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BADEN / Sommerarena: EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN

28.07.2013 | Theater

Foto: Christian Husar

NÖ / BADEN / Sommerarena:
EINEN JUX WILL ER SICH MACHEN von Johann Nestroy
Premiere: 27. Juli 2013,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 28. Juli 2013

Es waren vermutlich finanzielle Erwägungen, als man vor einigen Jahren beschloss, den Badener Operettensommer nicht mit einer dritten musikalischen Premiere zu bestücken, sondern eine Theaterproduktion aus St. Pölten zu nehmen, die dort dann im Herbst Premiere hat. Anfangs nicht überzeugend, gewann das Unternehmen durch Jerome Savarys Inszenierung von Raimunds „Alpenkönig“ an Prestige, während die beiden folgenden Raimund-Inszenierungen des mittlerweile Verstorbenen immer weniger überzeugten. Heuer setzte man Nestroys „Einen Jux will er sich machen“ an.

Nun steht genau dasselbe Stück am Spielplan der Festspiele in Reichenau, und es war nicht unbedingt einsichtig, dass innerhalb einer Region ein- und dasselbe Stück eines Autors gespielt würde (zumal eines Mannes, der mehr als 70 Werke hinterlassen hat). Aus St. Pölten wurde verlautet, man würde einen „Verschnitt“ aus Nestroy, aus Thornton Wilders Bearbeitung des Stücks, zuzüglich der Musical-Version „Hello Dolly“ spielen. Das scheiterte ganz offensichtlich an diversen Rechten, also kehrte man zu Nestroy zurück – und bearbeitete ihn bis zur Unkenntlichkeit. St. Pöltens neue Intendantin Bettina Hering inszenierte selbst. Sie gab damit nicht die überzeugendste Visitenkarte ab.

Die Bühne öffnet sich, und man blickt in ein schwarzes Loch (Ausstattung: Manuela Freigang). Die Variation dazu ist eine graue Wand mit diversen Öffnungen, in welcher herumgeturnt wird. Man sieht nicht Nestroys „Jux“, sondern Brocken seines Stücks, die im Sinn von Nestroy-Material zerbröselt und mit vielen neuen Couplets (die schlicht-agitatorischen Texte holte man sich von Johannes Schrettle) angereichert werden. Der Anteil der von Andreas Radovan beigesteuerten Musik ist so groß, dass sich der „Musical-Effekt“ (zumal auch in vielen Szenen albern inszeniert) durchaus einstellt. Neben dem Orchester der Bühne Baden (Dirigent: Michael Zehetner) agieren noch drei Solo-Musiker im Sinn einer Tschuschen-Kapelle und begleiten die Couplets.

Nichts, was in dem originalen Stück geschieht, wird auch nur als Möglichkeit ernst genommen. Man kann sich hier zwischen aufgeplustertem, aufdringlich plattem Lehrstück oder hemmungslosem, aber nie lustigem Geblödel entscheiden, beides wenig kommensurabel, immer ist die komplette Künstlichkeit angesagt. Die Regisseurin hat es sich wirklich leicht gemacht. Und Schrettles Texte über heutiges Arbeitsleben und heutige Verhaltensweisen („Ich bin ein tiefsinniges Facebook-Profil“) kommen an Nestroys Original nicht heran, von dem überaus viel gestrichen ist – man braucht die Bühnenzeit ja für den selbst gebastelten Unsinn, der sich als Aneinanderreihung von Willkürakten erweist.

Wenn man in der Sommerarena Baden spielt, muss man auf die Akustik achten, die eher nicht auf das Sprechstück ausgerichtet ist: Die Hälfte des Textes fällt der Unverständlichkeit anheim, was zwar kein Schaden ist, aber ärgerlich genug. Hauptdarsteller Dominik Warta als Weinberl etwa, den man unter anderen Umständen als exzellenten Schnitzler-Darsteller kennen gelernt hat, versagt sprachlich, aber auch in der Nicht-Gestaltung seiner Figur. Hie und da versucht der Christopherl von Jan Walter auf sich aufmerksam zu machen, wird aber in dieser Inszenierung zur Belanglosigkeit. Helmut Wiesinger ist zwar nicht „klassisch“, aber als Hausknecht Melchior mehr als die meisten auf der Bühne, nämlich unerschütterlich eine Figur – auch dem Zangler von Michael Scherff gelingt das gelegentlich. Chancenlos die Damen Marion Reiser und Swintha Gersthofer, während die grässliche Parodie des Fräulein Blumenblatt von Katharina von Harsdorf nicht unbeachtet vorbeigeht. Lisa Weidenmüller als das übliche Mündel kann man nur deshalb nicht übersehen, weil sie mit bauschigem Minikleid, Albernheitsfrisur und Plateausohlen, alles in schrillen Farben, das Auge beleidigt. In Pascal Groß hat sie einen ähnlich schrillen Liebhaber. Christine Jirku spielt eine weibliche, Othmar Schratt spielt alle männlichen Nebenrollen.

Das Publikum der zweiten Vorstellung (wo keine Premierengäste mehr für Jubel sorgen konnten) zeigte sich von der Willkür-Inszenierung weitgehend entsetzt – eine Reisegruppe von Kulturbeflissenen, eigens aus Linz angereist, um einen schönen Theaterabend zu erleben, beklagte enttäuscht Geld- und Zeitverlust. Auch die Badener gingen mit dem Gebotenen nicht freundlich um („Teppert!“ „Zumutung“). Nach der Pause blieben ganze Reihen frei.

Nun hat man in Reichenau einen „Jux“, der kaum inszeniert wurde. In Baden einen, der überinszeniert wurde. Beides gleicherweise öde. Der intelligente und, das Wort sei gewagt, verantwortungsbewusste Weg zu Nestroy wird selten beschritten. Zum Glück gibt’s Schwechat.

Renate Wagner

 

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