AUGSBURG, Theater – Hoffmann-Keller: „OUR FAVORITE SONGS“, Premiere am 1. März 2014
Auch das gibt es noch in unserer für die Kultur „angespannten“ Zeit, in der Streiks der Bühnentechniker beinahe das Debüt eines Weltstars in einem renommierten Opernhaus verhindern, Streiks der Orchestermusiker oder Chorsänger Opernaufführungen ad absurdum führen oder die Künstlerinitiative „art but fair“ Missstände unterschiedlichster Art zu Recht beklagt: es gibt noch die Liebe zur Musik, zum Beruf, zum Publikum. Fünf ambitionierte „Musikanten“ verbünden sich um der Freude an der Musik willen und bereiten dadurch ihrem Publikum eine Freude der besonderen Art.
Der „Hoffmann-Keller“ im Theater Augsburg, einst während der Intendanz von Dr. Ulrich Peters in den Jahren 2002-03 aus einem ehemaligen Kellergewölbe, das auch zeitweise als Fundus diente, entdeckt und umfunktioniert, ist eine rustikale, kleine Spielstätte für Programme der unterschiedlichsten Art und gerade deshalb sehr beliebt beim Publikum.
Hier trafen nun fünf Künstler und ein Techniker zusammen und erarbeiteten in ihrer „Freizeit“ ein Programm das zuerst ihnen selbst große Freude bereitete und gerade deshalb zur besonderen Freude des Publikums wurde: OUR FAVORITE SONGS nannten sie den ebenso beschwingten wie beswingten Abend, angefüllt mit einer Vielzahl bekannter und auch weniger bekannter Melodien, interpretiert mit spürbarer Freude und erkennbarem Vergnügen, aber vor allem mit hoher Konzentration auf die Musik, die mit vollem Recht hier in den Mittelpunkt gerückt wurde, ohne „theatralische“ Ablenkung. Dort, wo die Originale Show-Einlagen von Stepp bis Striptease „einblenden“, konnte man sich dem musikalischen Ausdrucksreichtum der jeweiligen Kompositionen hingeben, man konnte (und sollte) schwelgen.
Ob es sich um Musical-Highlights (Webber, Kander, Berlin, Kern) oder Film-Evergreens (Mancini, Hollaender, Porter, Coleman), ob es sich in der Erinnerung an längst nicht mehr Bekanntes oder in der musikalischen Erinnerung an nicht „Gewusstes“ (Jones, Brühne, Kreuder, Kahn, Ellington, Weill) handelte – jedes „Teilchen“ war ein Mosaikstein für ein großes Ganzes, das nicht nur mit Lust und Liebe interpretiert wurde, sondern das auch ganz „beiläufig“ in einem im guten Sinne improvisierten, mit Witz und Ironie geführten Moderations-Dialog der beiden Sängerinnen vorgestellt wurde. Die Lockerheit der Atmosphäre dieses Abend wurde eben gerade dadurch erreicht, dass nichts „einstudiert“ oder „gestellt“ wirkte – wir, das Publikum, wurden mitgenommen auf eine sehr persönliche, private Exkursion durch die Welt dieser Musik, durften teilhaben am Treffen der Stile und Richtungen und waren – vom ersten Satz der „Anmoderation“ bis zum letzten Ton des Programms „Mitwirkende“.
Die Triple-S: Sieglinde Hahn, Stephanie Knauer und Sally du Randt präsentierten im Augsburger „ Hoffmann-Keller“ OUR FAVOURITE SONGS – Foto: Theater Augsburg
Wer wusste schon noch, dass Shalom Secundas Bei mir bistu scheen“ ursprünglich Bestandteil eines jiddischen Musicals war, wem ist erinnerlich, dass Kurt Weills Tango-Habanera Youkali ursprünglich für seine Oper „Marie Galante“ geschrieben wurde oder dass Friedrich Hollaender während der Arbeit am Film „Der blaue Engel“ für die Dietrich den Titel Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre schrieb. Und Jerome Kern hatte einst eine Musik komponiert, die er dann in „Show Boat“ nicht verwendete, um später auf den Text Otto Harbachs Smoke gets in your eyes zu schaffen, das auf dem russischen Sprichwort „Wenn Dein Herz auf dem Feuer ist, bekommst Du Tränen in die Augen“ basiert.
Nun endlich muss den Mitwirkenden gedankt werden, die das alles mit Können und spürbarem Wollen so grandios servierten: Sally du Randt, als Augsburger Operndiva ausgewiesen, bewegte sich in einem Milieu, das sie nicht nur durch die vielseitigen Nuancierungen ihrer stimmlichen Mittel beherrscht, sondern dem sie sich auch seit ihren Anfängen musikalisch verbunden fühlt: mit Charme erzählte sie davon, dass sie mit dem Webber-Titel Don’t cry form e argentina einst als Studentin in ihrer südafrikanischen Heimat ihren ersten Wettbewerb gewann. Gerade dieser Titel wurde auch hier zu einem Höhepunkt des Programms, neben vielen anderen Titeln, die nicht alle genannt werden können. Sieglinde Hahn, die sich vorwiegend dem Jazz und Blues verschrieben hat und seit Jahren bei Jazzbreak aktiv ist, überzeugte mit Titeln von Gus Kahn und Shalom Secunda und servierte mit Hendersons Bye bye blackbird eine interessante Version, die nur vom Kontrabaß begleitet wurde. Einen sehr großen Anteil am Erfolg des Abends hatte die Augsburger Pianistin Stephanie Knauer, die am Klavier den Löwenanteil der musikalischen Begleitung souverän bestritt, ihr in erster Linie waren die interessanten „Zwischenspiele“ zu danken, die die Musik in den Mittelpunkt stellten, der ihr im Film oder auch im Musical oft unter den Gesetzen der „Show“ durch Aktionen streitig gemacht wird. Sehr dezent und geschmackvoll die beiden anderen musikalischen Mitstreiter: Thomas Konzmann als Kontrabassist (von seinem Solo war schon die Rede) und Mo Spann am Schlagzeug und der – Mundharmonika! Beide Letztere sind ebenfalls Spezialisten auf diesem Gebiet und spielen zu ihrer Freude, was ihnen anzumerken war. Dieses großartige musikalische Quintett wurde ergänzt und unterstützt durch Sebastian Sommer, der – als Diener am Werk – im Hintergrund mit Umsicht und Souveränität agierte und nicht nur für den erforderlichen Sound (mit echtem Einfühlungsvermögen), sondern auch für das Licht und die technischen Anforderungen bestens sorgte.
So durfte man einen Abend erleben, der zur vollen Freude und Erbauung des Publikums wurde, der den Mitwirkenden ihre Lust, die sie verbreiteten, anmerkte und zurückgab – eine wunderbare Harmonie, kein Wunder, dass die beiden vorbereiteten Zugaben nicht ausreichten und man letztlich noch einen Titel aus dem Programm wiederholen musste.
Ich wiederhole mich: Augsburg ist immer eine Reise wert – im vorliegenden Falle allerdings sind die Karten für die nächste Vorstellung bereits so gut wie ausverkauft, neue Termine sind – leider! – noch nicht bekannt.
So ist Theater richtig, so muss es eigentlich immer sein: Lust muss man haben, Lust muss man verbreiten, ehrlich sein Anliegen „herüber“ bringen, dann kommt der Erfolg ganz von selbst.
Werner P. Seiferth