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ATHEN/ Megaro Mousikis: „X_isTense“ von Periklis Liakakis. Wir sind die Krise. Uraufführung

02.03.2018 | Oper


Copyright: Megaro Mousikis

Megaro Mousikis, Athen
X_isTense
Uraufführung am 28. Februar 2018

Wir sind die Krise

In Griechenland ist die Krise allgegenwärtig. Und so ist es nur logisch, dass sich auch die Künste in unterschiedlichster Form den Krisensymptomen und -erfahrungen annehmen. Im Athener Musik- und Kulturzentrum Megaro Mousikis hat sich nun der in Wien lebende Komponist Periklis Liakakis dem Thema angenommen. Wie man weiss, denkt und arbeitet der Künstler gern in multimedialen Zusammenhängen. Sein Blick ist in „X_isTense“ – der Titel verweist auf den Begriff „Existenz“ – nicht primär und allein auf die Finanzkrise gerichtet, sondern auf die Krise als Ausdruck heutiger Lebenswirklichkeit. Krisen lauern immer und überall, von Midlife bis Mittelstand, so könnte die Arbeitsthese des Komponisten lauten. Mit seinem Musiktheaterwerk „X_isTense“ stellt er unser von medialer Informationsflut verunsichertes und überfordertes Leben mit Ironie auf den Prüfstand. Da kommt neben der grossen Politik beispielsweise auch die Documenta14 zur Sprache, die in Deutschland bis heute wegen ihres Finanzgebarens Schlagzeilen macht. In der musiktheatralischen Annäherung Liakakis‘ geht es stattdessen um die grossen Worte der Ausstellungsmacher und die Rezeption in Athen. Gerade auf diese Sequenz des Werks reagiert das Publikum hörbar mit Vergnügen.

Wie aber übersetzt man so unterschiedliche Krisen in eine Form von Musiktheater? Liakakis tut dies ganz postmodern, und wenn man so will auch ganz postdramatisch. Er arbeitet mit drei Musikern, einem Sprecher, seiner eigenen Person und einem multimedialen Setting, das Livegeschehen, Musik, Film und Toneinspielung auf der Bühne zusammenführt. Sprechakte treten dabei am deutlichsten und wirkungsvollsten hervor, stärker mindestens als die instrumentale Musik, welche eher den ruhenden Pol des Ganzen, zumindest aber den ruhiger daherkommenden Teil einnimmt. Wobei gleich anzufügen ist, dass Liakakis Rhythmus und Klang der Sprache wie Musik einsetzt. In gewissem Sinn mag das auch für die streng komponierten Bildwelten der Filmebene gelten. Hier jedoch wird auch ein Problem sichtbar resp. eine Frage virulent: Sind das gewählte Montageverfahren des Werks und die ästhetischen Mittel wirklich die richtigen, um unsere beschleunigte und oft auch verwirrend scheinende Gegenwart ädaquat darzustellen. Keine Frage, Liakakis weiss in verschiedenen Medien zu komponieren, d.h. er vermag es, Botschaften zu setzen. Und doch wirkt das gewählte Verfahren der Montage, das eine lange Geschichte aufweist, hier doch ein wenig historisch, weil gerade die Filmbilder auf traditionelle Gestaltungsmittel und Animationen zurückgreifen. Wenn etwa die Wirkung der Social Media zur Darstellung kommt, wirken die Zeichen auf dem Screen wie aus der jüngsten Vergangenheit. Eine gesprochene Sequenz von „X_isTense“ macht ein weiteres Problem deutlich: Wenn sich der Komponist als Rapper an das Publikum wendet, zeigt er zwar ein bemerkenswertes Sprechertalent und Engagement, inszeniert sich aber eben doch nur als Rebellierender. Es ist dieser Gestus, den wir aus der Musik- und Kunstgeschichte des 20.Jahrhunderts kennen, der dem Werk etwas zu sehr anhaftet. Man hätte sich immer wieder eine weniger inszenierte, historisch bereits abgesicherte Darstellung gewünscht – kurz gesagt, unmittelbare resp. spontane Live-Aktion, ein schnelleres Tempo, härte Schnitte hätten mehr Gegenwart in dieses Musiktheater eingebracht.

Allen kritischen Bemerkungen zum Trotz, darf man Liakakis und seinen Mitstreitern grosses Können bescheinigen. Der Erzähler Achilles Anastasiades und die Musiker Costas Makrygiannakis (Gitarre), Constantinos Raptis (Akkordion) und Theofilos Sotiriades (Saxophon) erbringen sehr gute Leistungen.

Alle Beteiligten sorgen für einen guten Flow des Werks. Das aufmerksam lauschende und schauende Publikum spendet am Schluss ausgiebigen Beifall.

Ingo Starz (Athen)

 

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