Baden-Baden: „BACH H-MOLL-MESSE“ 23.04.2016
Der Chor des Bayerischen Rundfunks feierte seinen 70. Geburtstag und gastierte nun einen Tag später im Festspielhaus als Choral-Grundierung der „H-Moll-Messe“ (Johann Sebastian Bach). Um sogleich bei dessen Solosätzen zu bleiben: Es war eine wahre Freude zu vernehmen mit welcher Inbrunst die großartigen Sänger zu Werke gingen. Das war eleganter klangschöner und vor allem sehr ausbalancierter Chorgesang voll federnder Impulse, prächtiger Artikulation und höchst intensiver beeindruckender Aussage verdient große Anerkennung.
Oft gehört bergen manche musikalische Interpretationen noch höchst erfreuliche Überraschungen. Die Auffassung von Peter Dijkstra am Pult des Ensembles Concerto Köln darf man als effizient und qualitativ hochwertig bezeichnen. Dank der Musizierfreude des ungeheuer agilen und wunderbar atmenden Spiels „seines“ Klangkörpers durfte man das viel strapazierte Werk schier neu erleben, jeder Affekt saß an der richtigen Stelle. Die scheinbar bewusst gewählte musikalische Subjektivität Dijkstras unterstrich vehement das interpretatorische Raffinement, die sensible Betonung, die Rhetorik Bachs grandioser Komposition erhielt dadurch transparente und ausgewogene Strukturen.
Zur erlesenen Untermalung gesellte sich lobenswerter weise ein adäquates Solistenquartett:
Allen voran Christina Landshammer welche ihren Sopranpart so meisterhaft bewältigte. Nach innen gerichtet, schwebend im Ton, strahlend im Höhenbereich einfach hinreißend interpretierte die Sängerin die herrlichen Arien und Duette.
Stilsicher in beindruckendem Ausdrucksspektrum vermittelte Anke Vondung in perfekter Artikulation und Phrasierung dank ihres klangintensiven dunklen Mezzosoprans Vokalwonnen in höchstem Maße. Traumhaft intoniert, gesungen wie der Welt abhanden gekommen ganz besonders das Agnus Dei.
Der Tenorpart dieser Komposition verlangt eine lyrische, wenngleich kraftvolle Stimme mit teils dramatischer Ausdrucksscala. Kenneth Tarver besitzt diese Qualitäten vollends, sein in allen Lagen ausgeglichener Tenor ist kontemplativ und feinnervig, aber zugleich auch kernig in der deutlichen Nachzeichnung der melodischen Linien.
Stilsicher traf auch Andreas Wolf den ätherischen Aspekt der Basspartie, mit Affekt geladenem Pathos verlieh er seinem sonoren Gesang fundamentale Tiefe und getragene Ausgewogenheit.
Lange atemlose besinnliche Stille, sodann brach sich die Begeisterung des Publikums im leider nur halbvollen Haus seine Bahn.
Gerhard Hoffmann