Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BADEN bei Wien: WEIKERSDORFER SCHLOSSKONZERTE. IALIENSCHE OPERNGALA , 1. KONZERT

05.07.2019 | Konzert/Liederabende

Baden: Schlosskonzerte 2019 – 1.u. 2.7.2019


Fabio Armiliato, Anna Ryan. Foto: Herta Haider

 Die beidentradionellen Operngalas im – überdachten – Hof von Schloss Weikersdorf übertrafen an sängerischer und orchestraler Qualität heuer womöglich noch die der Vorjahre. Das sog. Schlossorchester, eigens zusammengestellt aus Mitgliedern verschiedener anderer Klangkörper, hat unter Tiziano Duca Spitzenqualität erreicht. Der italienische Maestro ist ein echter Opernkapellmeister, dem man aus dem Gesicht und körperlichen Einsatz ablesen kann, was mit der betreffenden Musik „gesagt“ werden soll. Nicht nur ist er ein vortrefflicher Sängerbegleiter bzw. Inspirator, sondern die orchestralen Vor- oder Zwischenspiele sind auch stets ein Faszinosum. Zu Beginn, den meisten von uns unbekannt, eine hinreißende Ouvertüre zu „Cristina di Svezia“ vonJacopo Foroni(1825 – 1858), also einem Verdi-Zeitgenossen, beginnend mit zwei heftigen Akkorden des vollen Orchesters, gefolgt vom energischen Einsatz der gesamten Streicher und anhaltender dramatischer Steigerung, die überaus neugierig machte auf dieses Stück. Mit Jubel bedankt, war es eine passende Einleitung zu all der Dramatik, die sich an diesem Abend noch abspielen sollte. Dass das folgende Abendprogramm, mit Ausnahme des „Seitensprungs“ zum „Bajazzo“, sich auf die Seelenregungen von Verdis und Puccinis Helden und Heroinen konzentrierte, trug natürlich zur Theaterwirksamkeit jeder einzelnen Musiknummerbei.

Der  63 Jahre junge Tenor Fabio Armiliato, Bruder des 11 Jahre jüngeren Dirigenten Marco Armiliato, ließ uns (wie schon im Vorjahr) von Anfang an staunen. Was für eine Stimm- und Strahlkraft!  Er sprengte beinahe den Raum mit seiner Bombenstimme, die man gern in einer Arena oder zumindest in einem der großen Opernhäuser wiederhören möchte. „Ella mi credalibero e lontano...“, der letzte Wunsch des zum Tod verdammten Helden aus „La Fanciulla del West“ – ja, das war ein nicht zu überhörender Wunsch, aber wir schlossen uns nicht dem  „lontano“ an, sondern waren dankbar für sein „vicino“! Anna Ryan hat uns mit ihrem bestens fundierten, aparten, hellen Sopran noch einmal Puccinis verlassene Braut aus „Le Villi“  nahegebracht, der wir erst vor einem Monat im Merkersalon in der Gatterburggasse begegnet waren. Ihr gestrenger Vater von damals, Paolo Rumetz, präsentierte nun nicht nur sich, sondern die Bühnenkunst schlechthin – als Leoncavallos Tonio bzw. Prologo. Nach einer bewegten und bewegenden Einleitung, in der die einzelnen Instrumente, wie etwa Horn oder Fagott, ihr eigenes Spielchen trieben, vernahmen wir die unüberhörbare Staatsopernstimme des italienischen Ensemblemitglieds:„Si puo….“  – kraftvoll, herausfordernd, klug, erregend und Anteilnahme fordernd: „…le nostreanimeconsiderate, poichèsiamuomini di carne e d‘ossa…“ – das war den 3 Solisten bereits mit ihrem jeweils ersten Solo gelungen! Das kraftvoll und lang gehaltene„Incominciate!“ wurde mit Jubel bedankt!  – Mario Cavaradossis und FloriaToscas dennoch so wunderbar kantabel angelegtes Liebesduett – unter Zeitdruck, weil ja Angelotti im Versteck auf Cavaradossis lebensrettende Fluchthilfe wartet – wurde vonAnna Ryan und Fabio Armiliatoin seiner ganzen Gefühlskraft und Belcantoseligkeit, und natürlich in schönstem klangvollem Italienisch, ausgekostet. Wir kosteten mit! – Pause im Freien, am Rande des Badener Kurparks.


Fabio Armiliato, Anna Ryan. Foto: Herta Haider

Dann wieder ein orchestraler Hochgenuss mit dem Intermezzo aus „Manon Lescaut“ –  gefühlsträchtig die wunderbar spielenden Celli, unterstützt von der Harfe, klagend und leidenschaftlich zugleich, wie Manons und Des Grieux‘s Liebe. „Sola, perduta abbandonatamusstefolgen!Anna Ryankonnte einmal mehr bezeugen, dass sie jeder vokalen Dramatik gewachsen ist. Gern würde ich sie wieder einmal als Aida oder Turandot, Fidelio oder Marschallin hören….Sie kann ja alles.


Paolo Rumetz: Foto: Herta Haider

Auch dem Bariton blieb großes Klage- und Bewunderungspotentialnicht erspart:Paolo Rumetz durchlebte in Verdis „Ernani“ mit „Oh de‘ verd’annimiei“ – als neu gekrönter Kaiser Karl V., der großmütig seiner Liebe zu Elvira entsagt hat und sie dem Banditen Ernani überlässt, am Grab Karls des Großen ein neues Lebensstadium und berührte sehr mit des Kaisers Überzeugung: „E vincitor de‘ secoli / Il nomemiofarò!“ Dazu gehört nun mal eine mächtige, wohlklingende und tragfähige Stimme, die umso mehr beeindruckt, wenn man sie aus nur ein paar Meter Entfernung im Badener Schlosshof und unterstützt durch Dirigent und Orchester zu hören bekommt! –

Als Abschluss dann: „Il Trovatore“. Anna Ryans wunderbare Schwebetöne in Leonoras Entschluss, ins Kloster zu gehen „Vanne…lasciami…“ unddanndas Terzettmit den beiden Rivalen um ihre Liebe, das es einem schwer machte zu entscheiden, ob man sie eher dem Tenor oder dem Bariton gönnen würde. Gott sei Dank braucht das Publikum nur die künstlerischen Leistungen zu beurteilen bzw. zu genießen, ohne jemanden zu bevorzugen. Anna Ryan, Fabio Armiliato, Paolo Rumetz, der Dirigent und das Orchester sorgten zu gleichen Teilen für ein Verdi-Fest.

Den wunderbaren sommerlichen Opernabend verdanken wir noch Elena Habermann, die ihn nicht mehr miterleben durfte. Daran erinnerte Tiziano Duca am Ende. Ist mit ihrem Tod wirklich eine 20-jährige Tradition zu Ende oder findet sich jemand, der das Risiko eingeht, Konzerte zu organisieren, die trotz schönen Wetters und bester Qualität nicht ausverkauft sind und bei der die Förderung des Landes Niederösterreich eher rückläufig ist ? Es ist zu fürchten, dass wir 2019 die letzten Operngalas in diesem herrlichen Ambiente genießen konnten.

Sieglinde Pfabigan

 

Diese Seite drucken