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BADEN BADEN: DIE WALKÜRE Einspringer-Triumph in konzertanter Aufführung

11.07.2016 | Oper

Festspiele Baden-Baden: DIE WALKÜRE“ 10.7. in konzertanter Aufführung – Einspringer-Triumph

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Andreas Schager, Eva-Maria Westbroek. Copyright: Andrea Kremper

Die Hoffnung, dass Jonas Kaufmann wenigstens die zweite der beiden konzertanten Aufführungen von Wagners erstem RING-Abend, dazuhin an seinem Geburtstag, wird bestreiten können (die erste übernahm Stuart Skelton), erfüllte sich leider nicht. Doch aus dem Leid über die Absage wurde eine ganz große Freude für den innerhalb weniger Jahre im Wagner-Fach international aufsteigenden Österreicher Andreas Schager, der den Rest seines Spanien-Urlaubs vor den Bayreuther Auftritten als Erik in ein triumphales Einspringen verwandelte.

Erzielt durch ein Gesamtpaket, das perfekt auf die Rolle des Siegmund zugeschnitten war. Mit sympathischer Erscheinung, natürlich herzhafter Mimik und ebensolchem Spieldrang und Impetus warf er sich trotz gelegentlichen Blicken in die Noten in die Gewinnung der Zwillingsschwester. Sein aus lyrischen Anfängen gut gefestigter, auch in den sicheren und überschwänglich ausgesungenen Höhen nie streng werdender Tenor, verfügt über einen großen Atem (die lang gehaltenen Wälse-Rufe standen regelrecht unter Strom) und eine gewandte Expressivität, die bei ihm weniger aus einer kunstvoll dynamisch eingesetzten Farbpalette als aus einer spontanen Intuition gespeist ist.

Gemeinsam mit der auch optisch idealen und deutlich erschlankten Sieglinde von Eva Maria Westbroek bildete er ein in allen Belangen glaubhaftes Wälsungen-Paar, das das Glück seiner Wiedervereinigung auch ohne Szene nur mit Blicken und Körperkontakt greifbar machte. Westbroeks üppiger, inzwischen mit etwas Vibrato behafteter Sopran unterstützt noch ihre emotional bewegende Gestaltung, die von gut gefütterter Tiefe und jubelnden Aufschwüngen gestützt ist.

Die Spannung, die die beiden gemeinsam mit dem vollmundig und bedrohlich hinterhältig artikulierten Bass von Mikhail Petrenko als Hunding im ersten Akt aufbauten, wurde in den beiden Folgeakten leider nicht mehr erreicht, was am wenigsten an der Brünnhilde von Evelyn Herlitzius lag. Deren Totaleinsatz macht auch den Konzertsaal zur Bühne. Allein ihr erster übereumpelnder Auftritt mit den Hojotoho-Rufen ist unterstützt von ihren wallenden Haaren und ihrer lebhaften Mimik pure Lust. Neben den bewundernswert mitreißenden Spitzentönen, die die klein gewachsene Sopranistin ihrer klar leuchtenden Stimme zu entlocken vermag, bietet sie in den ernsten, traurigen und flehenden Momenten eine von lobenswerter Textdeutlichkeit geprägte, viel Anteilnahme weckende Interpretation.

Schöner, ja nobler und edler, präziser ausformuliert als von René Pape ist der Wotan kaum denkbar. Sein sonorer, gleichmäßig gut gestützter Bass mit breiter Kapazität in allen Lagen scheint durch nichts erschüttert werden zu können. Obwohl er die Partie wie die meisten Kollegen schon öfter gesungen hatte, klebte er als einziger fest hinter einem Pult. Seine Persönlichkeit und den Genuss einer Lehrstunde in Sachen Wagner-Belcanto kann das nicht einschränken, im Vergleich zu den Mitstreitern jedoch die Intensität und Dringlichkeit seiner Gesamtauftretens.

Bei Ekaterina Gubanovas Fricka genügten eine autoritäre Haltung und feste Blicke, um ihre Position und ihren Willen als Ehehüterin mit ihrem etwas kühl schattierten, aber rundum präsenten und nobel geführten Mezzosopran zu unterstreichen.

Zum Walkürenritt marschierten als Brünnhildes acht Schwestern größtenteils aus dem Ensemble des Mariinsky-Theaters St. Petersburg stammende Künstlerinnen auf: Zhanna Dombrovskaya, Irina Vasilieva, Natalia Yevstafieva, Ekaterina Krapivina, Oxana Sholova, Varvara Solovyova, Anna Kiknadze und Evelina Agabalaeva. In ihren Solo-Einsätzen ließen sie überwiegend erstklassiges Stimm-Material sowie eine erfreulich gute deutsche Artikulation hören und vermochten sich vereint gegen die Orchesterwogen zu behaupten. Denn Valery Gergiev ließ mit seinem Orchester des Mariinsky-Theaters St.Petersburg das blechgepanzerte Geschütz in den großen filmischen Phasen der Partitur mit Macht aufrauschen, blieb aber der Durchsichtigkeit des Gewebes dennoch nichts schuldig. Nicht oft sind so viele Nuancen, wie z.B. sogar bedeutende Blicke zwischen den Beteiligten  so plastisch zu vernehmen. Die pure Klangqualität des Orchesters (dunkel satte Streicher, farbenreich oszillierende Holzbläser, glanzvolles Blech) ist ein Erlebnis für sich, erwies sich über die Längen des Stücks aber erstaunlicherweise nicht so weit tragend, dass die vor allem im zweiten Akt (fast 100 Minuten)  extrem breit genommenen Tempi den Spannungsfaden immer wieder zum Reißen brachten. Die Solisten kamen damit ohne hörbare Probleme zurecht, doch die Konzentration des durch Hitze beeinträchtigten Publikums wurde dadurch auf eine grenzwertige Probe gestellt.

Aber auch mit den genannten Einschränkungen ist eine Begegnung mit Wagners malerisch opulentestem Musikdrama allemal ein Klangerlebnis, zumal mit einem so hochkarätigen Ensemble.

Frei von szenischen Beeinträchtigungen konnte sich nach den einzelnen Akten die Begeisterung breit machen.

 Udo Klebes

 

 

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