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BADEN-BADEN: ADRIANA LECOUVREUR“

Aufwühlend bis zum Schluss

24.07.2018 | Oper


Ekaterina Semenchuk, Tatiana Serjan. Copyright: Andrea Kremper/ Festspiele

Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ mit dem Mariinsky Theater am 23.7.2018 im Festspielhaus/BADEN-BADEN

AUFWÜHLEND BIS ZUM SCHLUSS

 Was bei dieser Vorstellung besonders auffällt, ist die gelungene Inszenierung von Isabelle Partiot-Pieri, die auch filmische Elemente mit einschließt (Lichtdesign: Pierre Dupouey; Kostüme: Christian Gasc; Choreographie: Ilya Ustyantsev).

Zu Beginn sieht man ein Grab, in dem die Leiche der den Gifttod gestorbenen Schauspielerin Adriana Lecouvreur verscharrt wird. Dann geht der Vorhang auf und man wird als Zuschauer tatsächlich ins Paris des Jahres 1730 entführt – man befindet sich in der Comedy-Francaise. Der Spielleiter Michonnet bemüht sich um Ruhe und Ordnung, er macht Adriana einen Heiratsantrag, doch diese gesteht ihm ihre Liebe zu Maurizio, einem jungen Offizier. Damit ist der Konflikt vorprogrammiert, der bei dieser Inszenierung auch in der Personenführung nicht zu kurz kommt. Der Abbe hat den Brief der Duclos (einer Mätresse des Fürsten von Bouillon) abgefangen. Der Fürst ist überzeugt, dass die Duclos ihn mit Maurizo hintergeht. Die Duclos hat den Brief im Auftrag seiner Gemahlin, der Fürstin von Bouillon, geschrieben. Die Fürstin von Bouillon ist aber in Maurizio verliebt, was in der opulenten Inszenierung ins leidenschaftlich Pompöse gesteigert wird. Der Veilchenstrauß, den sie von ihm erhält, stammt von einer Rivalin. Beide werden vom Fürsten von Bouillon überrascht. Adriana erkennt allerdings, dass Maurizio in Wahrheit der Graf von Sachsen ist. Sie hat in der Fürstin von Bouillon eine gefährliche Konkurrentin. Dies führt schließlich dazu, dass es der Fürstin gelingt, das Paar fast auseinanderzubringen. Maurizio bittet Adriana zuletzt um Verzeihung, macht ihr einen Heiratsantrag. Doch Adriana hat auch ein Geschenk erhalten. Sie entdeckt in dem Kästchen Veilchen, die sie für den Abschiedsgruß ihres Geliebten hält. Doch in Wahrheit sind sie von der Fürstin vergiftet worden, was man zuvor in einem raffinierten Filmschnitt gesehen hat. Adriana stirbt an diesem grausamen Attentat. In einem Lichtkegel erkennt man zuletzt nochmals ihre überirdische Gestalt, während Maurizio in Verzweiflung verharrt.

So gelingt es der französischen Regisseurin, diese Inszenierung aufwühlend bis zum Schluss zu gestalten. Die Auseinandersetzung von Adriana mit der Fürstin von Bouillon gehört zu den großen Höhepunkten dieser bilderreichen Aufführung, die auch mit ironischen Elementen nicht spart. So gestalten Ballett-Tänzer den Auftritt eines bedrohlichen Krokodils, das ebenfalls an der Wand des Palastes sichtbar wird. Hier wird mit Entsetzen Scherz getrieben.

Musikalisch kommt der Zauber des Verismo beim Dirigenten Valery Gergiev sowie Chor und Orchester des Mariinsky Theaters voll zu seinem Recht. Die Nähe zu Jules Massenet lässt sich dabei nicht verleugnen, der Cileas Orchestrierung als sauber und expressiv lobte. Der Mythos um die Schauspielerin Adriana Lecouvreur wird bei dieser Inszenierung auf die Spitze getrieben, im Hintergrund sieht man geheimnisvoll rauschende Bäume und viel Wasser. Der Macht der Natur trägt Isabelle Partiot-Pieri gekonnt Rechnung. Zwischen Mauern, drehbarer Bühne und Goldgeländer agieren die Personen durchaus glaubwürdig, wobei stellenweise ein schärferes Profil in der Personenführung durchaus wünschenswert wäre. Ein Sekretär scheint die Handlung mitzuschreiben. Insbesondere die Streicher blühen unter Gergiev immer wieder mit großer Leuchtkraft und fein ziseliert auf, gelegentlich lässt Giuseppe Verdi versteckt grüßen. Mit chromatischem Feinschliff erweitert sich in erstaunlicher Weise die Orchesterpalette mit ihren vielen reizvollen und durchaus betörenden Motiven, deren thematischer Reichtum sich immer weiter fortspinnt. Dieser starke melodische Schwerpunkt kommt den Sängern zugute, die sich bei Valery Gergiev und dem vorzüglichen Mariinsky Orchester zu Hause fühlen dürfen.

Tatiana Serjan. Copyright: Andrea Kremper/ Festspiele

Tatiana Serjan als Adriana vermag ihrer Partie in der Tiefe eine voluminöse Fülle zu verliehen, die die nicht ganz so starke Höhe bei vielen Kantilenen immer wieder ausgleicht. Ihre leuchtkräftige Sopranstimme ist entwicklungsfähig. Eine gesangliche Entdeckung ist der begabte Tenor Migran Agadzhanyan als Maurizio, dessen stimmliche Höhenflüge vor allem am Ende nicht aufzuhalten sind.


Tatiana Serjan, Migran Agadzhanyan. Copyright: Andrea Kremper/ Festspiele

Starkes Profil besitzt ferner die versierte Mezzosopranistin Ekaterina Semenchuk als Fürstin von Bouillon, die sich bei der gewaltigen Auseinandersetzung mit Adriana in Rage singt. Alexei Markov als Michonnet, Dmitry Grigoriev als Fürst von Bouillon, Alexander Mikhailov als Abbe von Chazeuil sowie Anna Denisova als Mademoiselle Jouvenot überzeugen mit Dramatik und leidenschaftlichem Impetus. Markant gestalten auch Marina Mareskina (Mademoiselle Dangeville), Gleb Peryazev (Quinault) und Mikhail Makarov (Poisson) ihre abwechslungsreichen Partien. Diese Oper wurde schon immer von den Kritikern geschmäht. Valery Gergiev gelingt mit dieser Vorstellung gleichsam eine Ehrenrettung für dieses Meisterwerk, das nur vom Publikum nicht unterschätzt wird, denn die Musikfreunde haben „Adriana Lecouvreur“ (von Arturo Colautti nach dem gleichnamigen Schauspiel von Eugene Scribe und Ernest Legouve) immer geliebt. Dass die Strukturentwicklung nicht zu Cileas Stärken gehört, merkt man dieser Interpretation kaum an. Gergiev unterstreicht die drei, vier Hauptmotive dieser Oper mit nie nachlassendem Elan. Sie erscheinen immer wieder in verschiedenen Situationen, die sich konfliktreich verdichten. Das Publikum war begeistert, es gab Ovationen.

Alexander Walther              

 

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