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BAD WILDBAD/ Rossini-Festival: LE CHALET / RICCIARDO E ZORAIDE / GUILLAUME TELL

23.07.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

ROSSINI IN WILDBAD 2013

LE CHALET“ (19.7.) / „RICCIARDO E ZORAIDE“ (20.7.) / GUILLAUME TELL (21.7.) – Krönung zum 25jährigen Jubiläum

 Das 25jährige Bestehen von Pesaros kleinerem Bruder-Festival im nördlichen Schwarzwald musste mit etwas Herausragendem gefeiert werden. Was bietet sich da Geeigneteres an als Rossinis Opus ultimum aus dem Jahr 1829 mit seinem alle anderen Werke überragenden Aufwand und selbst manche Oper Wagners in den Schatten stellenden zeitlichen Ausdehnung – vor allem, wenn es wie hier erstmals in einer integralen Version geboten wird, die einige Striche wieder aufmacht, die schon im Vorfeld der Uraufführung und erst recht danach erfolgt sind. Doch zum Höhepunkt dieses Abschlußwochenendes erst später, schließlich erschöpfte sich das Programm wie schon in vielen Vorjahren nicht mit diesem Kraftakt, und brachte diesmal immerhin noch in konzertanter Form eine der rarsten Opern aus Rossinis neapolitanischer Zeit und das erste Bühnenwerk seines Zeitgenossen Adolphe Adam.


Mit Preis gekrönter Sympathieträger: der Tenor Artavazd Sargyan. Foto: Patrick Pfeiffer
 
Dessen 1834 an der Pariser Opéra Comique aus der Taufe gehobenem Einakter „LE CHALET“ war trotz der prominenten Autorenschaft (Text von Eugène Scribe nach einem Singspiel von Goethe) kein dauerhafter Erfolg beschieden und verschwand ebenso wie Donizettis zwei Jahre später aus dem gleichen Sujet entstandene Schweizer Oper „Betly“ schnell von den Spielplänen. Die amüsante Handlung mit vielen Verwechslungen und einer eingängigen Musik aus dem Geist der französischen Opéra Comique konnte daran auch nichts ändern.

Regisseur Nicola Berloffa kam es vor allem darauf an, besonderes Augenmerk auf die Ironie und teilweise Doppelbödigkeit der Geschichte im Zusammenhang mit dem komischen Text zu legen. In Caroline Stauchs sparsamer Bühne mit einer Flügeltüre, die geöffnet auf ein Bergpanorama blicken lässt sowie einem Tisch und zwei Stühlen und den kleidsamen Kostümen von Claudia Möbius kann sich das Geschehen um die heiratsunwillige Betly auch dank einer klar präzisierten Personenführung in allerlei Pointen entfalten. Der Soldat Max scheut bei dem Versuch, seine seit 15 Jahren nicht mehr gesehene Schwester doch noch mit ihrem Anbeter Daniel zusammen führen zu können, auch vor Erpressung und einem provozierten Duell zurück, weshalb Betly (inzwischen selbst Zuneigung zu ihm verspürend) Schutz bei ihm sucht. Erst im letzten Moment gibt sich Max zu erkennen und besiegelt mit seiner zusätzlichen Unterschrift die Eheschließung.

Bereits in der Ouvertüre wird im Einsatz der kleinen Trommel Adams späterer Welterfolg „Der Postillon von Lonjumeau“ vorhörbar, der Wechsel aus romantisch verträumten und espritvoll rhythmischen Arien und Duetten hält den gerade mal 75minütigen Einakter mühelos unter Spannung, wobei den Solisten allerlei vokale Flexibilität abverlangt wird.

Diana Míans Betly besticht durch ihren selbstbewussten, schon recht bissvollen Sopran, der weitab von mädchenhaftem Liebreiz die Eigenwilligkeit dieser in einem Chalet lebenden Frau treffend einfängt. Artavazd Sargyan steigert sich von anfänglicher Tiefenschwäche zu klarer Präsenz seines stilistisch feinen, mit der französischen Sprache sensibel umgehenden, sehr ansprechend timbrierten und in der Höhe betörend aufblühenden Tenor als jugendlich charmantem Daniel. Auch in Bezug auf seine weiteren (hier später) erwähnten Rollen-Einsätze durfte er zurecht den diesjährigen Bad Teinacher Belcanto-Preis entgegen nehmen.

