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AUGSBURG/ Parktheater im Kurhaus Göggingen: OPERNNACHT IM MAI

01.05.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Augsburg / Parktheater im Kurhaus Göggingen: OPERNNACHT IM MAI – 01.05.2014

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Das Parktheater. Foto-Copyright: Xanderhof-Studios

Schon zum 6. Male präsentierte das SALONORCHESTER FRANK LIPPE im Augsburger Parktheater des Kurhauses Göggingen seine inzwischen sehr beliebte OPERNACHT IM MAI, die aus zwei Gründen bemerkenswert ist: einmal durch das Programm-Angebot und damit verbunden durch die Zielgruppe des Publikums, zum zweiten durch die Exklusivität und das Ambiente des Ortes.

Beginnen wir beim Publikum. Leider ist es ja heute üblich geworden, daß die Struktur und die finanziellen Möglichkeiten der einstigen „Stadttheater“ so beschränkt sind, daß sich ihre Spielzeit auf vier bis fünf Opernproduktionen pro Jahr reduziert hat und ein „Repertoire“ im eigentlichen Sinne nicht mehr existiert. Jede Inszenierunge verschwindet nach acht bis maximal zwölf Aufführungen in der Regel noch in der gleichen Spielzeit wieder vom Spielplan, das betreffende Werk braucht dann wenigstens zehn Jahre, bis es erneut im Spielplan berücksichtigt werden kann. An dieser „Struktur“ hat der Opernfreund kaum Freude, umso weniger, als die immer gebrauchten Alibi-Alternativen, nach denen es ja jedes Werk auf CD bzw. DVD gibt und man aufgrund der höheren individuellen Mobilität ja in einen anderen Ort fahren und dort sein persönliches „Repertoire“ erweitern kann. Bei dem immer betonten demographischen Wechsel und damit verbunden einem ständig ansteigenden Anteil an älteren Besuchern ist diese „Struktur“ falsch. Grundsätzlich ist nicht jeder Mensch bereit, sich ein Werk in einem kurzen Zeitraum sechsmal hintereinander anzusehen und dann zehn Jahre zu warten, ehe dieses Werk wieder erlebt werden kann. Ältere Menschen fahren auch nicht unbedingt mit dem Auto durch die Gegend, um irgend eine Oper zu erleben, die ihnen „zu Hause“ – in ihrer Stadt – gerade nicht geboten werden kann. Opernbesuch im klassischen Sinne funktionierte und funktioniert anders. Diese Opernnacht bewies es einmal mehr: fast alle Werke des Programms standen in den letzten zehn Jahren auf dem Spielplan des Theaters Augsburg und jeder einzelne Titel löste bei den Zuschauern eine freudige Reaktion aus – nicht etwa deshalb, weil es ein Programm der „Ohrwürmer“ gewesen wäre, sondern weil auch hier das Publikum immer noch besser ist, als sein Ruf, denn Werke wie Verdis“Don Carlos“ und „Simon Boccanegra“ oder Puccinis „Gianni Schicchi“ sind ja nun weiß Gott keine „Selbstläufer“ in einem solchen Programm. Dieser Abend hat mich darüber nachdenken lassen, wie falsch doch unsere gegenwärtige (Opern)-Spielplan- und Repertoire-Politik ist. Eine Stadt von der Größe Augsburgs hat mehr Potential an Publikum, als in jeweils um die zehn Vorstellungen herum „ausgeschöpft“ werden könnten. Dieser Abend bewies es.

Das war eben kein „Tingel“-Programm, sondern so anspruchsvolle Beiträge wie die große Arie der Elisabeth aus „Don Carlos“, der Monolog „Ah! Vittoria!“ aus „Gianni Schicchi“, das Duett Amelia-Doge aus „Simon Boccanegra“ oder das Intermezzo sinfonico aus „Manon Lescaut“ bewiesen es. Natürlich gab es auch unverwüstliche Reißer aus „Tosca“ und „Madame Butterfly“, sie waren aber nicht der dominierende Teil des Programmes, mit anderen Wortem: hier wurde bewiesen, daß sich das Interesse des Publikums durchaus erweitert hat. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die mitwirkenden Künstler einen starken Bonus in ihrer Stadt haben: Sally du Randt als langjährige erste Sängerin des Theaters Augsburg ohnehin, wenn sie singt, geht einem das Herz auf – aber eben auch ein so relativ „neuer“ Bariton wie Dong-Hwan Lee, der mit „Schicchi“ und „Falstaff“ Begeisterung erntete. Und nicht zuletzt der Tenor Zurab Zurabishvili, vor Jahren in Augsburg engagiert und nun als Gast stürmisch gefeiert. Das gehört eben auch zur Opernpflege, dass man seine „Lieblinge“ regelmäßig in den verschiedensten Partien immer wieder erleben kann. Opernsänger und Opernfreunde sind Wiederholungstäter, das macht nicht nur ihren Wert, sondern auch das Spezifikum der Gattung aus, deshalb hat die so oft Totgesagte so lange überlebt…

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Parktheater innen. Foto-Copyright: Xanderhof-Studios

Begleitet wurden diese Drei vom Salonorchester Frank Lippe, vorwiegend Musiker der Augsburger Philharmoniker (zwei Violinen, Klarinette, Cello, Kontrabaß), geleitet von Lippe am Klavier, der wohl auch die Arrangements schuf. Auf höchstem Niveau musiziert, sehr dezent und einfühlsam arrangiert, bravo! Durch das Programm führte mit Witz und Charme Barbara Kreuzer.

(Die Namen der Musiker und den Arrangeur sollte man in künftigen Programmen nennen!)

Das war ein schöner Abend, auch wenn er mich melancholisch stimmte, weil ich meine, dass es  in einer Stadt wie Augsburg nur „Ersatz“ sein kann: ein breiteres Opernrepertoire müsste an einem so musikbegeisterten Ort doch  w i e d e r  zu installieren sein!

Und nun zum Ambiente: das Parktheater im Kurhaus Göggingen hat eine einmalige Architektur, hervorgegangen aus einer sehr wechselvollen Geschichte und in seiner jetzigen Form erhalten durch einen verheerenden Brand: die Stadt, die 1918 Träger des Gebäudes geworden war, verkaufte es nach mehreren Umfunktionierungen und Umbauten 1951 an einen Kinobetreiber, der es später zweckentfremdete und schließlich 1972 an einen Bauunternehmer verkaufte. Während dieser sich mit der Stadt stritt, die ihm keine Genehmigung zum Abbruch und eine Baugenehmigung für ein neues Wohn-Areal erteilen wollte, brach ein verheerender Brand aus, der alles in Schutt und Asche legte – bis auf die ursprüngliche Eisenkonstruktion, die dadurch ersichtlich war. Ein „Denkmal“ war wiedererstanden – als Skelett.Nun kaufte die Stadt „ihr“ Gebäude zurück, sanierte und rekonstruierte es mühevoll in zehn Jahren und jetzt kann man mit Carsten Jung feststellen, dass „die neue Herrlichkeit einen fantastischen Abglanz einer vergangenen Epoche“ bietet (siehe: „Historische Theater in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz“). Allein das ungewohnte, in seiner Art einmalig Ambiente lohnt einen Besuch.

Werner P. Seiferth   

 

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