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ATHEN/ Greek National Opera: ROMÉO ET JULIETTE. Premiere

26.02.2018 | Oper


Ismael Jordi, Myrtò Papatanasiu. Copyright: Greek National Opera

Greek National Opera, Athen: Roméo et Juliette
Premiere am 25. Februar 2018

Roméo im Niemandsland

Aus Anlass der 200. Wiederkehr von Charles Gounods Geburtstag setzt die Athener Oper erstmals dessen Oper „Roméo et Juliette“ auf den Spielplan. In der griechischen Hauptstadt war dieses Werk, was ein interessanter Beitrag im Programmheft beleuchtet, nachweisbar nur einmal zuvor aufgeführt worden: im Jahr 1920 durch eine private Operntruppe. Nun gelangt Gounods Oper also auf die Bühne des neuen Opernhauses – und dies als Anfangspunkt eines auf mehrere Jahre angelegten französischen Opernzyklus. Die Erwartungen waren vorab gross, zumal neben einer vielversprechenden Besetzung mit Nikos Mastorakis und Johannes Schütz erfahrene Leute für die szenische Seite der Aufführung zuständig sind. Leider erweist sich das, was man zu sehen bekommt, als große Enttäuschung.

Johannes Schütz hat für die Athener Neuproduktion ein monumentales, multiples Rahmenwerk geschaffen, welche verschiebbar immer neue Raumkonstellationen schafft. Seitlich und dahinter befinden sich Sitzmöbel. Der Bühnenraum ist schwarz gehalten, nur die Kostüme setzen einige farbige Akzente. Das Geschehen ist offenkundig in der Gegenwart angesiedelt. Vermittelt schon die Ausstattung keinen besonders aufregenden oder gar sinnstiftenden Eindruck, so tut es leider die Regie noch viel weniger. Es scheint, als ob Nikos Mastorakis nichts zu der Liebesgeschichte eingefallen sei. Die Personenführung, wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann, fällt gar holzschnittartig aus und lässt dem Ensemble viel Raum, um in altbekannte Operngesten zurückzufallen. Die Handlung wird eher dürftig bebildert als wirklich erzählt. Der Chor wirkt bei alledem wie ein Fremdkörper auf der Bühne. Von einer zeitgenössischen Erzählweise ist diese Aufführung bedauerlicherweise weit entfernt. Die Schlussszene, in welcher Juliette einem Grabmal gleich in leicht schräger Standposition präsentiert wird, bietet immerhin noch einen gewissen optischen Reiz. Ansonsten herrscht öde Konvention oder Leerlauf auf der Bühne. Die eher unnötigen choreografierten Momente (Markella Manoliadi) und das teils haarsträubende Lichtdesign (Franz Peter David), das Sänger immer wieder ins Halbdunkel setzt, machen die Sache nicht besser.

Erfreulich und erstklassig fällt glücklicherweise die musikalische Seite der Aufführung aus. Der Dirigent Lukas Karytinos hält das Orchester zu einer differenzierten und farbenreichen Wiedergabe der Partitur an. So entwickelt sich ein musikalischer Fluss, dem die Szene nichts gleichwertiges entgegenzusetzen weiss. Der Chor der Nationaloper (Einstudierung: Agathangelos Georgakatos) singt auf gutem Niveau.

Gespannt war man vor allem auf das Rollendebüt von Myrtò Papatanasiu als Juliette. Ist ihre Stimmführung im ersten Akt noch etwas fahrig und mancher Ton unsauber, was der Premierenaufregung geschuldet sein mag, so entfaltet ihr Sopran in den folgenden Akten mehr und mehr seine Qualitäten. Triller sind hörbar nicht ihre Stärke, umso mehr beeindrucken den Hörer Papatanasius dramatische Gestaltungskraft und die Farben ihrer Stimme. Ihre Arie im vierten Akt ist der Höhepunkt des Abends. Mit Ismael Jordi hat die Sopranistin einen Tenor zur Seite, einen Schüler von Alfredo Kraus, der sehr stilsicher singt. Man würde ihm vielleicht etwas mehr Farbe in die Stimme wünschen, zu beklagen hat man sich freilich nicht. Jordi bietet erstklassigen Gesang mit sicheren Spitzentönen. Eine bessere Inszenierung hätte ihm fraglos zu einer stärkeren Bühnenpräsenz verholfen – gerade er wirkt mitunter etwas verloren auf der Bühne.

Um die beiden Hauptprotagonisten ist ein sehr gutes Ensemble versammelt, welches klingendes Zeugnis vom griechischen Sängerpotential ablegt. Artemis Bogri als Stéphano beeindruckt mit ihrem warmen, sicher geführten Mezzosopran; Haris Andrianos als Mercutio setzt mit seinem klangvollen Bariton starke Akzente; Dimitris Kassioumis als Capulet und Petros Magoulas als Frère Laurent warten mit sonoren Bässen auf. Darüber hinaus sind in den kleineren Rollen durch die Bank gute Leistungen zu hören, von Chryssanthi Spitadi als Gertrude, Antonis Koroneos als Tybalt, Dionyssis Melogiannidis als Benvolio, Nikos Kotenidis als Paris, Kostis Rasidakis als Grégorio und Giorgos Roupas als Herzog.

Das Publikum spendet am Schluss kräftigen Applaus mit Bravorufen für die Sänger und Musiker. Das Produktionsteam erscheint erst gar nicht auf der Bühne: Besser so.

Ingo Starz (Athen)

 

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