Marco Filippo Romanos markig robuster Bariton in Verbindung mit seinem auch vor Grobschlächtigkeiten nicht zurück schreckendem Auftreten passt wiederum genau zum eher polternden Charakter des Soldaten Max und sorgt in der köstlichen Vorwegnahme von Offenbachs Hoffmann-Trinklied für außerordentlich gute Stimmung. Federico Longo vereint am Pult der Virtuosi Brunensis Schmiss mit sensiblem Stimmungszauber und trifft damit die Seele dieser Operngattung, den speziellen Klang-Charakter des Komponisten auf so überzeugende Weise, dass sich künftig doch hoffentlich wieder die eine oder andere Bühne dieses Werkes annimmt.


Als Zoraide eine Entdeckung – Alessandra Marianelli. Foto: Patrick Pfeiffer

Neben den beiden szenischen Erarbeitungen widmete sich das Festival noch der von Musikwissenschaftlern als kleine Schwester der neapolitanischen Werke Rossinis eingeschätzten Oper „RICCIARDO E ZORAIDE“. Das 1818 uraufgeführte Opus wurde in neuerer Zeit erst einmal aufgeführt (1990 in Pesaro, mit Reprisen am selben Ort 1996). Die Gründe mögen einerseits in der im Vergleich zu den anderen für Neapel entstandenen Opern kurios verwickelten Handlung als auch in einer weniger fortschrittlich ausgeprägten musikalischen Struktur liegen, obwohl sich zumindest das damalige Publikum gerade mit der Rückkehr Rossinis zu traditionelleren Formen, laut Cimarosa „wahren melodischen Entfaltung“, leichter getan haben müsste.

Die auf einem mittelalterlichen Ritter-Epos basierende Geschichte hat Francesco Berio di Salsa den Gepflogenheiten der damaligen Zeit entsprechend phantasievoll erweitert und verändert, nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit, allen damals führenden Solisten des Teatro di San Carlo ihren Fähigkeiten gemäß unterzubringen. Dies erforderte z.B. mit der Königin Zomira die Einführung einer Figur, die in der bisherigen Handlung gar nicht existierte. Das kriegerische Aufeinandertreffen von Nubien und Franken!, die komplizierten Über-Kreuz-Verbindungen zweier Paare aus den gegenseitigen Lagern, Verkleidung, Verstellung, ein über Zoraides Leben entscheidendes Duell und die urplötzliche Wendung zum Guten lohnen sich nicht im Detail aufzuschlüsseln, zumal Rossini die teilweise handlungsarmen Szenen mit rein musikalischen Mitteln gestaltete, so dass das Werk trotz formellen Rückschritts so viele melodisch koloristische und satztechnische Perlen enthält, die in einer konzertanten Wiedergabe konzentrierter zur Debatte gestellt werden können. So war an diesem Abend auch in keinem Moment eine szenische Darstellung zu vermissen.

Alle vier Hauptrollen-Solisten inklusive Nebenrollen wurden den teils halsbrecherischen Herausforderungen im Großen und Ganzen gerecht. Aus zwei früheren Jahren ist der in Tula geborene Tenor Maxim Mironov in Bad Wildbad bereits vertraut und untermauerte seine Stellung im bravourösen Belcanto-Fach als Ricciardo nachhaltigst mit der mühelosen Verschwisterung von feinst gesponnenen lyrischen Bögen und geläufigen Koloraturketten bis in extreme Höhen, ganz zu schweigen von seinem aparten Timbre, das den gesamten Vortrag veredelt.

Die erst 27jährige Alessandra Marianelli machte als Zoraide sofort auf sich aufmerksam, gab sie doch der zwischen den Fronten stehenden und leidensgeprüften Frau durch ihren stabilen, zwischen zarten und nachdrücklichen Passagen beweglich changierenden Sopran, der in feinen Nuancen genauso trägt wie in mitreißenden Ausbrüchen, eine klar umrissene Gestalt. Schade, dass ihre einzige Arie kurz vor Ende nicht den bis dahin aufgebauten dramatischen Abschluss bildet, sondern von einem harmlosen Vaudeville zur Feier des guten Ausgangs abgelöst wird.

