Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ATHEN/Athens & Epidauros Festival, Peiraios 260: DIE SELBSTMORD-SCHWESTERN – The Virgin Suicides von Susanne Kennedy

Totenbuch 4.0

06.07.2019 | Theater


Foto: Judith Buss

Athens & Epidauros Festival, Peiraios 260

Die Selbstmord-Schwestern – The Virgin Suicides

Besuchte Vorstellung am 5. Juli 2019

Totenbuch 4.0

Die Regisseurin Susanne Kennedy hat in den letzten Jahren eine beachtliche Karriere hingelegt. Mit ihren Arbeiten an den Muenchner Kammerspielen und der Volksbuehne Berlin wurde sie unter anderem zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Bereits ihre Inszenierung von Marieluise Fleissers „Fegefeuer in Ingolstadt“, welche 2013 in Muenchen zur Premiere kam, zeigte Kennedys Interesse an Stilisierung und visuellem Design. In gewissem Sinne erinnerte bereits diese fruehe Arbeit etwas an eine Installation. Mit ihren juengsten Arbeiten zielt sie nun ganz deutlich auf Buehneninstallationen zwischen Theater und bildender Kunst.

Susanne Kennedys Stueck „Die Selbstmord-Schwestern“ (The Virgin Suicides) basiert auf dem gleichnamigen Romanerstling von Jeffrey Eugenides. Es geht darin um fuenf Schwestern, die abgeschlossen von der Welt, aber beobachtet von einer Gruppe junger Maenner ihr Leben zubringen. Es ist ein Leben voller Sehnsuechte und Begierden, das fuer alle in Selbstmord endet. Die Regisseurin hat sich von der Struktur des tibetanischen Totenbuchs inspirieren lassen und zeigt eine Installation, welche an ein offenes Buch oder noch mehr an ein Altarretabel erinnert. Die Buehnenbildnerin Lena Newton, die Kostuembildnerin Teresa Vergho, der Sounddesigner Richard Janssen und der Videodesigner Rodrik Biersteker haben im Zusammenspiel ein eindrueckliches, multimediales Gesamtkunstwerk geschaffen. Der Buehnenraum weist, wie erwaehnt, eine sakrale Anmutung auf, laesst sich aber auch als Gruft verstehen, in welcher Videobilder zwischen Innen- und Aussenwelt vermitteln. Das Ensemble erscheint verhuellt auf der Buehne und traegt (mit einer Ausnahme) Gesichtsmasken. Die Stimmen der Akteure sind technisch verfremdet. Der Gang der Schwestern zum Selbstmord wird von Kennedy gleichsam als Zeremoniell dargestellt. Der selbstgewaehlte Tod ist – mindestens scheinbar – der einzige Ausweg und die Regisseurin zeigt dies in aller Konsequenz.

Das Ensemble erfuellt die ihm zugewiesenen Aufgaben bestens: Marie Groothof, Walter Hess, Christian Loeber, Damian Rebgetz und Ingmar Thilo. Nicht wegen der Darsteller, sondern wegen des rituellen Charakters der Auffuehrung leidet das Ganze leider etwas an Blutleere. Die erzaehlende Stimme aus dem Off traegt noch zur Distanzierung des Publikums bei. Man schaut ihn eine fremde Welt hinein, die einen aber seltsam unberueht laesst.

Das Publikum reagiert zurueckhaltend und spendet am Schluss freundlichen Applaus.

Ingo Starz 

 

 

Diese Seite drucken