Opernfestival „Rossini in Wildbad“: konzertante Aufführung von „Ricciardo e Zoraide“ (Vorstellung: 20. 7. 2013)
Im Rahmen des 25. Opernfestivals „Rossini in Wildbad“ stand die nur selten gespielte Oper „Ricciardo e Zoraide“ von Gioachino Rossini in der Trinkhalle im Kurpark von Bad Wildbad konzertant auf dem Programm. Die Uraufführung des zweiaktigen Werks fand im Jahr 1818 am Teatro San Carlo in Neapel statt.
Die Oper, deren Libretto Francesco Berio di Salsa verfasste, spielt in Nubien zur Zeit der Kreuzritterzüge. Agorante, der König Nubiens, ließ Zoraide, die Tochter Ircanos, die den Paladin Ricciardo liebt, entführen, worauf die Kreuzritter gegen den König in den Krieg ziehen. Obwohl Agorante von Zoraide abgelehnt wird, intrigiert die eifersüchtige Königin Zomira gegen sie. Es kommt zu etlichen Verwirrspielen um Zoraides Befreiung und weiteren Intrigen, zu Zweikämpfen, Gefangennahmen und ritterlichen Begnadigungen, ehe am Schluss die beiden Liebenden – Ricciardo und Zoraide – endlich zueinanderfinden. Am Ende hadert nur noch Zomira, dass ihre Rachegefühle unerfüllt blieben.
Über die Oper, die nicht sehr erfolgreich war, findet sich Programmheft ein Beitrag von Stefano Piana (übersetzt von Reto Müller) mit der Quintessenz, dass „Ricciardo e Zoraide von einigen heutigen Forschern und Opernliebhabern leider als ‚kleine Schwester‘ der großen ernsten Opern der neapolitanischen Phase Rossinis betrachtet“ wird. „Das bezeugt u. a. die bis heute einzige Wiederaufnahme der Oper seit ihrer ersten modernen Aufführung 1990 beim Rossini Opera Festival (1996, ebenfalls in Pesaro). Diese kleinliche Haltung wird der Oper nicht gerecht, und die Aufführungen in Bad Wildbad werden sicher Möglichkeiten bieten, die zahlreichen wertvollen Perlen, welche die Oper eifersüchtig hütet, zu entdecken.“
Eine Voraussage, die bei der zweiten Vorstellung am 20. Juli voll eingetroffen ist. Schon während der Aufführung gab es nach vielen Arien und Duetten langen Szenenapplaus mit zahlreichen Bravorufen des begeisterten Publikums. Die zündenden, mitreißenden Melodien der Partitur Rossinis und die erstklassigen Leistungen der Sängerinnen und Sänger (Zitat einer Musikerin des Orchesters nach der Vorstellung: „Unglaublich, wie großartig das Ensemble heute gesungen hat. Sie waren alle um zwei Klassen besser als bei der ersten Vorstellung vor drei Tagen.“) waren ein Hörgenuss!
Herausragend das Liebespaar Ricciardo – Zoraide! Die bezaubernde Sopranistin Alessandra Marianelli bewältigte stimmlich sowohl die dramatischen wie auch die lyrischen Passagen in den Arien mit einer bewundernswerten Leichtigkeit, wobei sie auch mimisch ihre Rolle als gefangen gehaltene und liebende Zoraide gestaltete. Absoluter Höhepunkt war im zweiten Akt das mitreißende Liebesduett mit dem Tenor Maxim Mironov, dessen absolut höhensichere lyrische Stimme eine Idealbesetzung für die Rolle des Ricciardo bedeutet. Rührend, wie sie nach dem Duett glückstrahlend nach der Hand ihres Partners griff, ehe sie einander am Schluss der Vorstellung unter dem Jubel des Publikums in die Arme fielen!
Auch der amerikanische Tenor Randall Bills versuchte als Agorante mit königlicher Haltung und strengem Gesichtsausdruck die konzertante Aufführung zu beleben, blieb aber gegenüber den anderen doch zu steif. Die stimmlichen Klippen seiner Rolle bewältigte er mit großem Einsatz. Zomira, die Gattin des Königs, wurde von der Mezzosopranistin Silvia Beltrami mit allen finsteren Rachegelüsten gesungen, wobei sie stimmlich wie mimisch zu überzeugen wusste. Dem Gesandten des christlichen Lagers Ernesto lieh Artavazd Sargsyan seinen warmen, lyrischen Tenor, während Ircano, der vertriebene Herrscher Nubiens und Vater Zoraides, vom Bass Nahuel Di Pietro mit dunkel gefärbter Stimme gesungen wurde.
In kleineren Rollen waren noch die Sopranistin Diana Mian als Vertraute von Zoraide und die Mezzosopranistin Anna Brull als Vertraute von Zomira zu hören. Die winzige Rolle des Zamorre, des Vertrauten von Agorante, sang Bartek Zolubak, ein Mitglied des Camerata Bach Chors, der in einigen Passagen wie gewohnt sehr stimmgewaltig agierte (Leitung: Ania Michalak).
Unter der umsichtigen musikalischen Leitung von José Miguel Pérez-Sierra ließ das Orchester Virtuosi Brunensis die herrlich zündende Partitur Rossinis exzellent erklingen. Die konzertante Aufführung war ein musikalischer Genuss und brachte das Publikum in eine solche Hochstimmung, dass es am Schluss der Vorstellung seine Begeisterung minutenlang mit rhythmischem Applaus und unzähligen Bravo-, Brava- und Bravi-Rufen ausdrückte.
Udo Pacolt, Wien
PS: Der 28-jährige Tenor Artavazd Sargsyan bekam heuer – neben der 23-jährigen Cecilia Montinari – den Internationalen Belcanto-Preis in Bad Wildbad verliehen, der neben einem Geldpreis mit einem Rollenangebot für ein kommendes Rossini-Festival verbunden ist.