.

Wilders Stück gefällt durch seine „offene Dramaturgie“, wenn diese mittlerweile auch immer wieder da gewesen ist – alle fallen immer wieder aus der Rolle, erweisen sich als Schauspieler, die über das Stück räsonieren und am Autor gern kein gutes Haar lassen, jedes Pathos wird durch den Kommentar darüber gebrochen. Der alternativen Frau, hier Sabina genannt, wird die Funktion der vollmundigen, mit dem Zuschauer intensiven Kontakt aufnehmenden „Kommentatorin“ eingeräumt, was sie zur eigentlichen Hauptfigur der Geschichte macht.

Die Familie Antrobus mit Sabina im Schlepptau, flankiert von ein paar Nebenfiguren, wird vom Autor durch Eiszeit, Sintflut und Kriege geschickt, mit dem Ziel zu beweisen, dass menschliches Verhalten letztendlich immer dasselbe bleibt. Dabei hat Wilder für den geplagten „Adam“, Mr. Antrobus, durchaus Respekt – der Mann hat schließlich im Lauf der Geschichte nicht nur Alphabet und Einmaleins, sondern auch das Rad erfunden und ist ein begeisterter Kenner der Philosophie und Leser von Büchern.

In Mrs. Antrobus ist die Eva hingegen ganz auf ihre Mutter-Funktion und die lädierten Nerven einer Hausfrauenexistenz reduziert. Im Gegensatz zur einfallsreichen, verführerischen Lilith-Sabina hat die Tochter Gladys kaum eine Funktion. Sohn Kain-Henry hingegen darf als Herausforderer des Vaters und der Welt überhaupt seinen Platz behaupten.

All das wird inhaltlich nicht eben reichhaltig, aber amüsant durch die drei Stationen geführt, und die niederösterreichische Aufführung profitiert nicht zuletzt von der Idee von Ausstatterin Bettina Kraus: Die Menschen, die immerhin das Rad erfunden haben, werden in eine Art riesiges Hamsterrad gesteckt, das ihnen ein völlig unrealistisches Ambiente bietet. Slapstick ergibt sich hier gewissermaßen von selbst und tänzerische Ironie auch. Bis zur harten Satire stößt die Inszenierung nie vor, aber die würde das Stück vermutlich auch überfordern.

Franziska Hackl, Tochter eines berühmten Vaters, ist an sich ein eher unauffälliger Typ, treibt aber als frech-fröhliche Sabrina das zwei Stunden knappe Geschehen schön vor sich her (man hätte es gern noch knapper, die Pause ist eigentlich überflüssig). Köstlich in der zelebrierten Durchschnittlichkeit der Figur ist Babett Arens als Mrs. Antrobus, immer besorgt, die Brut und den Gatten zusammen zu halten. Letzteren spielt Michael Scherff, Mr. Antrobus als jenen biederen Durchschnittsmann, den Wilder hier zeichnet (zum Seitensprung reicht es bei ihm gerade noch, zur Sprengung der Ehebande natürlich nicht).

Kaum vorhanden ist Töchterchen Marion Reiser, mehr konnte Pascal Groß aus dem „bösen“ Sohn holen. Da Sabina als Kommentatorin offenbar nicht genügt, darf gelegentlich Tobias Voigt halb als Ansager, halb als Theaterchef (wenn Theater auf dem Theater gemacht wird) fungieren und macht das seher gut. Ein paar Nebenrollendarsteller müssen sich verwandeln, anfangs sind auch Dinosaurier und Mammut mit dabei…

Schmal und hübsch das Ganze. Meist witzig, stellenweise klug. Gewichtigeres wird hoffentlich folgen.

Renate Wagner

 

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