Agorante, dem harten Gegenspieler des Titelrollen-Paares, verleiht Randall Bills mit Macht gebietender Haltung und wandlungsfähiger Stimme eine charaktergemäße Potenz. Sein in der Entschiedenheit des Ausdrucks manchmal zur Härte und zum Überdruck neigender Tenor gestattet indes bei aller Imposanz und Verzierungs-Virtuosität mit zurück genommenem lyrischem Ansatz, u.a. in einem ganz auf Linie gehaltenen Andante-Abschnitt, auch Einblick in die Empfindsamkeit des nubischen Herrschers, der seine Frau Zomira zugunsten Zoraides in den Hintergrund stellen möchte.

Temperament und Feuer steuert Silvia Beltrami als bis zuletzt auf Rache sinnende Zomira bei, verbindet dabei ihre breit füllige Tiefe bruchlos mit einer klaren Mittellage und zuverlä-ssig ansprechendem Spitzenregister, und sorgt in der Kombination aus beidem für spannende Duett- und Ensemble-Kontroversen.

In der relativ kleinen., aber für die Lösung des Handlungsknotens entscheidenden Partie von Zoraides Vater Ircano fällt der Argentinier Nahuel di Pierro gleich beim ersten Einsatz mit ausgeprägt schönem und gesättigtem Bass-Bariton auf, bei dem sich alle Töne einheitlich runden.

In den Nebenrollen präsentierten sich mit Anna Bull (Elmira) sowie wiederum Diana Mian (Fatime) und Artavazd Sargyan (Ernesto) keineswegs schmalspurige, sondern schon gut entwickelte junge Stimmen.

Der Bach-Chor Poznan (bestehend aus Mitgliedern der Opernchöre von Krakau und Posen) legte nach der kammermusikalisch angelegten Aufgabe im Adam-Einakter noch einiges an Fülle und farblicher Transparenz zu. Die Virtuosi Brunensis fanden nach etwas fahrigem Beginn in der langen, direkt in die erste Szene übergehenden Introduktion mit präzisen Bläser-Soli und beständig gesteigerter Crescendo-Freude in den Streichern zu lebhaft beteiligtem Spiel, zunehmend kongruenter und entschiedener angefacht vom Dirigenten José Miguel Pérez-Sierra. Verblüfft über die unerschöpflich scheinende Erfindungsgabe Rossinis feierte das Publikum alle Beteiligten für ihre vielfachen Spitzenleistungen mit vehementer Begeisterung.


„Guillaume Tell“ – ein Höhepunkt – Nahuel Di Pierro (Walter Fürst), Michael Spyres (Arnold) und Andrew Foster Williams (Tell) beim Rütlischwur. Foto copyright: Patrick Pfeiffer
 
Mit der vierten Aufführung von Rossinis Freiheitsoper „GUILLAUME TELL“ endete sodann das diesjährige Abschlusswochenende und ließ die mit drei Pausen auf gut sieben Stunden gestreckte Vorstellung aufgrund hochsommerlicher klimatischer Bedingungen zur Bewährungsprobe für Künstler und Zuschauer werden.

Auch wenn der Komponist damit seinen Schaffenshöhepunkt erreicht und der Académie Royal de Paris in einem speziell ausgehandelten Vertrag insgesamt fünf Opern in den nächsten zehn Jahren zugesichert hatte, ist bei einer Begegnung mit diesem alle bisherigen Dimensionen sprengenden Werk klar, dass danach nichts mehr von ihm kommen konnte, weil er sich sonst in seinen eigenen Schatten gestellt hätte.

Wie schon eingangs erwähnt war es für Bad Wildbad quasi eine Verpflichtung eine möglichst integrale Fassung zu spielen, die mit einem Hochzeitstanz im ersten Akt, einer ausgedehnten Ballettmusik sowie einer Arie Gemmys vor dem Apfelschuss auch Nummern berücksichtigte, die selbst in bislang als komplett gegoltenen Einspielungen nicht vollumfänglich enthalten waren. Sicher könnte man sagen, dieses Werk übersteigt die Möglichkeiten der Gegebenheiten vor Ort, dennoch zeigte das Ergebnis, dass auch auf einer relativ kleinen Bühne mit Minimalausstattung sowie reduzierten Kollektiven des Chores und Orchesters eine vollgültige und nichts an Wirkungskraft einbüßende Umsetzung machbar ist. Für diesen letztlich gelungenen Kraftakt allen Beteiligten auf und hinter der Bühne ein großes Kompliment!

