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BADEN-BADEN: SILVESTERKONZERT – schwungvoll

FESTSPIELHAUS BADEN-BADEN: Schwungvolles Silvesterkonzert

 Baden-Baden ist immer eine Reise wert, nicht erst seit es das Festspielhaus gibt, seitdem aber ganz besonders. Auch die diesjährige Silvestergala hatte ihren Reiz durch drei Solisten der ersten Reihe. Da ist zuerst ROLANDO VILAZON zu nennen, mittlerweile wegen seines unglaublichen Charmes und seiner Vitalität so etwas wie everybody´s darling. Ihm nimmt man nicht einmal übel, daß er das hohe C meidet, wo immer es geht. Dieses Mal versuchte er es u.a. mit Verdi, wobei er z. B. im Duett Posa/Carlo stilistisch durchaus zu überzeugen wußte, jedenfalls wenn man die Augen schloß. Wenn man sie wieder öffnete, sah man irgendwie doch wieder Nemorino auf der Bühne stehen…

Die Sopranistin des Abends war OLGA PERETYATKO. Es ist wohl etwas früh, sie als die neue Netrebko zu bezeichnen, obwohl letztere wegen ihrer Gewichtszunahme nach der Niederkunft in manchen Rollen wie der schwindsüchtigen Mimi oder Violetta optisch nicht mehr glaubhaft wirkt.. Peretyatko kann vom Belcanto bis zum lyrischen Fach alles singen. Mit der Elena-Arie und dem allzuoft von Soubretten verschlissenen Couplet der Olympia bewies sie technische Souveränität, ein schönes Timbre und frappierend sichere Spitzentöne. Möglicherweise war die Wahl des letztgenannten Stücks einem besonderen Unterhaltseffekt geschuldet. Als dem Püppchen librettogerecht nach der ersten Strophe die Energie ausging, stürmten ihre beiden männlichen Kollegen, verkleidet als Irrenärzte, die Bühne und brachten sie wieder auf Touren.

Dritter im Bunde war THOMAS HAMPSON. Ihm ist der Rezensent vor dreißig Jahren erstmalig an der Rheinoper begegnet. Seitdem hat er eine kontinuierliche Weltkarriere gemacht. Bei seinem „Eri tu“ fiel allerdings auf, daß auf der Bühne ein phantastisch aussehender Perfektionist stand, aber die Persönlichkeit und Wärme eines Cappuccilli oder Nucci nicht vermitteltn konnte. Zusammen mit Peretyatko wagte er sich sodann an den RIGOLETTO, den er noch nie auf der Bühne gesungen und offiziell gar nicht im Repertoire hat. „Tutte le feste“ geriet zu einem Kuriosum. Beim Übergang zur Stretta beschränkte man sich auf ein Orchester-crescendo. Der Part des Monterone fiel sozusagen „unter den Tisch“, obwohl die „Vendetta“ ohne den Fluch ihren dramaturgischen Sinn verliert (Domingo hat sich deshalb beim Londoner Olympia-Konzert einen Anonymus als Monterone „geleistet“). Zudem wurden die beiden Solisten von Dirigent ANDRES OROZCO ESTRADA im Stich gelassen. Verdi hat „All vivo“ vorgegeben. Orozco Estrada verschleppte hingegen das Tempo so, daß von der Urgewalt einer tremenda vendetta nicht viel übrig blieb. Schließlich blieb Hampson auch noch ein glanzvolles hohes As schuldig und sang „sapra“ nach unten. In einer solchen Interpretation ist das Stretta-Duett wahrlich keine Da capo-Nummer.

 Dass Orozo Estrada auch anders kann, bewies er mit einem rasanten “Chant napolitain“ von Rimsky-Korsakov. Ansonsten war er eher Stichwortgeber und guter Begleiter für die Gesangssolisten.

 Nach der Pause ging es lockerer zu. Im Programm und bei den Zugaben kam das Publikum mit Peretyatkos „Mein Herr Marquis“ und Hampsons „Komm Zigan“ auf seine Kosten, wobei Hampson ein völlig unerwartetes Bühnentemperament ent-wickelte und nachhaltig gefeiert wurde. Es sei noch ein für die lockere Stimmung typischer Gag zu erwähnen. Vilazon schwelgte, Peretyatko im Arm, mit geschlossenen Augen im Takt von „Lippen schweigen“. Da übernahm Hampson, und als Vilazon die Augen öffnete, hatte er statt seiner attraktiven Partnerin den einen Kopf größeren Amerikaner im Arm. Dem Publikum gefiel es. Eine Werbung für das Baden-Badener Festspielhaus war es allemal.

Klaus Ulrich Groth

 

 

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