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ATHEN /Megaron Mousikis: RAMEAU-GALA – Popstar meets Rameau

18.03.2015 | Konzert/Liederabende

Megaro Mousikis, Athen: Rameau Gala vom 17. März 2015. Popstar meets Rameau

 Heimgekehrte Söhne werden gerne freudig begrüsst, zumal wenn es sich um Künstler handelt. Nicht anders verhält es sich im Falle des Dirigenten Teodor Currentzis, der 1972 in Athen geboren wurde und nun für zwei Konzerte in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist. Nach der musikalischen Ausbildung in Griechenland setzte er seine Studien am Sankt Petersburger Konservatorium fort. In Russland blieb er fortan, war von 2004 bis 2010 Chefdirigent am Staatlichen Opern- und Ballettheater in Nowosibirsk und ist seit 2011 Musikdirektor des Opernhauses in Perm. Er gründete das MusicAeterna Ensemble und erregte bald auch mit Dirigaten in Westeuropa Aufmerksamkeit. Seit 2011 ist er ständiger Gastdirigent beim SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Currentzis eilt der Ruf voraus, ein Dionysos am Pult, ein Exzentriker und Guru zu sein. Im vergangenen Jahr legte er die CD-Veröffentlichung „The Sound of Light“ mit Werken von Jean-Philippe Rameau vor, die er mit dem jetzigen Konzert beworben hat.

 Die Musik von Rameau hat in den letzten Jahrzehnten vermehrt Aufmerksamkeit erfahren. Seine Opern und Ballettopern sind regelmässig auf den europäischen Bühnen zu finden, ohne freilich zum festen Repertoire zu gehören. Currentzis schwärmt im Booklet der Aufnahme von der Musik des französischen Barockkomponisten: „Seine Musik trifft unsere Herzen so direkt wie ein Sonnenstrahl, der durch die schwarze Unendlichkeit des Weltraums schneidet, bis er endlich auf das menschliche Auge trifft, auf ein grünes Blatt, eine Rosenblüte.“ Das ist etwas dick aufgetragen und sagt doch Wahres aus: Tatsächlich vermag der transparente, „lichte“ Klang von Rameaus Werken bis heute zu faszinieren. Für die CD wie das Konzert hat der Dirigent eine durchaus bemerkenswerte  Auswahl an Musik getroffen, die nicht nur Auszüge aus Opern wie „Platée“, „Zoroastre“ oder „Les Indes galantes“ berücksichtigt, sondern auch Kammermusik. Zusammen mit dem Ensemble MusicAeterna (nicht zu verwecheln mit der Formation Musica Aeterna) und der Sopranistin Nadine Koutcher machte er sich auf eine Spurensuche.

 Der Weg, den man als Konzertbesucher zu absolvieren hatte, führte vom Dunkel ins Licht und wieder zurück. Zu Beginn war Kammermusik zu hören und nur wenig Licht traf die Musiker, so dass der Saal in ungewohntes Dunkel gehüllt war. Mit dem Einsetzen des ganzen Orchesters kam das volle Bühnenlicht und die effektvolle Show nahm ihren Lauf. Man geht sicher nicht falsch in der Annahme, dass auch die ausgeklügelte Lichtregie von Currentzis bestimmt wurde. Doch es waren nicht nur die Lichtwechsel die für Effekt sorgten, ebenso trugen dazu die Gestik von Dirigenten und stehenden Geigern bei, die dem Publikum exzentrische Körperbewegungen und gelegentliches Fussgetrampel nicht ersparten. Das ganze Konzert war damit eine Inszenierung, deren Notwendigkeit dem Rezensenten nicht ersichtlich wurde. Auch konnte man sich fragen, ob die gewählte Dramaturgie, welche eine Vielzahl kurzer Rameau-Häppchen bot und von Kammer- zu Opern- oder Ballettmusik und wieder zurück sprang, wirklich eine überzeugende Form der Präsentation darstellt.

 Das Ensemble MusicAeterna versammelt fraglos sehr gute Musiker. Gerade in den kammermusikalischen Abschnitten traten die Qualitäten, etwas der Flötistin, deutlich zu Tage. Das energische auf extreme Kontraste ausgelegte Dirigat von Teodor Currentzis war jedoch nicht dazu angetan, der Musik Rameaus die gewünschte Transparenz zuteil werden zu lassen. Die stark besetzten Streicher deckten regelmässig die Holzbläser, die Laute und andere Instrumente zu. Die forcierten Tempi – bevorzugt extrem schnell, wie bei Stücken aus „Zoroastre“ oder „Les Boréades“ – ermüdeten mit der Zeit. Diese Art der Interpretation hat weniger zugespitzt seine volle Berechtigung, in diesem Fall aber kam sie zu effekthascherisch daher. Und vor allem vermochte sie zu wenig vom Raffinement und der Eleganz, die Rameaus Musik eben auch auszeichnet, zu vermitteln. Die Sopranistin Nadine Koutcher entledigte sich ihrer Aufgabe mit Anstand und lief erst in der vierten und letzen Arie zu Höchstform auf. Wie sie den von Currentzis sehr langsam dirigierten Klagegesang „Tristes apprêts“ der Telaires (aus der Oper „Castor und Pollux“) mit feinem Piano und glockenhellem Ton vortrug, war eindrücklich. So klang das Konzert langsam und leise aus.

 Über musikalische Interpretationen kann man trefflich streiten. Den Geschmack des Rezensenten traf Currentzis´ Blick auf Rameau nicht. Gleichwohl, das Publikum feierte den Dirigenten wie einen Popstar. Drei Zugaben erfolgten, wobei für die zweite die Sopranistin ans Pult trat und Currentzis die Trommel schlug. Danach kannte die Begeisterung des Auditoriums kein Halten mehr. Man möchte sich nicht ausmalen, was geschähe, wenn der Grieche dereinst ein Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker leiten sollte. Prost Mahlzeit.

 Ingo Starz

 

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