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ATHEN/ Greek National Opera: „Z“ von Minas Borboudakis

Vom Politthriller zum Mythos

04.03.2018 | Oper


Copyright: Stavros Habakis

Greek National Opera, Athen: „Z“ von Minas Borboudakis
Besuchte Vorstellung am 3. März 2018

Vom Politthriller zum Mythos

Kurz vor dem Ende der Oper „Z“ von Minas Borboudakis wird darin thematisiert, dass die zugrundeliegende, reale Begebenheit als Stoff für einen Roman, einen Film oder eine Oper tauge. Dieser Moment weist auf einen wichtigen Aspekt dieser gerade in Athen zur Uraufführung gebrachten Oper hin: Der Komponist und sein Librettist Vangelis Hatziyannidis erzählen nicht nur die Geschichte von der Ermordung des Politikers „Z“ alias Grigoris Lambrakis, welche bereits Thema des gleichnamigen Romans von Vassilis Vassilikos (1966) und eines berühmt gewordenen Films von Costa-Gavras (1969) war, sie reflektieren im zweiten Akt des Werks auch die Wirkungsgeschichte eines gleichsam zum Mythos gewordenen Politikers. Damit beschäftigt sich diese neue Oper gleichermassen mit der jüngeren griechischen Geschichte und mit Fragen der Erinnerungskultur. Und sie tut dies in äusserst anregender und faszinierender Weise.

Worum geht es nun in „Z“? Die Oper handelt in Form einer Parabel von der Ermordung eines linken, pazifistischen Politikers durch militärnahe, rechte Kreise. Gezeigt werden die Umstände, die zum Attentat führen, und die erfolglosen Ermittlungen durch einen couragierten und unbestechlichen Richter. Dem dargestellten Geschehen liegt ein reales, für Griechenland bedeutsames Ereignis zugrunde: Die Ermordung des Oppositionspolitikers Grigoris Lambrakis am 22. Mai 1963 in Thessaloniki. Der mit den Ermittlungen betraute Richter Christos Sartzetakis wurde später griechischer Staatspräsident (1985-1990). Das Verfahren kam mit dem Militärputsch im April 1967 zum Erliegen. Borboudakis und Hatziyannidis bringen im ersten Akt das Geschehen bis zum Mord zur Darstellung und zeigen im zweiten Teil die Ermittlungen, verbunden mit Reflexionen zur einsetzenden Erinnerungsarbeit. Letzteres wird durch das Wiederauftreten von Z, vielleicht nun schon als mythische Figur zu lesen, und eine Figur, welche als Frau und Seele eingeführt wird, geleistet. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass das Z vom griechischen „Zei“ abgeleitet ist und so viel wie „er lebt“ bedeutet. So macht die fortdauernde Präsenz der Hauptfigur, und sei es nur in den Köpfen der Menschen, tatsächlich einigen Sinn.

Die Musik des in München lebenden Komponisten Minas Borboudakis weist ein interessantes Konzept auf. Geschrieben ist sie für ein Kammerorchester mit Klavier, für Singstimmen und einen Sprecher. Im ersten Akt liefert das Orchester mit unüblichem Gebrauch von Instrumenten und starken rhythmischen Akzenten einen atmosphärisch dichten Klang, der wesentlich zur Spannung des Politgeschehens beiträgt. Bei den Singstimmen fallen hervorgehobene, kurze Gesangslinien auf, die wie Signaturen Figuren und Momente charakterisieren. Die Hauptfigur Z fällt einem Sprecher zu, was ihr eine besondere Bedeutung und Klangqualität verleiht. Im zweiten Akt kommt mehr Bewegung in die Musik, es herrscht nun eine eher groteske Stimmung vor. Wie Borboudakis mit Rhythmik und unterschiedlicher Verwendung der menschlichen Stimme umgeht, teils Stimmen elektronisch verstärkt und raumgestaltend einsetzt, überzeugt in hohem Masse.

Das von Eva Manidaki konzipierte Einheitsbühnenbild erlaubt durch unterschiedliche, neben- und übereinander gesetzte Räume eine fließende, filmhafte Erzählung. Der Orchestergraben ist dabei von der Szene gleichsam umspielt. Die Regisseurin Katerina Evangelatos entfaltet in diesem Setting sehr schlüssig und mit starken Einzelbildern das Geschehen. Sie führt die Sänger und das kleine Vokalensemble gekonnt durch die Handlung. Der Figur des Mörders Cricket lässt sie dabei besondere Aufmerksamkeit, d.h. einen interessanten „psychoanalytischen“ Blick zukommen. Wie die Komposition zeichnet sich auch die Inszenierung durch ein detailliertes, überzeugendes Konzept aus. Minas Borboudakis steht selbst am Dirigentenpult und sorgt mit dem profilierten Ergon Ensemble für eine exemplarische Wiedergabe der Musik.“

Alle an der Produktion Beteiligten müssen ausdrücklich für diesen starken, zeitgenössischen Musiktheaterabend gelobt werden. Genannt seien neben Nikos Vassiliou und Frixos Mortzos, welche die musikalische Einstudierung mitbesorgten, die erstklassigen Solisten der Hauptpartien: Dimitris Papanikolaou als Z, Gina Fotinopoulou als Frau/Seele, Yannis Yannisis als Dinosaurus Magnus, Christos Kechris als Cricket, Arkadios Rakopoulos als Crab und Vangelis Maniatis als Ermittler.

Mit der Oper „Z“ brachte die Griechische Nationaloper ein rundum gelungenes Werk des zeitgenössischen Musiktheaters zur Uraufführung. Das Publikum der zweiten Aufführung wusste diesen Umstand gebührend zu feiern.

Ingo Starz (Athen)

 

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