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BADEN-BADEN: „RAY CHEN-LONDON SYMPHONY ORCHESTRA- MICHAEL TILSON THOMAS“

22.05.2018 | Konzert/Liederabende


Ray Chen, Michael Tilson Thomas. Copyright: Michael Gregonovits

 

Baden-Baden: „RAY CHEN-LONDON SYMPHONY ORCHESTRA- MICHAEL TILSON THOMAS“ – 21.05.2018

Zum Abschluss der vielseitigen “Pfingst-Festspiele 2018” im Festspielhaus gastierte Ray Chen für die erkrankte Janine Jansen in Begleitung des London Symphony Orchestra unter der Leitung von Michael Tilson Thomas zur Präsentation eines Meisterkonzerts mit ausschließlich Werken von Jean Sibelius.

Der 29-jährige australisch-taiwanesische Geiger Ray Chen mit bereits beachtlichem internationalem Renommee präsentierte das „Violinkonzert“ des finnischen Meister-Komponisten und erwies sich als überlegen gestaltender Solist. Mit großem Atem der weichen Bogenführung zeichnete Chen selbst in den hohen Konstellationen noch herrlich melodische klangvolle Linien. Glasklar intonierte der sympathische Violinist das Allegro moderato in Verschmelzung der feinsinnig strahlenden Kadenz umhüllt vom geheimnisvollen Schleier der begleitenden Streicher. Feinnervig adelte Ray Chen dieses unerschöpfliche Füllhorn grandioser Klangfarben mit dem ganzen Arsenal seiner immensen Spielfreude.

Stimmungsvoll durchdrang der famose Solist das tiefromantische Hauptthema des Adagio di molto und setzte individuelle Akzente. In atemberaubender Virtuosität, überschäumender Ekstase, ausgefeilt technischer Raffinesse steigerte sich Ray Chen zum danse macabre (von Sibelius selbst bezeichnet) ins hinreißende finale Allegro. Michael Tilson Thomas am Pult des vortrefflich musizierenden London Symphony Orchestra setzte die von Rhythmik geprägten Parts unter Hochspannung, modellierte instrumentale Akzente zuweilen in scharf kantige Eruptionen. Wirkten diese Details zunächst etwas befremdlich gewann dadurch die orchestrale Tonalität dennoch eine spannende ungeheure Plastizität.

Das Publikum war hingerissen und dankte mit großer Begeisterung. Ray Chen revanchierte sich mit zwei brillant gespielten Zugaben: „Caprice Nr. 21“ (Paganini) sowie „Gavotte und Rondo“ (Bach).

Nach der Pause folgten die beiden symphonischen Spätwerke von Jean Sibelius und zwar die „Sechste“ und hinterließ in meinen Ohren (vermutlich auch beim Publikum, dem mäßigen Beifall nach zu schließen) zwiespältige Eindrücke. In kantabler Linienführung eröffnete Michael Tilson Thomas mit dem hervorragend aufspielenden London SO. das Allegro molto beleuchtete akribisch die Rhythmik des Werkes, jedoch gerieten die starken Akzentuierungen der Piani- und Forte-Passagen zu vordergründig, demoralisierten den musikalischen Fluss.

Zum herrlichen Streichermotiv des Allegretto schien im nordischen Licht der Schnee zu schmelzen. Im energischen Vorwärtsdrängen erhoben sich die Bläsersegmente beim Scherzo zu gedämpfter Fusion, in teils stürmischer Intensität (und schier gewohnt atomisierend) klang das finale Allegro molto in einprägsamer Streichermelodie aus.

Für seine „Siebte“ und letzte Symphonie wählte der geniale finnische Komponist eine Satzbezeichnung, dennoch lassen sich im Adagio vier voneinander abgrenzende Charaktere erkennen welche sich schließlich zum Hauptkern fügen. Dem sensuellen Auge spiegelte sich bar dieser wundervollen musikalischen Eingebungen die weite verschneite Landschaft, das brechende Licht des Nordens wieder, gewährten aber auch einen Blick in die depressiven Seelenzustände und jene hoffnungsvolle Ambivalenz des Komponisten. In völlig neuer Differenzierung, harmonischer Orchestersprache und kantabler Linienführung ließ der Dirigent das Fragment mit dem hervorragend musizierenden englischen Elite-Orchester erstehen. Versöhnlich zu den melancholischen Takten des Valse triste klang das Werk aus und löste eine herzliche Zustimmung der Zuhörer aus.

Mit einem musikalischen Spaß, Michael Tilson Thomas kündigte mit typisch englischem Humor „very dry“ vom Blatt gelesen „Hunt the Squirrel“ (Britten) an, verabschiedeten sich die englischen Gäste.

Gerhard Hoffmann

 

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