Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BADEN-BADEN/ Festspielhaus: SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE / Thielemann mit Liszt, Beethoven, Strauss, Bruckner,

Baden-Baden: „SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE“ 14./15.03. 2014

 Das Gastspiel der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter seinem Chefdirigenten Christian Thielemann im Festspielhaus wurde mit der symphonischen Dichtung „Orpheus“ von Franz Liszt eröffnet. Im warmen Timbre entwickelt Thielemann mit dem virtuos musizierenden Klangkörper diesen musikalischen Prolog zum Epos „Orpheus und Euridike“ und vermittelte ohne übertriebenen Pathos ein farbenreich gestaltetes Tongemälde.

Zudem gab es ein Wiedersehen mit einem verehrten Pianisten meiner längst entschwundenen Jugendtage Radu Lupu und dieser Grandseigneur gab sich mit dem „Klavierkonzert Nr. 4“ von Ludwig van Beethoven die Ehre. Sehr penibel gestaltete Lupu den ersten Satz, verbreitete sogleich eine verträumte, romantische Stimmung. Im beziehungsreichen Dialog mit dem begleitenden Orchester unterstrich der erfahrene Solist in glitzernden Figurinen die eigenwillige Charakteristik seines perfektionierten Spiels. Sehr engagiert, hochkonzentriert in verhaltener Gestik unterstreicht der sensible Pianist im poetischen Andante seine noch immer pointierte Virtuosität. Ohne Frage steht das Musizieren aller Beteiligten auf hohem, vorbildlichem Niveau. Lupu begeistert immer noch mit immenser Fingerfertigkeit und entfaltete beim finalen Rondo einen lebenssprühenden Wechselgesang brillanter Läufe.

Die große Begeisterung des Publikums belohnte der Solist mit keiner Zugabe.

 Vorurteile gegen das „Heldenleben“ von Richard Strauss bestehen ja bekanntlich bis heute. Portraitierte sich der Komponist schließlich selbst in autobiografischen Zügen und nicht als wilhelminischer Held. Thielemann wählte mit der herrlich pointiert aufspielenden Staatskapelle straffe Tempi und eine glasklare Transparenz. Löst sich die Musik erst einmal von äußerlichen Getöse, ließ der einfühlsame Dirigent sehr ausdrucksstark, intensiv, frei von ironischer Distanz musizieren. Wunderschön erklang das Violinsolo (Yuki Manuela Janke) charakterisiert es doch in dem musikalischen Wirrwarr die Züge der Gefährtin des Helden. Strauss äußerte sich über diese Episode gegenüber Romain Rolland „meine Frau ist es, die ich darstellen wollte“. Prächtig instrumentierte der Komponist seine musikalische Visitenkarte, es kracht, blitzt und donnert so herrlich urbayrisch. Christian Thielemann lässt die Vorgänge trefflich schildern: das Schlagzeug liefert eine regelrechte Kanonade gegen die Meute der Widersacher, setzt wiederum farbenprächtig mit den wunderbaren Streichern sowie den fulminanten Holz- und Blechsegmenten, spritzig und engagiert reizvolle Gegensätze.

Dieser musikalische Spaß gefiel und wurde entsprechend mit Zustimmung honoriert.

 Es ist für mich schon fast unglaublich, dass seit der letzten Begegnung mit Christian Thielemann und seinem damaligen Orchester den Münchener Philharmonikern schon neun Jahre vergangen sind. Denn die Eindrücke der Interpretation der „5. Symphonie“ von Anton Bruckner sind mir noch allzu gegenwärtig, wähnte ich damals zu schweben, mein Sitz hebe ab! Heute nun reifer an Jahren und Erfahrungen präsentierte Christian Thielemann mit seinem neuen Dresdner Orchester dieses gewaltige Werk in höchst vollendeter Wiedergabe und für mich persönlich neuen Einsichten. Leise, sehr leise Stimmungen setzt der Dirigent den gewaltigen Eruptionen entgegen, diese „neue“ Instrumentierungsart irritierte mich zunächst, löste jedoch zunehmend eine gewisse Faszination in meinem Gehör aus.

 Bereits im Adagio, Allegro zu Beginn agiert Thielemann mit großen Gegensätzen, lässt das bestens disponierte, phantastisch präzise Orchester mit frappierender Innenspannung aufspielen, entlockt ihm betörenden Geigenschimmer und konträren brillanten Blechglanz. Im allgegenwärtigen dunkel-glühenden Ton, im großen Bogen des Kathedralklangs erhalten die Instrumentalgruppen, neue deutliche Akzente sowie differenzierte Rhythmen. Bewegend, fast klagend trägt die Oboe das Hauptthema des Adagio vor, im rührenden Tonfall von Einsamkeit, Schmerz, Verzweiflung zupfen die Violinen die Begleitung, steigern sich allmählich mit den Bässen zum zentralen Geschehen, einem Element merkwürdiger, innerer

Unruhe. Im zuversichtlichen Dur verklingt der zweite Satz. Zum Scherzo meldet sich das unruhige Pizzicato-Motiv der Streicher und die Holzbläser versuchen sich in einer Tanzweise. Der Dirigent gestaltet mit dem grandios musizierenden Orchester die Folgethemen schnörkellos, setzt die rustikale Ausgelassenheit in wohltuender Auffächerung der Klanggruppen ins formelle, rechte Licht. Im Trio bemühen sich die Holzbläser um einen hübschen Ländler, doch fällt das Horn im Misston dazwischen, doch setzt sich der warme Ton der Harmonie durch und in der ruhigen Gelassenheit der präzisen Orchesterführung, entspinnen sich gewaltige Steigerungswellen. Unverkennbar wird Bruckners Glaubensbekenntnis im Finale offenkundig. Im Wechselspiel der tiefen Streicher mit den Bläsern erhebt sich ein erhaben anmutender Choral, entwickelt sich allmählich zur Doppelfuge und bildet schon fast den Abschluss des tönenden, symphonischen Kolosses.

Der versierte Bruckner-Kenner Christian Thielemann ließ beim aufpeitschenden Finale nie die Rhetorik der Einzelstimmen außer Acht, öffnete im mächtigen Choralschluss als klingendes Abbild, die transzendierende Architektur dieses gewaltigen Klangdoms, tatsächlich den Himmel. Atemberaubender, grandioser in derart herrlichem Orchestersound lässt sich dieses apokalyptische Inferno wohl kaum interpretieren.

Fünf Minuten heftiger Jubel die Gäste.

Gerhard Hoffmann

 

 

 

Diese Seite drucken