Baden-Baden: „ELINA GARANCA“ – 03.02.2017
Elina Garanca, Karel Mark Chichon. Copyright: Michael Gregonowits
Wiederholt gab sich Elina Garanca im Festspielhaus die Ehre und entzückte wiederum mit ihrer unvergleichlichen Sangeskunst die Zuhörer-Gemeinde. Zu bereits am Hause Gehörtem gesellte sich Neues, den leisen Fachwechsel der exzellenten Künstlerin bereits ankündigend.
In natürlicher Stimmentwicklung erschließt sich Elina Garanca dramatischen Partien und bot nun einige Kostproben des neuen Metiers.
Wie glühende Lava floss das herrliche Material im berechnend kühlen Kalkül der Arie Samson, recherchant ma présence… Amour… aus „Samson et Dalila“ (Saint-Saens) dahin, erschloss dramatische Aspekte zu schwindelerregenden Oktavsprüngen im immensen Farbenreichtum ihrer wohlgetönten Stimme. In atemberaubend-intensiver Präsenz steigerte sich Garanca in die eifersüchtigen Rachegelüste der Fürstin von Bouillon zu Acerba volutta – o vagabonda stella aus Cileas „Adriana Lecouvreur“. Wehmutsvolles Sentiment des Abschieds und sprühende Euphorie der Bestimmung erklang zuvor in stilistisch exquisiter Stimmführung zur Arie Da, cas nastal.. Prostite vi, kholmi aus „Die Jungfrau von Orleans“ (Tschaikowsky).
Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz begleitete die Solistin unter Stabführung ihres Ehepartners Karel Mark Chichon sensibel, zart, expressiv, prächtig aufspielend. Während der orchestralen Intermezzi dem „Schwanensee-Walzer“ , der Ouvertüre zu „I Vespri Siciliani“ (Verdi) sowie Danza delle ore aus „La Gioconda“ (Ponchielli) nutzte Chichon die Gunst der Stunde in Überproportion der Instrumentation und somit wirkten die Beiträge zwar publikumswirksam jedoch zu vordergründig. Effektiv fein musiziert erklang konträr elegisch der „Melancholische Walzer“ (Emils Darzins) sowie transparent und bestens differenziert beleuchtet die Ouvertüre zu „La Favorite“ (Donizetti).
Nach der Pause überraschte Elina Garanca mit einem Soprangefilde-Exempel: Ecco, respiro appena… lo son l´umile ancella der universellen Fassion Adriana Lecouvreur. Unverkennbar verleiht die vielseitige Künstlerin ihrer Stimme nach wie vor das herrlich weichströmende Samt- und Seiden-Timbre und krönt die Finalvokalise mit glanzvoller Höhenstratosphäre, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt – so manche Sopranistin könnte von so überreich-anmutigem Wohllaut profitieren. Seit meiner ersten Begegnung der großartigen Mezzosopranistin als Adalgisa hier am Hause, avancierte Elina Garanca zu meiner Favoritin und steht seitdem unangefochten, olympisch formuliert auf dem obersten Siegertreppchen.
Gefühlswelten in Aufruhr, Dramatik pur, höchste Ausdrucksexpressivität beschwor Garanca mit der Klage der Santuzza Voi lo sapete aus „Cavalleria Rusticana“ (Mascagni) und versetzte die Zuhörer wiederum in einen Begeisterungstaumel.
Drei neapolitanische Canzonen zur Orchestrierung von Karel Mark Chichon krönten den offiziellen Teil des Recitals. Gleich einem Sonnenstrahl, voll Lebensfreude servierte die umjubelte Sängerin Musica proibita (Stanislao Gastaldon). In evidenter Linienführung, wunderbaren Couleurs erklang die herrlich weiche Mezzostimme zu Non t´amo piú (Tosti) in tiefer Resignation und emotionellem Tiefgang. Im Rausch ungetrübt-vokalen Glücks brachte Elina Garanca mit dem finalen Glanzlicht Marechiare ebenfalls aus der Feder Tostis, das Publikum in endgültige Euphorie.
Die überschäumende Begeisterung wurde mit drei Zugaben belohnt: Al pensar (Chapi) glutvoll, lockend, filigran nuanciert servierte die Künstlerin ihr Lieblings-Dacapo. In unvergleichlich prächtiger Vokalqualität adelte Garanca schließlich in maurischer Klang-Manier Granada (Lara). Charmant entschuldigend, dass keine weitere Zugabe vorbereitet, wurde Al pensar zum allgemeinen Jubel wiederholt.
Gerhard Hoffmann