Die hinlänglich bekannte Geschichte hat der inszenierende Intendant Jochen Schönleber in einem stilisierten, weit in die Tiefe reichenden Gebirgstal mit bemalten Gesteinswänden und Bergzacken angesiedelt (Bühne: Robert Schrag), das links und rechts von einer aus dem Zuschauerraum zu besteigenden Galerie umgeben ist. Der Hintergrund kann durch eine Leinwand abgetrennt werden, auf der der Kampf Tells gegen die Wellen mit einem Schwarz-Weiß-Marine-Film projiziert sichtbar wird. Der Hut Gesslers ist eine umgedrehte Klosettschüssel mit aufgeklappter roter Brille, die die ganze Installation als Gesicht mit Mund, Nase und Augen wahrnehmen lässt. Der Apfelschuss wird mittels eines Laserpfeils vollzogen, der Rütlischwur schweißt die Verbündeten der drei Urkantone durch Mitgliedsbeiträge und überreichte Sparbücher zusammen. Ein bisschen Ironie steckt denn doch in dem Stück, das selbst Rossini schon über den schweizerisch-habsburgischen Konflikt hinaus als allgemeingültigen Kampf gegen Unterdrückung verstanden hat. Die überwiegend kleidsamen, der jeweiligen Gesellschaftsstellung angepassten Kostüme von Claudia Möbius im Gegenwarts- oder leicht historisierenden Stil sind somit vertretbar.

Die Personenregie schwankt zwischen wohltuender Konzentration in nachdenklichen, reflektierenden Momenten, unaufdringlicher Interaktion in den Duetten und den Chor trotz der Enge lebhaft beteiligender Aktion, die sich von wenigen Details abgesehen, auf Anhieb erschließt. Als stimmige Ideen seien die als Hauskonzert vor den Unterdrückern gespielte Ouvertüren-Einleitung der beiden Solo-Cellisten oder die Abgrenzung der Hierarchien durch Polster- und Plastikstühle erwähnt. Mehr Interieur bedarf es nicht, die Lichtregie von Kai Luczak tut ein Übriges, um die situationsgemäßen Stimmungen zu erzielen.

An der Spitze einer bis auf eine Ausnahme niveauvollen Besetzung stehen die beiden männlichen Hauptgestalten. Aufgrund der gefürchtet schweren Anforderungen an den Part des Arnold Melchthal gewähren wir ihm den Vortritt vor dem Titelrollenträger. Michael Spyres Aufstieg zu einem der führenden Vertreter des Barytenors ist seit seinem hiesigen Debut 2007 eng mit Rossini in Wildbad verbunden. Nach zahlreichen Rollendebuts in teils exorbitant schweren Partien an zunehmend renommierten internationalen Bühnen dürfte er hier nun eine weitere Stufe nach oben erklommen haben, denn seine Leistung kann nicht anders als exemplarisch bezeichnet werden. Von der klaren französischen Artikulation, über die Kontinuität seiner Linie, der flexiblen Registerschaltung, dem mühelosen Tonansatz in den höchsten Regionen bis zur transparenten emotionalen Vermittlung von anfänglicher Liebeszärtlichkeit zum kämpferischen Umschwung reicht die Palette seiner Vorzüge. Abgerundet werden sie noch durch ein entschiedenes Auftreten und eine sympathische Persönlichkeit.

Auch Andrew Foster Williams deckt als Tell die ganze Spannbreite dieses Charakters ab, der ja bei Rossini grundlegend aufrührerischer und weniger volksheldenhaft angelegt ist als bei Schiller. Sein kernig sitzender Bariton mit üppig rundem Klang rüttelt zunächst durch seinen expressiv unterstrichenen Vortrag auf, ehe dieser später bei den ariosen Passagen einem warm strömenden Legato mit natürlicher und weiter Höhenentfaltung weicht. Sein aufrechtes und ehrlich überzeugendes Spiel mildert die ansonsten fanatische Haltung Tells etwas ab. Ergänzt von der auch hier wohltuend grundiert und etwas heller als am Vorabend erscheinenden Stimme von Nahuel Di Pierro als jugendlich präsenter Walter Fürst gerät das Rütli-Terzett zu einem der besonderen Höhepunkte.

