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BADEN-BADEN/ Festspielhaus: VÈRONIQUE GENS-SWR S.O.-  ANTONELLO MANACORDA

16.05.2021 | Konzert/Liederabende

Baden-Baden: „VÈRONIQUE GENS-SWR S.O.-  ANTONELLO MANACORDA“  –  15.05.2021

OPERA NEWS - On the Beat
Veronique Gens. Foto: Franck Jueri

Wie andere Events zuvor fielen nun auch die „Pfingst-Festspiele 2021“ des Festspielhauses der inzwischen längst leidigen Pandemie zum Opfer bzw. regelrecht ins Wasser der sanft dahin flutenden Oos. Als kleines Trostpflaster gewährte die Intendanz seinen Freunden sowie dem musikhungrigen Publikum ein weiteres Stream in altbewährter Form und zwar das  „Hausfestspiel III – Aufbruch in die Moderne“ mit drei kammermusikalischen Konzerten sowie dem heute rezensierten Konzert. Erweitert wurde das Streaming mit Interviews,  Proben aus dem Rosbaud-Studio, zudem gewährte Benedikt Stampa Einblicke in geplante Produktionen der weiteren Pfingst-Festspiele.

Im Mittelpunkt des von der charmanten Jasmin Bachmann moderierten Abendkonzerts stand der Liederzyklus „Les nuits d´été“ von Hector Berlioz. Im eigentlichen Sinne ein irreführender Titel, denn diese Lieder beschwören keine lauen Sommernächte, sondern künden von düsteren Stimmungen voller Tristesse und Melancholie, von verlorener Liebe, vom Tod. Gleich einer unterschwellig kontrolliert brennenden Glut erhoben sich schillernden Couleurs des Mittelregisters, sowie das attraktive Espressivo des tragfähigen Soprans von Véronique Gens. Licht von drängenden Gefühlen des erwachenden Frühlings umflort erklang Villanelle. Impressionabel beschwor die Sängerin die Emotionen zu Le spectre de la rose und in wehmutsvoller Reminiszenz Sur les lagunes. Im Impetus purer Resignation wurde sehr atmosphärisch Absence markiert. Klagend, traurig wie die weiße Taube auf den Ästen der Eibe und gleichwohl languendo auf den Flügeln des Gesangs, schenkte Gens ihrem anmutig herrlichen Timbre zu Au cimetiére – claire de lune zudem die deklamatorisch-freudige Euphorie, sowie silbern strahlende Höhen von seidigem Glanz. Einem Lamento gleich zogen die Visionen des finalen L´ile inconue vorüber, in hoffnungsvollem Optimismus vokal prächtig durchleuchtet. C´etait formidable Madame!

Mit impressionistischen Farbtupfern, leichten dennoch substanzreichen Klangfarben begleitete  Antonello Manacorda am Pult, übertrug mit sensiblem Gespür die Charakteristik, das typisch französische Flair dieser Musik auf das prächtig aufspielende SWR Symphonie Orchester. Fein nuanciert instrumentiert umhüllte der inspirierte Klangkörper den kostbaren Sopran, man spürte förmlich der Dirigent schien mit der Künstlerin zu atmen.

Eine Episode zum Aufbruch in die Moderne erklang als Entre „Con Brio“ die Konzert-Ouvertüre von Jörg Widmann.

Den Abschluss bildete die „Siebte Symphonie“ von Ludwig van Beethoven. Sie wurde dereinst von Richard Wagner als „Apotheose des Tanzes“ bezeichnet und sollte nicht Begriffsbestimmung sondern als Stimmungsausdruck bewertet sein. Tanz heißt Rhythmus ein Erlebnis von ungebärdiger Fülle und zugleich gebändigter Kraft, der elementaren Aussage dieser Symphonie.

Breit ebnete der Dirigent die Einleitung dem Vivace  in gestauter Kraftentfaltung, in taktweisen lauten Akkordschlägen mit leisem Nachhall zum Dreiklangmotiv der Bläser. Das Hauptthema erschien trotz seiner Länge im Wesentlichen nur als melodische Ausführung eines Wachtelschlages, wie man das Grundmotiv nennen könnte. Stürmisches Pochen, klopfend-springende Motive jagten durch sämtliche Instrumente, formierten sich zu überwältigender Wildheit empor. Wunderbar erhob sich die zarte Zwiesprache mit den Violinen, im steigernden Brausen aller Instrumente fand dieser Satz sein erregendes Finale.

Einer Ballade gleich klang der verhaltene Marsch des Allegretto, schlicht rhythmisch formte Manacorda die wehmütige Streicher-Melodie welche trotz Leichtigkeit sehr effektiv wirkte. Prächtig harmonierten Klarinetten und Fagotte in melodischer Variation, schwermütig wie er begonnen endete das Presto.

Der dritte Satz griff erneut die Stimmungen des ersten auf, übermütig tänzelte das Thema dahin, eigenwillig die Gesetze der Metrik kühn ignorierend. Das Instrumentarium schien in dynamischen Schwankungen, in Wirbeln von Fröhlichkeit zu schwelgen. Herrlich ertönte das Trio, sanft schwebend von den Holzbläsern intoniert. Turbulente Sequenzen läuteten mit wuchtigen Schlägen das Satzende ein.

Temperamentvoll  im Impetus der mitreißenden Thematik führte Antonello Manacorda das vortrefflich aufspielende SWR SO. ins grandiose Finale, akkurat die musikalischen Entwicklungen beleuchtend, in bacchantischer Vehemenz schienen alle Dämme des Herkömmlichen zu bersten. Glutvoll in gewaltiger Coda steigerte sich der strahlende Gipfelpunkt dieser herrlichen Symphonie ins Riesenhafte.

Gerhard Hoffmann

 

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