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ATHEN/ Onassis Cultural Centre: ANTIGONE – LONELY PLANET von Lena Kitsopoulou. Wenn Antigone Skifahren könnte

Onassis Cultural Centre, Athen
Antigone – Lonely Planet
Besuchte Vorstellung am 7. Januar

Wenn Antigone Skifahren könnte

Zum Jahreswechsel hat das Onassis Cultural Centre eine Produktion wiederaufgenommen, die bereits im Oktober 2016 ihre Premiere feierte: „Antigone – Lonely Planet“ von Lena Kitsopoulou. Die 1971 in Athen geborene Theaterautorin, Regisseurin und Schauspielerin ist für ihre unkonventionellen Arbeiten bekannt und geschätzt. Sie inszenierte am Athens & Epidauros Festival, am Nationaltheater in Athen, aber auch am Theater Oberhausen, wo sie 2016 Hendrik Ibsens „Hedda Gabler“ auf die Bühne brachte. Ihr Stück „Athanasios Diakos – Die Rückkehr“ erhielt den Internationalen Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2013. Zuletzt erlebte im Mai 2017 ihr Werk „Tyrannosaurus Rex“ auf der Experimentellen Bühne des Nationaltheaters seine Uraufführung. Mit dem Stück „Antigone – Lonely Planet“ präsentiert sich nun Kitsopoulou als Dramatikerin, Regisseurin und Schauspielerin auf der Kleinen Bühne des Onassis Cultural Centre.

Der Theatermacherin geht es, wie sie im Programmheft kundtut, darum, durch eine postdramatische, an den Chor des griechischen Theaters erinnernde Versuchsanordnung die Komik hinter der Tragödie offenzulegen. Und sie zielt ferner mit ihrem Text darauf, die Gegenwärtigkeit der Handlungskonstellation von Sophokles‘ „Antigone“ herauszustellen. Bei alledem kreist Kitsopoulous Auseinandersetzung mit der Tragödie um das Thema Einsamkeit. Sie stellt diese auf der Bühne mit den Mitteln des Absurden als eine Art Diskussionsveranstaltung dar. An diesem Event sprechen drei Skifahrer und eine Skifahrerin über „Antigone“ und mehr noch über sich selbst und wichtige Entscheidungen in ihrem Leben. Der Konflikt zwischen Kreon und Antigone, der sich als einer zwischen Staats- und Familienrecht beschreiben liesse, wird in den Geschichten der vier Sportler gespiegelt und vergegenwärtigt. Das mutet mal mehr absurd an, wenn einer die Bedeutung der Skibindung mit dem Staatsrecht gleichsetzt, gewinnt ein anderes Mal eine deutlich existenzielle Dimension, wenn die Skifahrerin von ihrer Abtreibung aus Karrieregründen erzählt. Der Text behält bei alledem stets eine gewisse Leichtigkeit und einen fast musikalisch komponierten Rhythmus. Tatsächlich funktioniert diese komische Perspektive auf den Klassiker erstaunlich gut. Im letzten Drittel des Abends wechselt Lena Kitsopoulou vom Theater in den Film. Auf der Leinwand erleben wir nun, wie die Theaterfrau die Absurdität weitertreibt, Fassbinders Petra von Kant als Zeugin anruft – Stichwort: Einsamkeit -, Antigones Brüder in antikem Gewand miteinander kämpfen und die Skifahrerin vollends zu Antigone werden lässt. Am Ende der Aufführung steht eine Vitrine mit der toten Heldin auf der Bühne – Monument des immerwährenden Weiterlebens eines tragischen Konflikts.

Die Aufführung zeichnet sich durch einen klug komponierten Text, starke Sprechakte und Bilder aus. Alle Beteiligten haben Anteil am Gelingen dieser speziellen Antigone-Betrachtung, zuallererst natürlich das Schauspielensemble: Petros Georgopalis, Nikoleta Grimeki, Lena Kitsopoulou, Sofia Kokkali, Myrto Kontoni, Andreas Kontopoulos, Vassilis Safos und Yannis Tsortekis. Ferner sind Elli Papageorgakopoulou (Ausstattung), Nikos Vlassopoulos (Licht), Aggelos Papadopoulos (Video), Kostas Bokos (Sound) und alle im Film Mitwirkenden zu nennen.

Das Publikum folgt dem Geschehen animiert und mit grosser Zustimmung. Am Schluss fragt man sich wirklich beinahe, was wäre, wenn Antigone Skifahren könnte.

Ingo Starz