Wenden wir uns zwischendurch den Damen zu: als Mathilde steht Judith Howarth kaum hinter den bereits Genannten zurück. Mit ihrem lyrisch-dramatisch ausgewogenen Sopran, der im Forte eine wohlgeformt mitreißende Durchschlagskraft erreicht, erfüllt sie alle Ansprüche von liedhaft schlichter über organisch verzierter bis zu aufrüttelnd intensiver Intonation. Mit natürlichem Spiel erreichte sie ebenso die Herzen wie Tara Stafford als Gemmy mit kindlich bezauberndem, relativ schmalem, aber gut über das Ensemble tragendem Sopran. Als Tell-Gattin Hedwige lässt Alessandra Volpe durch ihren füllig pastosen Alt aufhorchen, der besonders im Frauen-Terzett und Gebet des letzten Aktes zur Geltung kam, weshalb auch ihr zu jugendliches Alter für die Mutterrolle kaum ins Gewicht fällt.

Welch strahlend leichte Höhe und poetische Interpretationsgabe der Tenor von Artavazd Saryan zu bieten hat, konnte der Franzose nun auch an diesem dritten Abend noch anhand der hoch gelagerten Partie des Fischers Ruodi noch beispielhafter beweisen. Giulio Pelligra führt als Rodolphe das zur ersten Katastrophe führende Finale des Ersten Aktes mit durchschlagendem Charaktertenor an, Marco Filippo Romano gibt hier auch den kurzen Auftritten als Leuthold und Jäger vokal –gestalterischen Biss.

Nur Raffaele Facciola gerät als Gessler mit knorrig trockenem und artikulatorisch verwaschenem Bariton zu sehr ins Hintertreffen, um den tyrannischen Hochmut seiner Rolle zu beglaubigen.

Matteo Graziano hat für die sechs TänzerInnen David Laera, Fernando Nicolas Pelliccioli, Francesca Penignel, Andrea Rama, Sarah Vella und Silke Vente-Yubi die diversen Tänze choreographiert, wobei es ihm gelungen ist, in die von Geßler erzwungenen Vorführungen im dritten Akt widerständische Akzente zu setzen, die in der Musik bei aller Meisterschaft kaum spürbar anklingen. Die dadurch entstandene Reibung gab dieser ausgedehnten Szene eine Spannung, die diverse Ballett-Einschübe nicht als unnötigen Handlungsstopper verharmloste.

In noch größerer Formation als an den Vorabenden meisterte der Bach-Chor Poznan (Einstudierung: Anja Michalak) seine umfangreichen Aufgaben in den unterschiedlichsten Gruppen-Aufteilungen in farblicher Differenzierung und geschlossener Tonfülle sowie engagiert couragiertem Agieren, das auch teilweise eine Verlängerung der Choreographie bildete.

Wie schon am Vorabend fanden die Virtuosi Brunensis nach unkonzentriertem Start zu einer von gelegentlichen Streicher-Verwischungen gleichmäßig durchgehaltenen Form. Vor allem die Bläser behaupteten sich mit sicheren Einwürfen und noblem Stimmungszauber. Antonino Fogliani, seit 10 Jahren musikalischer Leiter des Festivals, spannte mit überwiegend zügigen und dennoch allen gemesseneren Entfaltungen Raum gebenden Tempi sowie an entscheidenden Stellen vorwärtstreibender Agilität einen unablässigen Bogen über den Gesamtablauf und krönte Rossinis Bühnenabschied mit dem überirdisch friedvoll und feierlich ausgebreiteten Hymnus an die Natur.

Es lag sicher nur an der klimatisch bedingten Erschöpfung der Zuschauer, dass die verdienten Ovationen nicht so ergiebig waren wie es hier schon in früheren Jahren zu erleben war.

Udo Klebes

 

 

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