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ATHENS & EPIDAUROS FESTIVAL: RODRIGO GARCIA „4“- Seifenoper mit Beethoven

05.07.2016 | Theater

 Athens & Epidauros Festival
Rodrigo Garcia: „4“
Besuchte Vorstellung am 4. Juli 2016

Seifenoper mit Beethoven

Rodrigo Garcia

Copyright: Marc Ginot

Der Argentinier Rodrigo Garcia hat jüngst sein Debüt als Opernregisseur mit Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ an der Deutschen Oper Berlin gegeben. Sein Theater, das auf die Dekonstruktion zeitgenössischer Konsumwelten zielt, hat bei Mozart, glaubt man den Kritiken, nicht so recht gegriffen. Immerhin hat es, und das dürfte Garcia gefallen haben, ein teilweise erbostes Publikum zurückgelassen. In der internationalen Theaterszene ist er seit etlichen Jahren eine feste Grösse, bekannt für seine provokanten Spektakel. Auch in Athen, wo er nicht zum ersten Mal mit einer Produktion am Athens Festival vertreten war, provoziert seine Arbeit „4“ einige Zuschauer – einen Herrn bringt sie sogar dazu, kurzzeitig auf die Bühne zu stürmen. Bevor er aber dem Geschehen Einhalt gebieten kann, zwingen ihn laute Rufe aus dem Publikum zum Weggang. Entzündet hat sich seine Kritik am allzu rüden Umgang mit vier Hähnen auf der Bühne. Auch die Darsteller – Núria Lloansi, Juan Loriente, Gonzalo Cunill und Juan Navarro – sind zu viert, so dass wohl die mitwirkenden Menschen und Tiere zum Titel „4“ der Produktion führten.

Was passiert nun auf der mit wenigen Requisiten und Lichtspots versehenen Bühne, auf welcher insbesondere ein monumentales Seifenstück auffällt? Man könnte sagen, dass Garcia mit einem Mix aus unterschiedlichen Aspekten unserer Alltagswelt, einem Sampling eine Demaskierung unserer auf Oberfläche und Leistung getrimmten Zivilisation betreibt. Der Regisseur arbeit sich dabei am Gebaren des einstigen Tennisstars John McEnroe ab, lässt Hähne mit Kinderschuhen auftreten, führt Mädchen gleich geschminkten Lolitas vor oder bringt Kindheitserinnerungen zu Gehör. Das vieles auf die Übersexualisierung und auf Herrschaftsmechanismen von Gesellschaft und Medien zielt, ist deutlich – z. B. auch in einer komischen und bildstarken Szene, wo sich ein Zuschauer und die Schauspielerin in einer fingierten Gesprächsszene gegenübersitzen, verhüllt von Schlafsäcken. Sie reden über dies und das und schliesslich über Sex. Die Verhüllung verweist dabei in gelungener Weise auf die Anonymität der Internetchats, wo bekanntermassen oft und viel über Sexuelles gesprochen oder geschrieben wird.

In der Summe des Abends zeigt die Dramaturgie oder das Konzept der Provokation aber deutliche Schwächen. Oft plätschert das Geschehen etwas zäh vor sich hin. Zu den gelungenen Momenten zählt noch eine Szene, in der sich zwei der Darsteller auf dem erwähnten, mit Wasser besprengten Seifenstück suhlen. Das mutet geradezu choreografiert an. Ergänzt um die eingespielte Musik von Beethoven ergibt dies das lebhafte Bild einer Seifenoper. Man darf vielleicht einen ironisch gemeinten (vergeblichen?) Reinigungsprozess darin sehen. Provokant ist Rodrigo Garcias „4“ kaum, trotz einiger Abgänge im Publikum. Der mässige Applaus am Schluss lässt eher auf eine gewisse Ratlosigkeit und Langeweile im Auditorium schliessen.

Ingo Starz

 

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