Copyright: Greek National Opera
Greek National Opera, Athen: DIE ZAUBERFLÖTE
Besuchte Vorstellung am 13. März 2018
Eine animierte Zauberflöte
Obschon sich Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ weltweit und schon lange grosser Beliebtheit erfreut, hat die Griechische Nationaloper das Werk erst im Jahr 1969 erstmals auf die Bühne gebracht. Vorausgegangen waren Inszenierungen von „Die Entführung aus dem Serail“ (1941), „Le nozze di Figaro“ (1953), „Idomeneo“ (1955), „Cosi fan tutte“ (1958/59) und „Don Giovanni“ (1962). Die erste Produktion der „Zauberflöte“ war ein erwartbarer Erfolg und läutete auch in Athen den Siegeszug der Oper ein. War die Vorgängerinszenierung reichlich altbacken und uninspiriert, präsentiert nun die von der Komischen Oper Berlin übernommene und bereits weltweit gefeierte Produktion Mozarts Werk als Animationsfilm.
Barrie Kosky hatte zusammen mit Suzanne Andrade und Paul Barritt vom Performancekollektiv „1927“ im November 2012 „Die Zauberflöte“ in ungewohnter Weise auf die Bühne gebracht. Die Oper gleicht dabei einem Animationsfilm, in welchem die Sänger für Live-Momente sorgen. Es wurde viel über diese Produktion geschrieben, weshalb an dieser Stelle einige Bemerkungen genügen mögen.Vor einer grossen Leinwand als Bühnenaufbau (Esther Bialas), welcher Drehtüren und Vorsprünge aufweist, agieren die Sängerinnen und Sänger stehend oder mit minimalen Bewegungen und Gesten. Die eigentliche Aktion sowie ein wesentlicher Teil der Ausstattung werden als Animationsfilm projiziert. Die Oper kommt dabei insbesondere, aber nicht nur im Gewand der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts daher. Deutliche Reminiszenzen lãsst die Figurenzeichnung erkennen: Pamina ähnelt dem Stummfilmstar Louise Brooks, Papageno Buster Keaton und Monostatos Nosferatu. Eine wahre Bilderflut öffnet vor dem Betrachter eine Vielzahl wundersamer Räume. Die von Taminos Flöte gezähmten, wilden Tiere erscheinen beispielsweise als Sternbilder am nächtlichen Himmel. Das Ganze übt einen grossen Reiz aus, kann aber stellenweise auch zu einer gewissen Übersättigung führen.
Ein reales Problem dieses Unterfangens macht sich bei der besuchten Aufführung deutlich bemerkbar: der Umstand nämlich, dass der Film das Tempo des Abends bestimmt. Das Orchester unter der Leitung von Zoi Tsokanou bietet, was positiv zu vermerken ist, ein transparentes, schlankes Klangbild. Leider sind aber bei dieser Aufführung Graben und Bühne desöfteren auseinander. Das sorgt für spür- resp. hörbare Unruhe beim Sängerensemble. Auch der von Agathangelos Georgakatos einstudierte Chor hat unter diesen Bedingungen nicht seinen besten Abend. Im übrigen ist zu bemerken, dass das Tempo der Filmspur zu wenig Ruhemomente, d.h. langsamere Tempi zulässt. So gerät der Orchesterpart leider auch ein wenig monoton.
Was die Solisten des Abends leisten, kann sich allerdings hören lassen. Der junge Schweizer Tenor Sascha Emanuel Kramer führt seine lyrische, hell timbrierte Stimme sicher und versteht es, gestalterische Akzente zu setzen. Es ist wohl den erwähnten Koordinationsproblemen zwischen Graben und Bühne zuzuschreiben, dass er bisweilen etwas zu viel Druck in seine Stimme gibt. Mit dem Orchester scheint auch Vassiliki Karayanni als Königin der Nacht in ihrer ersten Arie zu kämpfen. Das hohe F erklimmt sie mühevoll, der Ton ist nur angerissen. Die zweite Arie gelingt dagegen nahezu tadellos. Maria Palaska erfreut als Pamina mit ihrer jugendlichen, frisch klingenden Stimme. Ihre Arie „Ach, ich fühl’s, es ist verschwunden“ hätte instrumental und vokal mehr Akzente vertragen. Im Duett mit Papageno wirkt Palaskas Stimme gelöster. Timos Sirlantzis gibt den Vogelfänger mit dunklem, warmem Ton. Die Besetzung des Papageno mit einem Bassbariton setzt einen interessanten, balsamisch tönenden Akzent. Die Buster Keaton -Referenz und die Stimmlage betonen in gewissem Sinne das traurig-komische Moment der Figur. Sirlantzis wie Kramer möchte man gerne bald wieder am Haus hören.
Überzeugend ist der kurze Auftritt von Marilena Striftobola als Papagena. Petros Magoulas als Sarastro kann weniger mit der Tiefe seiner Stimme als deren schlankem Klang punkten. Christos Kechris gibt den Monostatos mit klangschönem, charaktervollen Tenor. Mit guten Leistungen warten schliesslich die jungen Sänger der drei Knaben sowie alle anderen Beteiligten auf. Das Publikum feiert am Schluss eine ungewöhnliche Inszenierung und eine mit überwiegend jungen Kräften besetzte Aufführung mit starkem Applaus und Bravorufen.
Ingo Starz (Athen)